Wien: „Ohne Sonntag gerät das Leben nicht“ - Kernsätze
„Freie Zeit braucht
eine Mitte!“ Das hat Benedikt XVI. bei der Sonntagsmesse im Wiener Stephansdom betont.
In seiner Predigt rief der Papst zum Schutz des Sonntags auf, als „Zeit der Orientierung“
und „wöchentliches Schöpfungsfest der Kirche“.
„Sine dominico non possumus!“
Der Papst erinnerte zunächst an die Geschichte der Urchristen: „Ohne die Gabe
des Herrn, ohne den Tag des Herrn können wir nicht leben. So antworteten im Jahr 304
Christen aus Abitene im heutigen Tunesien, die bei der verbotenen sonntäglichen Eucharistiefeier
ertappt und vor den Richter geführt wurden. Sie wurden gefragt, wieso sie den christlichen
Sonntagsgottesdienst hielten, obgleich sie wussten, dass darauf die Todesstrafe stand.
… Für diese Christen war die sonntägliche Eucharistiefeier nicht ein Gebot, sondern
eine innere Notwendigkeit.“
Was geht das die Christen von heute an? Hier
die Kernsätze der Papstpredigt:
Ohne den, der unser Leben mit seiner Liebe
trägt, ist das Leben selbst leer. Diese Mitte auszulassen oder zu verraten, würde
dem Leben selbst seinen Grund nehmen, seine innere Würde und seine Schönheit.
Geht
diese Haltung der Christen von damals auch uns Christen von heute an? Ja, auch für
uns gilt, dass wir eine Beziehung brauchen, die uns trägt, unserem Leben Richtung
und Inhalt gibt. Auch wir brauchen die Berührung mit dem Auferstandenen, der durch
den Tod hindurch uns trägt. Wir brauchen diese Begegnung, die uns zusammenführt, die
uns einen Raum der Freiheit schenkt, uns über das Getriebe des Alltags hinausschauen
lässt auf die schöpferische Liebe Gottes, aus der wir kommen und zu der wir gehen.
Wer
sein Leben nur haben, es nur für sich selber nehmen will, der verliert es. Nur wer
sich gibt, empfängt sein Leben. Anders gesagt: Nur der Liebende findet das Leben.
Und Liebe verlangt immer das Weggehen aus sich selbst, verlangt sich selber zu lassen.
Wer umschaut nach sich selbst, den anderen nur für sich haben will, der gerade verliert
sich und den anderen. Ohne dieses tiefste Sich-Verlieren gibt es kein Leben. Die rastlose
Gier nach Leben, die die Menschen heute umtreibt, endet in der Öde des verlorenen
Lebens.
,Sine dominico non possumus!’ Ohne den Herrn und ohne den
Tag, der ihm gehört, gerät das Leben nicht. Der Sonntag hat sich in unseren westlichen
Gesellschaften gewandelt zum Wochenende, zur freien Zeit. Die freie Zeit ist gerade
in der Hetze der modernen Welt gewiss etwas Schönes und Notwendiges. Aber wenn die
freie Zeit nicht eine innere Mitte hat, von der Orientierung fürs Ganze ausgeht, dann
wird sie schließlich zur leeren Zeit, die uns nicht stärkt und aufhilft. Die freie
Zeit braucht eine Mitte – die Begegnung mit dem, der unser Ursprung und Ziel ist.
Gerade weil es am Sonntag zutiefst um die Begegnung mit dem auferstandenen
Christus in Wort und Sakrament geht, umspannt sein Radius die ganze Wirklichkeit.
Die frühen Christen haben den ersten Tag der Woche als Herrentag begangen, weil er
der Tag der Auferstehung war. Aber sehr bald ist der Kirche auch bewusst geworden,
dass der erste Tag der Woche der Tag des Schöpfungsmorgens ist, der Tag, an dem Gott
sprach: ,Es werde Licht’ (Gen 1, 3). Deshalb ist der Sonntag auch das wöchentliche
Schöpfungsfest der Kirche – das Fest der Dankbarkeit für Gottes Schöpfung und der
Freude über sie. In einer Zeit, in der die Schöpfung durch unser Menschenwerk vielfältig
gefährdet scheint, sollten wir gerade auch diese Dimension des Sonntags bewusst aufnehmen.
Für die frühe Kirche ist dann auch immer mehr in den ersten Tag das Erbe des siebten
Tages, des Sabbats, eingegangen. Wir nehmen teil an der Ruhe Gottes, die alle Menschen
umfasst. So spüren wir an diesem Tag etwas von der Freiheit und Gleichheit aller Geschöpfe
Gottes.“