D: Beckstein erstmals im Interview mit Radio Vatikan
Europa sei eine Wertegemeinschaft
und habe christlichen Ursprung. Das hat Bayerns neuer Ministerpräsident Günther Beckstein
in seinem ersten Gespräch mit Radio Vatikan betont. Papst Benedikt solle diese Fragen
weiterhin in den Mittelpunkt stellen. Birgit Pottler Beckstein nach seine Zielen,
der Trennung von Staat und Kirche befragt, nach dem Thema Integration und seiner Verbindung
zum Papst. Hören und lesen Sie hier das ganze Gespräch. Herr Ministerpräsident,
Sie sind praktizierender Christ und gläubig. Am Sonntag steht in ihrem Terminkalender
etwa eine Kanzelrede zum Reformationstag. Vor diesem Hintergrund: Was sind ihre wichtigsten
Ziele für Bayern?
Ja ich bin, daraus mache ich keinen Hehl, evangelischer
Christ. Ich bin in meiner Jugend als Mitglied beim CVJM sehr stark von meinem Glauben
geprägt worden und bin seither immer kirchlich aktiv gewesen, habe meine Frau im Kirchenvorstand
kennen gelernt, bin selbst mehrere Jahre Mitglied der Landessynode und bin, obwohl
evangelisch, sehr sehr dankbar, dass wir in Bayern eine katholische Volkskirche haben.
Das ist ein großer Segen für unser Land, denn dadurch sind der Egoismus nicht so stark
wie in anderen Bereichen und die Bereitschaft, sich für andere Menschen einzusetzen,
sehr viel größer. Das ist auch meine erste große Aufgabe: Ich will alles tun, um die
Gesellschaft zu stabilisieren, dass Eltern ermuntert werden, sich um ihre Kinder zu
kümmern, dass junge Menschen ermuntert werden, eine Familie zu gründen, dass man auf
Werte und Grundwerte und Überzeugungen achtet. Wir werden selbstverständlich den Religionsunterricht
beibehalten, und wir werden schauen, dass Geld nicht alles im Leben ist.
Sie
haben es angesprochen: Es gibt eine starke katholische Kirche in Bayern und Staat
und Kirche leben in Bayern in einer - sagen wir einmal - „verbindenden Trennung“.
Wo sehen Sie die Synergieeffekte?
In der Tat ist es so, dass wir nicht
zwei völlig verschiedene Bereiche auseinander halten, nämlich hier der Staat und dort
die Kirche, die nichts miteinander zu tun haben, sondern es sind ja die selben Menschen,
um die sich Staat und Kirche zu kümmern haben, und deswegen sind bei aller Achtung
der Unabhängigkeit Staat und Kirche auch sehr eng miteinander verbunden. Wir sind
froh, dass wir sehr sehr viele kirchliche Kindergärten haben, dass dort Kinder nicht
nur mit den normalen sozialen Eigenschaften vertraut gemacht werden, sondern Werteerziehung
haben. Wir haben in den Schulen Religionsunterricht, der eine ganz wichtige Rolle
spielt, weil Kinder und Jugendliche nicht nur Fakten lernen sollen, sondern sie müssen
auch eine Werteordnung vermittelt bekommen. Wir legen in Bayern großen Wert darauf,
dass alle Einweihungen von Straßen oder behördlichen Gebäuden mit einer ökumenischen
Segnung versehen werden, weil jeder Mensch wissen muss, dass an Gottes Segen alles
gelegen ist und von daher haben wir auch in der Erwachsenenbildung und in den Universitäten
die gute Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirchen. Der Staat hilft auch den Kirchen,
ihre Aufgaben zu erfüllen, z.B. die Erhaltung alter Baudenkmäler, wo in vielen Bereichen
der Staat ja auch die Bauverpflichtung hat. Aber das ist aus meiner Sicht eine sehr
segensreiche Verbindung zwischen Staat und Kirche.
Das so genannte Kruzifixurteil
hat bereits Ihren Vorgänger Edmund Stoiber auf die Barrikaden gebracht. War das der
Anfang einer Säkularisierungswelle - auch im überwiegend katholischen Freistaat?
Dieses
Kruzifixurteil des Bundesverfassungsgerichtes ist Ausdruck dessen, dass wir in der
Tat in einem Säkularisierungsprozess stehen, den ich nicht bestreite. Natürlich hat
es auch Auswirkungen, dass seit Ende der 60er Jahre mehrere Millionen Muslime nach
Deutschland gekommen sind, und wir gerade eine Welle von Moscheebauten erleben, die
zum Teil natürlich neben der religiösen Bedeutung auch Symbol für das Erstarken des
Islam in Deutschland sein sollen. Es gibt Menschen, die sich ganz bewusst von allen
Kirchen abwenden, aber der Staat muss auch diesen Menschen seine Rechte lassen. Artikel
4 des Grundgesetzes sieht vor, dass jeder Glaubens- und Gewissensfreiheit hat. Trotzdem
würde ich eine derartige Tendenz nicht überbewerten. Der überwältigende Anteil der
bayerischen Bevölkerung steht insbesondere zur katholischen Kirche, knapp zwei Drittel
aller Bayern sind Katholiken, ein knappes Drittel sind evangelische Christen, knapp
zehn Prozent Muslime, von daher ist die Säkularisierung nicht etwas, was bei uns schon
sehr weit fortgeschritten ist, und ich hoffe auch, dass es nicht noch mehr um sich
greift.
Sie haben den Islam und das Thema Glaubens- und Gewissensfreiheit
angesprochen. Auch das sind Fragen, die sich im Zuge der Integrationspolitik stellen.
In Ihrer ersten Ansprache kurz nach der Wahl haben Sie die ausländischen Mitbürger
zur Integration aufgefordert, Ihnen aber auch einen sensiblen Umgang zugesagt. Welche
Bedeutung haben für Sie andere Religionen und Kulturen für das Leben im Freistaat,
in Deutschland?
Wir haben zunächst einmal festzustellen, dass eine erhebliche
Anzahl von Migranten nach Deutschland gekommen sind: Das sind einmal mehrere hunderttausend
Menschen aus der Türkei, der überwiegende Anteil sind Muslime; es sind mehrere hunderttausend
Menschen aus der Sowjetunion, das sind in der Regel deutsche Volkszugehörige, die
in Kasachstan, in Tadschikistan gelebt haben, vom alten kommunistischen System Nachteile
hatten und jetzt zurückgekommen sind, in den unterschiedlichen Religionsgemeinschaften.
Insgesamt müssen wir alles daran setzen, diese große Zahl von Menschen in einer möglichst
guten Weise zu integrieren, dass sie wichtige und geachtete Mitglieder unserer Gesellschaft
sind, ihren Beitrag aber auch für die Entwicklung der Gesellschaft leisten. Dabei
spielen natürlich Religionen eine große Rolle. Wir stellen fest, dass insbesondere
dort die Integration schwieriger ist, wo eine ausländische Ethnie mit einer anderen
nichtchristlichen Religion zusammentrifft, insbesondere dem Islam, weil der Islam
selbst natürlich ein sehr starkes Selbstbewusstsein hat und deshalb die Integration
in ein vom christlichen Abendland inspiriertes Bayern nicht ganz so leicht geht. Aber
es muss auch gehen. Deshalb sage ich, wer nach Deutschland gekommen ist, wer nach
Bayern gekommen ist, soll sich in unser Land integrieren. Wenn er sich integriert,
dann ist er auch bei uns willkommen.
Die erste Auslandsreise des bayerischen
Ministerpräsidenten wird in den Vatikan gehen. Was bedeutet dem Protestant Günther
Beckstein der bayerische Papst? Welche Verbindung haben Sie?
Ich halte
das für ein wichtiges Signal. Weil ich der erste evangelische Ministerpräsident im
Freistaat Bayern bin, will ich der katholischen Kirche aber auch den Gläubigen signalisieren,
dass ich große Hochachtung und Respekt vor ihrem Glauben habe. Selbstverständlich
werde ich als evangelischer Christ die lutherische Theologie auch Ernst nehmen, aber
für jemanden im staatlichen Bereich sind diese theologischen Unterschiede nicht im
Vordergrund, sondern es ist ganz wichtig, den Papst als das Oberhaupt der großen Mehrheit
der katholischen Mitbürger in Bayern zu respektieren. Ich schätze auch Papst Benedikt
außerordentlich. Ich kenne ihn aus seiner Zeit in München, wo er sehr sehr viele kluge,
gescheite Vorträge gehalten hat, wo er aber auch ein sehr eindrucksvoller Kirchenmann
gewesen ist. Als Papst habe ich ihn bei seinem Besuch in Bayern, bei seinen Predigten
und Messen begleitet und sage, es ist ein Glücksfall für uns in Bayern, dass ein Bayer
Papst geworden ist. Ich setze darauf, dass das die volkskirchlichen Strukturen in
Bayern massiv stärkt und den Glauben der Menschen und damit auch das Glück der Menschen
befördert.
Sie haben als Ministerpräsident auch ein Wörtchen mitzureden
bei der Besetzung der bayerischen Bischofsstühle. Ist das für sie ein inhaltliche
Aufgabe oder eher ein bürokratischer Akt?
Ich denke, dass es nicht die
Aufgabe des Staates ist, sehr stark in kirchliche Fragen sich einzumischen. Das wird
eher eine Art zusätzliche Überprüfung sein, wenn jemand in ganz besonderer Weise Bedenken
erwecken sollte, dass man dann die in einer zurückhaltenden Weise äußern würde. Aber
ich glaube nicht, dass es Sinn machen würde. So wie ich bei Sitzungen von Personalsführungsstellen
in Bayern selbst Entscheidungen treffe und abwäge, das werde ich mir bezüglich der
Kirche nicht herausnehmen, sondern selbstverständlich respektiere ich, dass die Kirche
die Entscheidungen trifft. Wir haben nur eine Art Vetokompetenz, die sicher aber nur
in extremsten Fällen zur Anwendung kommen würde. Im Prinzip kann ich mir nicht vorstellen,
dass wir hier irgendwelche Einwände erheben. Der Vatikan wird das immer so sorgfältig
abwägen, dass wir immer sagen, ;Das ist eine sehr gute Entscheidung, wir begrüßen
diese Entscheidung und stimmen zu’.
Inhaltlich verbindet Sie mit Benedikt
XVI. ihr Engagement für die christlichen Wurzeln Europas. Hoffen Sie da auf mehr Austausch?
Ich
hoffe sehr darauf, dass gerade der Papst sehr deutlich macht, dass Europa, das in
der Europäischen Union vor allem als eine Wirtschaftsordnung verstanden wird, vielleicht
noch als eine Ordnung zur Förderung von Landwirtschaft, wo in bestimmten Bereichen
noch die Fragen Sicherheit und Außenpolitik eine Rolle spielen, - dass Europa eine
Wertegemeinschaft ist, dass es einen christlichen Ursprung hat, dass zur Identität
Europas die Christianisierung gehört. Das ist mir wichtig und ich hoffe sehr darauf,
dass Papst Benedikt diese Fragen, wie er das schon in den letzen Monaten und Jahren
gemacht hat, noch sehr viel stärker in den Mittelpunkt stellt. Und ich hoffe vor allem
darauf, dass seine Botschaft dann auch bei den Menschen ankommt und auch Überzeugungsänderungen
bewirken kann.