2007-10-17 11:19:07

D: Beckstein erstmals im Interview mit Radio Vatikan


RealAudioMP3 Europa sei eine Wertegemeinschaft und habe christlichen Ursprung. Das hat Bayerns neuer Ministerpräsident Günther Beckstein in seinem ersten Gespräch mit Radio Vatikan betont. Papst Benedikt solle diese Fragen weiterhin in den Mittelpunkt stellen. Birgit Pottler Beckstein nach seine Zielen, der Trennung von Staat und Kirche befragt, nach dem Thema Integration und seiner Verbindung zum Papst. Hören und lesen Sie hier das ganze Gespräch.
 
Herr Ministerpräsident, Sie sind praktizierender Christ und gläubig. Am Sonntag steht in ihrem Terminkalender etwa eine Kanzelrede zum Reformationstag. Vor diesem Hintergrund: Was sind ihre wichtigsten Ziele für Bayern?

Ja ich bin, daraus mache ich keinen Hehl, evangelischer Christ. Ich bin in meiner Jugend als Mitglied beim CVJM sehr stark von meinem Glauben geprägt worden und bin seither immer kirchlich aktiv gewesen, habe meine Frau im Kirchenvorstand kennen gelernt, bin selbst mehrere Jahre Mitglied der Landessynode und bin, obwohl evangelisch, sehr sehr dankbar, dass wir in Bayern eine katholische Volkskirche haben. Das ist ein großer Segen für unser Land, denn dadurch sind der Egoismus nicht so stark wie in anderen Bereichen und die Bereitschaft, sich für andere Menschen einzusetzen, sehr viel größer. Das ist auch meine erste große Aufgabe: Ich will alles tun, um die Gesellschaft zu stabilisieren, dass Eltern ermuntert werden, sich um ihre Kinder zu kümmern, dass junge Menschen ermuntert werden, eine Familie zu gründen, dass man auf Werte und Grundwerte und Überzeugungen achtet. Wir werden selbstverständlich den Religionsunterricht beibehalten, und wir werden schauen, dass Geld nicht alles im Leben ist.


Sie haben es angesprochen: Es gibt eine starke katholische Kirche in Bayern und Staat und Kirche leben in Bayern in einer - sagen wir einmal - „verbindenden Trennung“. Wo sehen Sie die Synergieeffekte?

In der Tat ist es so, dass wir nicht zwei völlig verschiedene Bereiche auseinander halten, nämlich hier der Staat und dort die Kirche, die nichts miteinander zu tun haben, sondern es sind ja die selben Menschen, um die sich Staat und Kirche zu kümmern haben, und deswegen sind bei aller Achtung der Unabhängigkeit Staat und Kirche auch sehr eng miteinander verbunden. Wir sind froh, dass wir sehr sehr viele kirchliche Kindergärten haben, dass dort Kinder nicht nur mit den normalen sozialen Eigenschaften vertraut gemacht werden, sondern Werteerziehung haben. Wir haben in den Schulen Religionsunterricht, der eine ganz wichtige Rolle spielt, weil Kinder und Jugendliche nicht nur Fakten lernen sollen, sondern sie müssen auch eine Werteordnung vermittelt bekommen. Wir legen in Bayern großen Wert darauf, dass alle Einweihungen von Straßen oder behördlichen Gebäuden mit einer ökumenischen Segnung versehen werden, weil jeder Mensch wissen muss, dass an Gottes Segen alles gelegen ist und von daher haben wir auch in der Erwachsenenbildung und in den Universitäten die gute Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirchen. Der Staat hilft auch den Kirchen, ihre Aufgaben zu erfüllen, z.B. die Erhaltung alter Baudenkmäler, wo in vielen Bereichen der Staat ja auch die Bauverpflichtung hat. Aber das ist aus meiner Sicht eine sehr segensreiche Verbindung zwischen Staat und Kirche.


Das so genannte Kruzifixurteil hat bereits Ihren Vorgänger Edmund Stoiber auf die Barrikaden gebracht. War das der Anfang einer Säkularisierungswelle - auch im überwiegend katholischen Freistaat?

Dieses Kruzifixurteil des Bundesverfassungsgerichtes ist Ausdruck dessen, dass wir in der Tat in einem Säkularisierungsprozess stehen, den ich nicht bestreite. Natürlich hat es auch Auswirkungen, dass seit Ende der 60er Jahre mehrere Millionen Muslime nach Deutschland gekommen sind, und wir gerade eine Welle von Moscheebauten erleben, die zum Teil natürlich neben der religiösen Bedeutung auch Symbol für das Erstarken des Islam in Deutschland sein sollen. Es gibt Menschen, die sich ganz bewusst von allen Kirchen abwenden, aber der Staat muss auch diesen Menschen seine Rechte lassen. Artikel 4 des Grundgesetzes sieht vor, dass jeder Glaubens- und Gewissensfreiheit hat. Trotzdem würde ich eine derartige Tendenz nicht überbewerten. Der überwältigende Anteil der bayerischen Bevölkerung steht insbesondere zur katholischen Kirche, knapp zwei Drittel aller Bayern sind Katholiken, ein knappes Drittel sind evangelische Christen, knapp zehn Prozent Muslime, von daher ist die Säkularisierung nicht etwas, was bei uns schon sehr weit fortgeschritten ist, und ich hoffe auch, dass es nicht noch mehr um sich greift.


Sie haben den Islam und das Thema Glaubens- und Gewissensfreiheit angesprochen. Auch das sind Fragen, die sich im Zuge der Integrationspolitik stellen. In Ihrer ersten Ansprache kurz nach der Wahl haben Sie die ausländischen Mitbürger zur Integration aufgefordert, Ihnen aber auch einen sensiblen Umgang zugesagt. Welche Bedeutung haben für Sie andere Religionen und Kulturen für das Leben im Freistaat, in Deutschland?

Wir haben zunächst einmal festzustellen, dass eine erhebliche Anzahl von Migranten nach Deutschland gekommen sind: Das sind einmal mehrere hunderttausend Menschen aus der Türkei, der überwiegende Anteil sind Muslime; es sind mehrere hunderttausend Menschen aus der Sowjetunion, das sind in der Regel deutsche Volkszugehörige, die in Kasachstan, in Tadschikistan gelebt haben, vom alten kommunistischen System Nachteile hatten und jetzt zurückgekommen sind, in den unterschiedlichen Religionsgemeinschaften. Insgesamt müssen wir alles daran setzen, diese große Zahl von Menschen in einer möglichst guten Weise zu integrieren, dass sie wichtige und geachtete Mitglieder unserer Gesellschaft sind, ihren Beitrag aber auch für die Entwicklung der Gesellschaft leisten. Dabei spielen natürlich Religionen eine große Rolle. Wir stellen fest, dass insbesondere dort die Integration schwieriger ist, wo eine ausländische Ethnie mit einer anderen nichtchristlichen Religion zusammentrifft, insbesondere dem Islam, weil der Islam selbst natürlich ein sehr starkes Selbstbewusstsein hat und deshalb die Integration in ein vom christlichen Abendland inspiriertes Bayern nicht ganz so leicht geht. Aber es muss auch gehen. Deshalb sage ich, wer nach Deutschland gekommen ist, wer nach Bayern gekommen ist, soll sich in unser Land integrieren. Wenn er sich integriert, dann ist er auch bei uns willkommen.


Die erste Auslandsreise des bayerischen Ministerpräsidenten wird in den Vatikan gehen. Was bedeutet dem Protestant Günther Beckstein der bayerische Papst? Welche Verbindung haben Sie?

Ich halte das für ein wichtiges Signal. Weil ich der erste evangelische Ministerpräsident im Freistaat Bayern bin, will ich der katholischen Kirche aber auch den Gläubigen signalisieren, dass ich große Hochachtung und Respekt vor ihrem Glauben habe. Selbstverständlich werde ich als evangelischer Christ die lutherische Theologie auch Ernst nehmen, aber für jemanden im staatlichen Bereich sind diese theologischen Unterschiede nicht im Vordergrund, sondern es ist ganz wichtig, den Papst als das Oberhaupt der großen Mehrheit der katholischen Mitbürger in Bayern zu respektieren. Ich schätze auch Papst Benedikt außerordentlich. Ich kenne ihn aus seiner Zeit in München, wo er sehr sehr viele kluge, gescheite Vorträge gehalten hat, wo er aber auch ein sehr eindrucksvoller Kirchenmann gewesen ist. Als Papst habe ich ihn bei seinem Besuch in Bayern, bei seinen Predigten und Messen begleitet und sage, es ist ein Glücksfall für uns in Bayern, dass ein Bayer Papst geworden ist. Ich setze darauf, dass das die volkskirchlichen Strukturen in Bayern massiv stärkt und den Glauben der Menschen und damit auch das Glück der Menschen befördert.


Sie haben als Ministerpräsident auch ein Wörtchen mitzureden bei der Besetzung der bayerischen Bischofsstühle. Ist das für sie ein inhaltliche Aufgabe oder eher ein bürokratischer Akt?

Ich denke, dass es nicht die Aufgabe des Staates ist, sehr stark in kirchliche Fragen sich einzumischen. Das wird eher eine Art zusätzliche Überprüfung sein, wenn jemand in ganz besonderer Weise Bedenken erwecken sollte, dass man dann die in einer zurückhaltenden Weise äußern würde. Aber ich glaube nicht, dass es Sinn machen würde. So wie ich bei Sitzungen von Personalsführungsstellen in Bayern selbst Entscheidungen treffe und abwäge, das werde ich mir bezüglich der Kirche nicht herausnehmen, sondern selbstverständlich respektiere ich, dass die Kirche die Entscheidungen trifft. Wir haben nur eine Art Vetokompetenz, die sicher aber nur in extremsten Fällen zur Anwendung kommen würde. Im Prinzip kann ich mir nicht vorstellen, dass wir hier irgendwelche Einwände erheben. Der Vatikan wird das immer so sorgfältig abwägen, dass wir immer sagen, ;Das ist eine sehr gute Entscheidung, wir begrüßen diese Entscheidung und stimmen zu’.


Inhaltlich verbindet Sie mit Benedikt XVI. ihr Engagement für die christlichen Wurzeln Europas. Hoffen Sie da auf mehr Austausch?

Ich hoffe sehr darauf, dass gerade der Papst sehr deutlich macht, dass Europa, das in der Europäischen Union vor allem als eine Wirtschaftsordnung verstanden wird, vielleicht noch als eine Ordnung zur Förderung von Landwirtschaft, wo in bestimmten Bereichen noch die Fragen Sicherheit und Außenpolitik eine Rolle spielen, - dass Europa eine Wertegemeinschaft ist, dass es einen christlichen Ursprung hat, dass zur Identität Europas die Christianisierung gehört. Das ist mir wichtig und ich hoffe sehr darauf, dass Papst Benedikt diese Fragen, wie er das schon in den letzen Monaten und Jahren gemacht hat, noch sehr viel stärker in den Mittelpunkt stellt. Und ich hoffe vor allem darauf, dass seine Botschaft dann auch bei den Menschen ankommt und auch Überzeugungsänderungen bewirken kann.


(rv 17.10.2007 bp)








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