BOTSCHAFT DER DRITTEN EUROPÄISCHEN ÖKUMENISCHEN VERSAMMLUNG Samstag,
8. September 2007
Fest der Geburt der Heiligen Jungfrau
Maria
DAS LICHT CHRISTI SCHEINT AUF ALLE !
Wir,
christliche Pilger aus ganz Europa und darüber hinaus, bezeugen die verwandelnde Kraft
dieses Lichtes, das stärker ist als die Finsternis, und verkündigen es als die all-umfassende
Hoffnung für unsere Kirche, für ganz Europa und für die ganze Welt. Im
Namen des Dreieinigen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, haben
wir uns in der Stadt Sibiu in Rumänien (4.-9. September 2007) versammelt. Diese Dritte
Europäische Ökumenische Versammlung war besonders gekennzeichnet durch den Reichtum
der orthodoxen Spiritualität und Tradition. Wir erinnern uns an und erneuern die ernsthaften
Verpflichtungen, die wir bereits in Basel und Graz eingegangen sind, und wir bedauern,
dass es uns bis jetzt nicht gelungen ist, einige von ihnen zu erfüllen. Unsere Zuversicht
in die verwandelnde Energie des Lichtes Christi ist jedoch stärker als die dunkle
Welt der Finsternis, des Fatalismus, der Angst und Gleichgültigkeit.
Unsere
Dritte Europäische Ökumenische Versammlung begann 2006 in Rom und setzte sich 2007
in Wittenberg fort. Diese ökumenische Reise umfasste viele regionale Treffen sowie
diejenigen der orthodoxen Kirchen in Rhodos (Griechenland) und der Jugend in St. Maurice
(Schweiz)*. Wir begrüssen mit Freude die Verpflichtung der Jugend und den Beitrag,
den sie an die Versammlung geleistet haben. Angeregt und unterstützt durch die Charta
Oecumenica hat unsere Versammlung die Arbeit der früheren Versammlungen fortgesetzt
und war eine Gelegenheit zum Austausch der Gaben und zur gegenseitigen Bereicherung.
Wir
sind nicht allein auf dieser Pilgerreise. Christus ist mit uns und befindet sich in
der Wolke von Zeugen (Heb 12,1), die Märtyrer unserer Zeit begleiten uns: das Zeugnis
ihres Lebens und Todes inspiriert uns als Einzelne und als Gemeinschaft. Gemeinsam
mit ihnen verpflichten wir uns, das Licht des verklärten Christus leuchten zu lassen
durch unser eigenes Zeugnis, das tief verwurzelt ist im Gebet und in Liebe. Dies ist
unsere bescheidene Antwort auf das Opfer ihres Lebens. Das Licht Christi in
der Kirche
Das Licht Christi führt uns dazu, für andere und in Gemeinschaft
miteinander zu leben. Unser Zeugnis für Hoffnung und Einheit für Europa und die Welt
kann nur glaubwürdig sein, wenn wir unsere Reise auf dem Weg zur sichtbaren Einheit
fortsetzen. Einheit ist nicht Einheitlichkeit. Es ist von grossem Wert, jene koinonia
neu zu erfahren und diejenigen geistigen Gaben auszutauschen, die die ökumenische
Bewegung von Anfang an angespornt haben.
In Sibiu haben wir wieder die schmerzliche
Wunde des Getrenntsein zwischen unseren Kirchen erfahren. Das betrifft unser Verständnis
der Kirche und ihrer Einheit. Die unterschiedlichen historischen und kulturellen Entwicklungen
in der östlichen und westlichen Christenheit haben zu diesen Unterschieden beigetragen;
sie zu verstehen, erfordert unsere dringliche Aufmerksamkeit und den ständigen Dialog.
Wir
sind davon überzeugt, dass sich die ganze christliche Familie mit Lehrfragen befassen
muss und sich um einen breiten Konsens über moralische Werte bemühen muss, die vom
Evangelium abgeleitet sind, sowie um einen glaubwürdigen christlichen Lebensstil,
der freudig das Licht Christi in unserer modernen säkularen Welt der Herausforderungen
bezeugt – im privaten und im öffentlichen Leben.
Unserer christliche Spiritualität
ist ein kostbarer Schatz: wenn wir ihn öffnen, entdecken wir die Vielfalt seiner Reichtümer
und öffnen unsere Herzen für die Schönheit des Antlitzes Jesu und die Kraft des Gebets.
Nur wenn wir unserem Herrn Jesus Christus näher kommen, können wir uns auch einander
annähern und wahre koinonia erfahren. Wir können nichts anderes tun, als diese
Reichtümer mit allen Männern und Frauen zu teilen, die auf diesem Kontinent nach Licht
suchen. Spirituelle Menschen beginnen mit ihrer eigenen Umkehr, die zur Veränderung
der Welt führt. Unser Zeugnis vom Licht Christi ist eine ehrliche Verpflichtung, unsere
Geschichten vom Leben und von der Hoffnung, die uns in der Nachfolge Christi beeinflusst
haben, zu hören, danach zu leben und sie miteinander zu teilen.
Empfehlung
I: Wir empfehlen, unsere Sendung als einzelne Gläubigen und als Kirchen zu erneuern,
um Christus als das Licht und den Erlöser der Welt zu verkünden.
Empfehlung
II: Wir empfehlen, die Diskussion über die gegenseitige Anerkennung der Taufe
fortzusetzen unter Berücksichtigung der wichtigen Errungenschaften, die es zu diesem
Thema in mehreren Ländern bereits gibt, und in dem Bewusstsein, dass diese Frage eng
mit einem Verständnis von Eucharistie, Amt und Ekklesiologie im allgemeinen verbunden
ist.
Empfehlung III: Wir empfehlen, Wege und Erfahrungen zu finden,
die uns zusammenführen: das Gebet füreinander und für die Einheit, ökumenische Pilgerreisen,
theologische Ausbildung und gemeinsames Studium, soziale und diakonische Initiativen,
kulturelle Projekte sowie die Unterstützung für das Leben in der Gesellschaft aufgrund
von christlichen Werten. Empfehlung IV: Wir empfehlen die vollständige
Beteiligung des ganzen Gottesvolkes und nehmen insbesondere auf dieser Versammlung
den Aufruf von Jugendlichen, älteren Menschen, ethnischen Minderheiten und Behinderten
zur Kenntnis. Das Licht Christi für Europa Wir glauben, dass jeder
Mensch nach dem Ebenbild und zur Ähnlichkeit Gottes erschaffen wurde (Gen 1:27) und
das gleiche Mass an Achtung und Liebe verdient trotz aller Unterschiede des Glaubens,
der Kultur, des Alters, des Geschlechts oder der Abstammung vom Anfang des Lebens
bis zum natürlichen Tod. In der Erkenntnis, dass unsere gemeinsamen Wurzeln viel tiefer
liegen als unsere Trennungen und in dem Bemühen um Erneuerung und Einheit und die
Rolle der Kirchen in der europäischen Gesellschaft heute, haben wir uns auf unsere
Begegnung mit Menschen anderer Religionen konzentriert. Angesichts unserer besonderen
Beziehung zum jüdischen Volk als dem Volk des Bundes lehnen wir alle Formen von Antisemitismus
in unserer Zeit ab und fördern so die Schaffung eines Europas als einen gewaltfreien
Kontinent. In unserer europäischen Geschichte hat es Zeiten harter Konflikte, aber
auch Perioden des friedlichen Zusammenlebens zwischen Menschen aller Religionen gegeben.
In unserer Zeit gibt es zum Dialog keine Alternative – und zwar nicht als Kompromiss
verstanden, sondern als Dialog des Lebens, in dem wir in Liebe die Wahrheit sagen
können. Wir alle müssen mehr über alle Religionen lernen, und die Empfehlungen der
Charta Oecumenica sollten weiter entwickelt werden. Wir rufen unsere Mitchristen
und alle, die an Gott glauben, dazu auf, die Rechte aller Völker auf Religionsfreiheit
zu achten und erklären unsere Solidarität mit christlichen Gemeinschaften, die im
Nahen Osten, in Irak und anderswo auf der Welt als religiöse Minderheiten leben und
sich in ihrer Existenz bedroht fühlen.
Wenn wir Christus in unseren notleidenden
Schwestern und Brüdern (Mt 25,44-45) begegnen und gemeinsam vom Licht Christi erleuchtet
werden, dann verpflichten wir uns als Christen dazu, gemäss der biblischen Ermahnungen
zur Einheit der Menschheit (Gen 1,26-27), Busse zu tun für die Sünde des Ausschlusses,
unser Verständnis des „Anderssein“ zu vertiefen, die Würde und Rechte jedes Menschen
zu verteidigen, den Bedürftigen Schutz zu gewähren und das Licht Christi weiterzugeben,
das andere nach Europa bringen; wir rufen die Staaten in Europa auf, Zuwanderer nicht
mehr ungerechtfertigt zu inhaftieren, alle Anstrengungen zu unternehmen, die Zuwanderung
zu regularisieren, Migranten, Flüchtlinge und Asylsuchende einzugliedern, den Zusammenhalt
der Familie zu achten und Menschenhandel und die Ausbeutung der Opfer des Meschenhandels
zu bekämpfen. Wir fordern die Kirchen auf, ihre Seelsorgearbeit unter den verletzlichen
Zuwanderern zu verstärken.
Empfehlung V: Wir empfehlen, dass unsere
Kirchen anerkennen, dass christliche Zuwanderer nicht nur Empfänger religiöser Fürsorge
sind, sondern auch eine volle und aktive Rolle im Leben der Kirche und der Gesellschaft
spielen können, dass sie ihre Seelsorgearbeit für Migranten, Asylsuchende und Flüchtlinge
verbessern und die Rechte von ethnischen Minderheiten in Europa, insbesondere der
Roma, fördern.
Viele von uns sind dankbar dafür, dass wir in Europa in den
letzten Jahrzehnten so viele tiefgreifende Veränderungen erleben durften. Europa ist
grösser als die Europäische Union. Als Christen teilen wir zusammen mit anderen die
Verantwortung dafür, Europa zu einem Kontinent des Friedens, der Solidarität, der
Partizipation und der Nachhaltigkeit zu machen. Wir schätzen das Engagement der europäischen
Institutionen, darunter die EU, der Europarat und die OSZE, zu einem offenen, transparenten
und regelmässigen Dialog mit den Kirchen Europas. Hochrangige Vertreter der europäischen
Politik haben uns mit ihrer Präsenz geehrt und damit ihr starkes Interesse an unserer
Arbeit bekundet. Nun sind wir gefordert, diesen Dialog mit spiritueller Kraft zu füllen.
Ursprünglich war Europa ein politisches Vorhaben zur Sicherung des Friedens, jetzt
muss es zu einem Europa der Völker werden, das mehr ist als ein Wirtschaftsraum.
Empfehlung VI: Wir empfehlen die Weiterentwicklung der Charta Oecumenica
als Anregung und Wegweiser auf unserer ökumenischen Reise in Europa. Das Licht
Christi für die ganze Welt
Das Wort Gottes beunruhigt uns und unsere europäische
Kultur: diejenigen, die leben, sollten nicht allein für sich leben, sondern für ihn,
der für sie gestorben und wieder auferstanden ist! Christen sollen ohne Furcht und
unersättliche Habgier leben, die dazu führen, dass wir eigensüchtig, ohnmächtig, engstirnig
und abgeschlossen werden. Das Wort Gottes fordert uns auf, nicht das wertvolle Erbe
jener zu verschwenden, die sich in den vergangenen sechzig Jahren für Frieden und
Einheit in Europa eingesetzt haben. Der Friede ist ein grossartiges und wertvolles
Geschcenk. Ganze Länder sehnen sich nach Frieden; ganze Völker warten darauf, von
Gewalt und Terror befreit zu werden. Nachdrücklich verpflichten wir uns zu erneuerten
Bemühungen auf dieses Ziel zu. Wir lehnen Krieg als Instrument zur Konfliktlösung
ab, fördern gewaltfreie Mittel zur Schlichtung von Konflikten und sind besorgt angesichts
der militärischen Wiederaufrüstung. Gewalt und Terrorismus im Namen der Religion widersprechen
der Religion.
Das Licht Christi scheint auf die „Gerechtigkeit“ und verbindet
sie mit der göttlichen Barmherzigkeit. So erleuchtet, lässt es keinen doppeldeutigen
Anspruch zu. Überall auf der ganzen Welt und in Europa führt der gegenwärtige Prozess
einer radikalen Globalisierung der Märkte dazu, dass die Spaltung der menschlichen
Gesellschaft in Sieger und Verlierer noch grösser wird, der Wert von unzähligen Menschen
nicht geschätzt wird, und die katastrophalen Auswirkungen auf die Umwelt, vor allem
der Klimwandel, mit der Sorge um die Zukunft unseres Planeten nicht vereinbar sind.
Empfehlung VII: Wir fordern alle europäischen Christen dringend dazu auf,
die Millennium-Entwicklungsziele der Vereinten Nationen als einen dringenden praktischen
Schritt zur Bekämpfung der Armut mit allen Kräften zu unterstützen.
Empfehlung
VIII: Wir empfehlen, dass CCEE und KEK zusammen mit den Kirchen in Europa und
mit den Kirchen der anderen Kontinente einen konsultativen Prozess beginnen, der sich
mit der Verantwortung Europas für ökologische Gerechtigkeit angesichts des Klimawandels,
für eine gerechte Gestaltung der Globalisierung und die Rechte der Roma und anderer
ethnischer Minderheiten befasst.
Wir erkennen heute mehr als je zuvor, dass
Afrika als Kontinent, der mit unserer eigenen Geschichte und Zukunft eng verbunden
ist, jetzt in einer solchen Armut lebt, die uns nicht gleichgültig und passiv lassen
sollte. Die Wunden Afrikas sind unserer Versammlung zu Herzen gegangen.
Empfehlung
IX: Wir empfehlen die Unterstützung von Initiativen zum Erlass der Schulden und
zur Förderung des gerechten Handels.
Durch einen aufrichtigen und objektiven
Dialog tragen wir zur Schaffung und Förderung eines erneuerten Europas bei, in dem
unveränderliche christliche Grundsätze und moralische Werte, die direkt aus dem Evangelium
stammen, als Zeugnis dienen und unser aktives Engagement in der europäischen Gesellschaft
begleiten. Unsere Aufgabe ist es, diese Grundsätze und Werte zu fördern - nicht nur
im privaten, sondern auch im öffentlichen Leben. Wir werden mit Menschen anderer Religionen
zusammenarbeiten, die unsere Sorge um das Schaffen eines Europas der Werte teilen
und das sich auch politisch und wirtschaftlich weiter entwickeln kann.
In der
Sorge um Gottes Schöpfung beten wir um mehr Rücksichtnahme und Achtung für ihre wunderbare
Vielfalt. Wir setzen uns gegen ihre schamlose Ausbeutung ein, denn „die ganze Schöpfung
wartet auf Erlösung“ (Röm 8, 23), und wir verpflichten uns dazu, auf Versöhnung zwischen
Menschheit und Natur hinzuwirken.
Empfehlung X: Wir empfehlen, dass
der Zeitraum zwischen dem 1. September und 4. Oktober dem Gebet für den Schutz der
Schöpfung und der Förderung eines nachhaltigen Lebensstils gewidmet wird, um den Klimawandel
aufzuhalten. * * * * * *
Wir würdigen alle, die zu dieser Reise beigetragen
haben, vor allem die junge oikoumene, die diese Versammlung zum mutigen Leben
nach dem Evangelium aufgefordert hat, und beten gemeinsam: O Christus, du wahres
Licht, das jeden Menschen, der in diese Welt hineingeboren wird, erleuchtet und heiligt,
leuchte uns mit dem Licht deiner Gegenwart, dass wir darin das unnahbare Licht erblicken
und leite unsere Schritte, damit wir deine Gebote einhalten. Errette uns und führe
uns in dein ewiges Reich. Denn du bist unser Schöpfer, Fürsorger und Spender alles
Guten. Unsere Hoffnung liegt in dir, und dir erweisen wir Ehre jetzt und in Ewigkeit.
Amen.