2007-09-30 11:32:00

D: Katholizismus, Dialog und deutsche Einheit. Kardinal Lehmann im Gespräch


RealAudioMP3 20 Jahre steht der Mainzer Kardinal Karl Lehmann an der Spitze der deutschen Bischofskonferenz. Er sieht sein Amt als Dienst, man müsse sich immer wieder neu bewähren. „Garantie durch Routine gibt es nicht“, erzählte Lehmann jetzt bei der Herbstvollversammlung in Fulda im Gespräch mit Birgit Pottler. Die deutsche Einheit vor jetzt 17 Jahren betrachtet der 71-Jährige als wichtigstes Ereignis seiner Amtszeit.
Es war natürlich ein Höhepunkt, weil ja im Grunde genommen niemand mehr daran geglaubt hat, dass es zu dieser Einheit kommen kann. Ich fand aber immer phantastisch, dass diese Einheit ohne jede Gewaltanwendung zustande gekommen ist. Die Mentalitäten der Leute, die sind natürlich viel schwerer zu verändern, als wir eigentlich dachten, und insofern bleibt noch sehr viel zu tun.
Was kennzeichnete den deutschen Katholizismus vor 20 Jahren und was kennzeichnet ihn jetzt?
Ich finde vielleicht einen Unterschied darin, dass man früher gerade als katholische Kirche in unserer Gesellschaft zeigen musste, dass man dialogbereit und dialogfähig ist, aber es ist auch jetzt notwendig, dass man im Stimmengewirr einer pluralistischen Gesellschaft, dass man im Chor derer, mit denen man zusammen arbeitet, doch seine eigene Stimme mehr markiert und eine gewisse unverwechselbare Position einnimmt; eine neue Entschiedenheit zu finden, die die Freiheit der Leute respektiert, die aber auch glaubwürdig macht, dass man sich nicht einfach in falscher Weise überall anpassen kann. Insofern glaube ich, gibt es etwas anderes, neues, was wir noch nicht genug eingeübt haben.
Der Sommer in Deutschland war geprägt von ökumenischen Irritationen. Jetzt, auf Ihr Referat zum Thema Selbstverständnis des Katholischen, gab es im Vergleich dazu geradezu überschwängliche Reaktionen. Wie ist das zu erklären, sind sie doch kein Jota abgewichen von der bisher bekannten Position. Gibt es bestimmte Vorbehalte gegen Papiere, die aus Rom kommen? Hört man dem Kardinal aus Deutschland anders zu?
Das spielt vielleicht eine kleine Rolle, aber längst nicht die entscheidende. Ich denke, ganz wichtig ist, dass jetzt doch etwas die Zeit kam, um in Ruhe und etwas ausführlicher die Sache zu erörtern. Wenn das jetzt wieder zu einem gediegeneren Miteinander kommen soll, was ich natürlich sehr begrüße, da muss man trotzdem auf bestimmte Dinge sehr aufmerksam sein. Es darf nicht durch die etwas problematische so genannte Ökumene der Profile zu neuen dauernden Abgrenzungen kommen, die letzten Endes immer dann auf Kosten des anderen gehen. Ich sage es immer gerne in einem sehr einfachen Wort: Für mich entscheidet sich die Qualität der Ökumene immer darin, dass man sich an der Stärke des anderen freuen kann. Und wenn wir auf diesem Weg weiter kommen, wo wir auch sehr vieles gemeinsam machen, dann hat das gute Zukunft.
Eine letzte Frage zum Dialog mit dem Islam: „Moscheestreit“ war eine der Schlagzeilen in diesem Sommer, sowohl in Köln als auch in München. Wie sehen Sie – ein Jahr nach der Regensburger Rede des Papstes mit den nicht gewollten Folgen – den Dialog mit dem Islam in Deutschland?
Der muss natürlich sein, wenn wir 3,5 Millionen Muslime unter uns haben. Da gibt es viele Anlaufschwierigkeiten auch bezüglich der Partner. Wenn wir überhaupt schon mehr miteinander reden, ist das sehr viel. Vielleicht hat man beim Dialog bisher auch zu viel die Verbrüderung im Auge gehabt. Da sind wir, glaube ich, nüchterner geworden.
(rv 29.09.2007 bp)








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