Benedikt XVI. ist
in Österreich eingetroffen. Am Flughafen Wien-Schwechat wurde er von Bundespräsident
Heinz Fischer und Kardinal Christoph Schönborn, dem Vorsitzenden der Österreichischen
Bischofskonferenz begrüßt. Anlass des bis Sonntag dauernden Besuchs ist das 850-Jahr-Jubiläum
des Wallfahrtsortes Mariazell. Erster Programmpunkt nach der Begrüßungszeremonie
am Flughafen ist für Papst Benedikt der Besuch an der Mariensäule aus dem Jahr 1667
auf dem Wiener Platz „Am Hof“. Der Papst wird dort beten, eine Ansprache an die Gläubigen
richten und dann kurz die „Kirche am Hof“ besuchen und dort still beten. Im Anschluss
fährt der Papst im Papamobil zum Judenplatz. Dort ist ein stilles Gedenken vor dem
Mahnmal für die österreichischen Opfer der Shoah geplant. Am Nachmittag folgt eine
Begegnung mit dem Bundespräsidenten in der Hofburg, anschließend hält der Papst Hof
für Vertreter österreichische Abgeordnete und Senatoren sowie das Diplomatische Corps. Laut
Protokoll zeigt sich Benedikt XVI. nach dem Abendessen in der Nuntiatur auf dem Balkon
und segnet eine Gruppe Jugendlicher.
Erste Ansprache Benedikts auf dem Flughafen
Am Flughafen Wien-Schwechat
hat Papst Benedikt XVI. seine erste Ansprache an die Österreicher gerichtet. Das Land
sei ihm vertraut und habe - aufgrund der geographischen Lage in der Mitte Europas
- eine wichtige Brückenfunktion:
Hier die Kernsätze:
Mit großer Freude
betrete ich heute zum ersten Mal seit Beginn meines Pontifikates den Boden Österreichs,
des Landes, das mir nicht nur wegen der geographischen Nähe zum Ort meiner Geburt
vertraut ist. ... Dieser kulturelle Raum in der Mitte Europas überwindet manche Grenzen
und führt Anregungen und Kräfte aus verschiedenen Teilen des Kontinents zusammen.
Und die Kultur dieses Landes ist wesentlich geprägt von der Botschaft Jesu Christi
und dem Wirken der Kirche in seinem Namen.
Der Anlass meines Kommens nach
Österreich ist das 850-Jahr-Jubiläum der Gnadenstätte von Mariazell. Dieses Heiligtum
der Muttergottes repräsentiert gewissermaßen das mütterliche Herz Österreichs und
hat seit alters eine besondere Bedeutung auch für die Ungarn und die slawischen Völker.
Es ist Symbol einer Offenheit, die nicht nur geographische und nationale Grenzen überwindet,
sondern in der Person Marias auf eine ganz wesentliche Dimension des Menschen verweist:
seine Fähigkeit sich Gott und seinem Wort der Wahrheit zu öffnen!
... Als Pilger
am Gnadenort werden wir im Gebet und über die Medien mit allen Gläubigen und Menschen
guten Willens hier im Lande und weit darüber hinaus vereint sein.
Pilgerschaft
ist ja nicht nur der Weg zu einem Heiligtum hin. Wesentlich ist auch der Weg zurück
in den Alltag. Unser wöchentlicher Alltag beginnt stets mit dem Sonntag – dem befreienden
Geschenk Gottes, das wir annehmen und wahren wollen. ... Ich weiß, dass das Geschenk
des freien Sonntags und ein guter Teil der Freizeit in Österreich von zahlreichen
Menschen zum freiwilligen Einsatz für andere genutzt wird. Auch solches Engagement,
freigebig und selbstlos hingeschenkt zum Wohl und Heil der anderen, kennzeichnet den
Pilgerweg unseres Lebens. Wer auf den Nächsten „schaut“ – ihn sieht und ihm Gutes
erweist – schaut auf Christus und dient ihm.
Benedikt wurde am
Flughafen Wien-Schwechat von Bundespräsident Heinz Fischer und Kardinal Christoph
Schönborn, dem Vorsitzenden der Österreichischen Bischofskonferenz begrüßt. Hier hören
Sie Eindrücke von den ersten Momenten des Papstes auf österreichischem Boden... Sprecherin:
Aurelia Plieschke.
Interview mit unserer Korrespondentin Gudrun Sailer
Über Bedeutung und
Erwartungen der Reise haben wir mit unserer Korrespondentin Gudrun Sailer gesprochen:
Die
Zusage des Papstes war ja eher spontan, welche Bedeutung hat diese Reise? Für
die österreichische Kirche ist das eine große Sache. Die Bischöfe werden nicht müde,
darauf hinzuweisen, dass es die einzige Reise des Papstes nach Europa in diesem Jahr
ist. Ich glaube, Papst Benedikt hat auch deshalb so spontan zugesagt, weil er eine
große Chance sieht, seine Gedanken zum Thema Europa auszubauen. Es gibt ja für ein
Oberhaupt der katholischen Kirche kaum einen geeigneteren Ort als Mariazell, um über
ein neu zusammenwachsendes Europa Gedanken zu sprechen, über die Werte, die diesen
Kontinent in der Seele zusammenhalten. Seit 850 Jahren ist Mariazell ein Anziehungspunkt
für Menschen aus allen Ländern Mittel- und Osteuropas, nicht einmal der Eiserne Vorhang
hat die Zuneigung der pilgernden Katholiken zu diesen Ort schmälern können. Nun kommt
der Papst, wie er gesagt hat, als Pilger unter Pilgern – aber genau in diesem europäischen
Kontext wird sein Besuch auch eine politische Bedeutung haben. Was erwartet
den Papst, in welcher Situation ist die Kirche in Österreich? Österreich ist
immer noch ein katholisches Land. Es könnte aber besser bestellt sein um die Lebendigkeit
der Kirche in Österreich. Da wirkt noch die große Krise Groer-Krenn nach. Die Affären
haben treue Katholiken verunsichert und kritische Katholiken vertrieben. Seit dem
letzten Papstbesuch 1998 hat die Kirche mindestens zehn Prozent der Gläubigen verloren.
Aber es gibt wieder Hoffnungszeichen, gerade unter den Laien. Stichwort: Pfarrgemeinderäte.
Das sind die Laien, die sich in ihren Pfarren engagieren. Sie sind erst vor wenigen
Monaten neu gewählt worden, unter großer Beteiligung. Und andererseits gibt es einzelne
leuchtende Beispiele von lebendiger Spiritualität. Stift Heiligenkreuz zum Beispiel,
das Papst Benedikt am Sonntag besuchen wird. Es ist geradezu unglaublich, auf welch
eindrückliche, einfache und überzeugende Art diese Zisterziensermönche dort Neuevangelisierung
betreiben. Indem sie beten, indem sie Menschen mit offenen Armen empfangen, indem
sie sich allen Fragen stellen, indem sie tun, was sie tun. Wäre Kirche überall wie
in Heiligenkreuz, hätte sie viele ihrer Probleme gelöst. Wie ist die Stimmung
im Volk? Besser als manche angesichts des Wetters befürchtet haben! Es regnet
ja seit Tagen in Strömen hier. In manchen Teilen Österreichs stehen Überschwemmungen
bevor. Wenn man auf der Straße unterwegs ist, sieht man kaum über den Rand seines
eigenen Regenschirmes hinaus. Aber trotzdem war die Stimmung dort, wo der Papst war,
blendend. An der Mariensäule jubelnde Menschen in gelben Plastik-Regenhäuten, die
waren im Pilgerpaket dabei, Benedikt-Rufe waren zu hören, ganz zu schweigen von den
Menschen, die sich vielleicht seit Wochen vorbereiten auf diesen Besuch, etwa die
Musiker, ich war bei einer Chorprobe in der Kirche am Hof dabei, und die Leute hatten
glühende Ohren vor Vorfreude. Was muss passieren, dass diese Reise als Erfolg
verbucht wird, dass sie im Nachhinein wirklich als wichtig eingestuft wird und nicht
nur als Ausflug nach Mariazell? Es geht darum, auf positive Art das Starke
an der Kirche herauszustreichen. Deshalb wird der Papst ganz bewusst den Einsatz von
Laien würdigen, wie er das ja schon in seiner Begrüßungsrede gemacht hat. Er wird
den Pfarrgemeinderäten einen Missionsauftrag erteilen, er wird die Bemühungen zur
Verteidigung des Sonntags würdigen, die aus Österreich in andere Länder Europas ausstrahlt,
wo der Sonntag nicht mehr denselben Stellenwert hat. Benedikt hat ja schon mehrfach
bewiesen, dass es ihm liegt, zu ermuntern, zu bestärken. Wie Kardinal Schönborn gesagt
hat: Es gibt kein Kardiometer, keinen Herzschrittmesser, um die Effekte dieser Papstreise
auf das Bewusstsein der Menschen zu messen. Man wird die Effekte nicht unbedingt sehen.
Aber im besten Fall wird man sie langfristig spüren, in einem größeren Interesse für
das, was Kirche sagt und ist, oder wieder in einer größeren Akzeptanz für das, wofür
sie sich einsetzt.
Was halten eigentlich
die Wiener vom Besuch des Papstes in ihrer Stadt? Das hat Gudrun Sailer bei einer
kleinen Umfrage herausgefunden...
Gebet an der Mariensäule
Von einer jubelnden
Menschenmenge, die seit Stunden im Dauerregen ausharrte, ist Papst Benedikt in der
Wiener Innenstadt begrüßt worden. „Ich kann es nur bewundern und ,Vergelt’s Gott’
sagen“, so der Papst. Ein Gebet an der Mariensäule war der erste Programmpunkt seiner
Pilgerreise.
Der Besuch des Papstes solle vor allem die Gläubigen stärken,
so der Wiener Kardinal und Erzbischof Christoph Schönborn in seinen Begrüßungsworten:
„Die Kirche in Österreich ist durch notvolle, schmerzliche Zeiten gegangen. Wir
sind in Gefahr, mutlos zu werden, zu resignieren oder gar die Hoffnung zu verlieren.
Stärken Sie unseren Glauben, Heiliger Vater!“ Vertreter des kirchlichen wie
öffentlichen Lebens, Familien und Jugendliche überbrachten dem Papst ihre Wallfahrtsbitten.
An Rosen geheftet wurden sie später als Blumenstrauß vor das Allerheiligste in der
„Kirche am Hof“ gelegt: „Wir bitten Sie, Heiliger Vater, beten Sie mit uns für
die Zukunft unserer Heimat, inmitten Europas. …Beten Sie für uns, damit wir dort nicht
fehlen, wo unsere Hilfe notwendig ist. … Wir erleben die Spannung im Zusammenwachsen
der Völker… Beten Sie mit uns, Heiliger Vater, um den Heiligen Geist, der uns führt
und ermutigt im alltäglichen Miteinander der Menschen und Kulturen sowie im Einsatz
für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung.“ Die Reise nach Österreich
ist ein Pilgerreise nach Mariazell, das hatte Benedikt ausdrücklich betont, deshalb
hatte er in Wien die Mariensäule als erste Etappe gewählt, um „einen Augenblick
nachzudenken über die Bedeutung der Muttergottes für Österreich einst und jetzt sowie
über ihre Bedeutung für einen jeden von uns“. „In ihrer Mütterlichkeit nimmt
Maria auch heute Menschen aus allen Sprachen und Kulturen unter ihren Schutz, um sie
in vereinter Vielfalt miteinander zu Christus zu führen. An sie können wir uns wenden
in unseren Sorgen und Nöten. Von ihr sollen wir aber auch lernen, einander so liebevoll
anzunehmen wie sie uns alle annimmt: einen jeden in seiner Eigenart, von Gott gewollt
und geliebt.“ Glaube ist kein Selbstzweck, so betont Benedikt oft, in Wien klang
das so: „In der weltweiten Familie Gottes, in der für jeden Menschen ein Platz
vorgesehen ist, soll jeder seine persönlichen Gaben zum Wohle aller entfalten.“ Die
Mariensäule hatte Kaiser Ferdinand III. nach dem 30-Jährigen Krieg errichten lassen,
„sie soll für uns auch heute ein Zeichen der Hoffnung sein“, so der Papst.
Unter
dem Dauerregen brach die Technik zusammen, die Mikrofonanlage fiel aus. Benedikt musste
seine Ansprache abbrechen, Kardinal Schönborn stimmte mit den mehreren Zehntausend
singenden Wienern das Vater Unser an. Abseits des Jubels betete Benedikt anschließend
in der Kirche am Hof, Heimat der kroatischen Katholiken Wiens. In unmittelbarer
Nachbarschaft: der Judenplatz und das Mahnmal für die österreichischen Opfer der Shoah.
Das stille Innehalten des Papstes dort gehörte wohl zu den meistbeachtetsten Momenten
des Tages. Kardinal Schönborn hatte in seinen Begrüßungsworten die Bedeutung dieser
Geste betont: „Auf Christus schauen“, so das Motto der Reise, „heißt auch auf unsere
Wurzeln schauen. Petrus war Jude. Die Apostel waren Juden. Maria ist Jüdin, und Jesus,
ihr Sohn, unser Herr, ist es durch sie. Nie dürfen wir den Wurzelstamm vergessen,
der uns trägt (vgl. Röm 11,18). Es gehört zur Tragik dieser Stadt, dass gerade hier
diese Wurzel vergessen, ja verleugnet wurde, bis hin zum Gottlosen Willen, das Volk
zu vernichten, dem Gottes erste Liebe gilt. Heiliger Vater, am nahen Judenplatz werden
Sie in stillem Verweilen der Opfer dieser Verblendung gedenken. Wir begleiten Sie
dabei mit innerer Anteilnahme.”
Appell für Lebensschutz - Programmatische
Rede Benedikts in der Wiener Hofburg
Papst Benedikt XVI.
hat am Abend in der Wiener Hofburg vor Vertretern der österreichischen Politik und
des diplomatischen Corps eine Grundsatzrede zur Rolle Europas gehalten und sich für
die Menschenrechte und den Schutz des Lebens ausgesprochen. „Abtreibung kann demgemäß
kein Menschenrecht sein - sie ist das Gegenteil davon.“ Der Papst forderte neue
gesellschaftliche Rahmenbedingungen. Europa habe eine „einmalige Verantwortung in
der Welt“, so Benedikt XVI. an „historischer Stätte“.
Hier die Kernsätze der
Ansprache: Europa kann und darf seine christlichen Wurzeln nicht verleugnen.
Sie sind ein Ferment unserer Zivilisation auf dem Weg in das dritte Jahrtausend. Das
Christentum hat diesen Kontinent zutiefst geprägt, wovon in allen Ländern, gerade
auch in Österreich, nicht nur die unzähligen Kirchen und bedeutenden Klöster Zeugnis
geben.
Freilich hat Europa auch schreckliche Irrwege erlebt und erlitten.
Dazu gehören: ideologische Engführungen von Philosophie, Wissenschaft und auch Glaube,
der Missbrauch von Religion und Vernunft zu imperialistischen Zielen, die Entwürdigung
des Menschen durch einen theoretischen oder praktischen Materialismus und schließlich
die Degeneration von Toleranz zu einer Gleichgültigkeit ohne Bezug zu bleibenden Werten.
Zu den Eigenschaften Europas gehört aber eine Fähigkeit zur Selbstkritik, die es im
weiten Fächer der Weltkulturen besonders auszeichnet.
In Europa ist zuerst
der Begriff der Menschenrechte formuliert worden. Das grundlegende Menschenrecht,
die Voraussetzung für alle anderen Rechte, ist das Recht auf das Leben selbst. Das
gilt für das Leben von der Empfängnis bis zu seinem natürlichen Ende. Abtreibung kann
demgemäß kein Menschenrecht sein – sie ist das Gegenteil davon. Sie ist eine „tiefe
soziale Wunde“, wie unser verstorbener Mitbruder Kardinal Franz König zu betonen nicht
müde wurde.
Ich verschließe nicht die Augen vor den Problemen und Konflikten
vieler Frauen und bin mir dessen bewusst, dass die Glaubwürdigkeit unserer Rede auch
davon abhängt, was die Kirche selbst zur Hilfe für betroffene Frauen tut.
Ich
appelliere deshalb an die politisch Verantwortlichen, nicht zuzulassen, dass Kinder
zu einem Krankheitsfall gemacht werden und dass die in Ihrer Rechtsordnung festgelegte
Qualifizierung der Abtreibung als ein Unrecht faktisch aufgehoben wird.
Wir
bestärken Sie auch nachdrücklich in Ihren politischen Bemühungen, Umstände zu fördern,
die es jungen Paaren ermöglichen, Kinder aufzuziehen.
Mit großer Sorge erfüllt
mich auch die Debatte über eine aktive Sterbehilfe. Es ist zu befürchten, dass eines
Tages ein unterschwelliger oder auch erklärter Druck auf schwerkranke und alte Menschen
ausgeübt werden könnte, um den Tod zu bitten oder ihn sich selbst zu geben. Die richtige
Antwort auf das Leid am Ende des Lebens ist Zuwendung, Sterbebegleitung – besonders
auch mit Hilfe der Palliativmedizin – und nicht „aktive Sterbehilfe“. Um eine humane
Sterbebegleitung durchzusetzen, bedürfte es freilich baldigst struktureller Reformen
in allen Bereichen des Medizin- und Sozialsystems und des Aufbaus palliativer Versorgungssysteme.
… Viele andere Menschen müssen bereit sein bzw. in ihrer Bereitschaft ermutigt werden,
sich die Zuwendung zu schwer Kranken und Sterbenden Zeit und auch Geld kosten zu lassen.
Die
Europäische Union sollte darum eine Führungsrolle bei der Bekämpfung der Armut in
der Welt und im Einsatz für den Frieden übernehmen.
Mariazell: Geistliches
Herz Österreichs und darüberhinaus
Bei Papstreisen gibt
es immer beides: Einen Grund und einen Anlass. Der Anlass ist diesmal der 850. Jahrestag
von Mariazell. Am Samstag feiert Benedikt einen Gedenkgottesdienst. Seit Jahrhunderten
zieht der Wallfahrtsort in den steirischen Alpen Pilger aus sämtlichen mittel- und
osteuropäischen Ländern an. Gudrun Sailer war dort. Mariazell ist nicht der größte
und nicht der spektakulärste Marienwallfahrtsort Europas. Es kann nur auf ein Fünftel
der Pilgerscharen verweisen, die jährlich nach Lourdes oder nach Tschenstochau reisen,
rund eine Million, und auch herausragende Wunder sind aus Mariazell nicht überliefert.
Nicht einmal 2.000 Menschen bevölkern den Ort, der über drei Gebirgsstraßen zugänglich
ist; bis heute haben ihn keine monströsen Neubauten verunstaltet. Alles hier ist klein,
überschaubar, nach Menschenmaß. Auch deshalb ist Mariazell seit 850 Jahren in die
Herzen der Menschen Österreichs und seiner Nachbarn eingeschrieben. Doch das eigentlich
Große in Mariazell ist die Gnadenmutter, zu der die Pilger kommen. Eine Statue aus
Lindenholz, kaum 50 Zentimeter hoch, im romanischen Stil. Auf ihrem Schoß sitzt Jesus,
und mit der Linken, die ein bisschen groß geraten ist, weist die Mutter auf ihr Kind.
Das Motto der Pilgerreise Papst Benedikts fasst die Geste der Mariazeller Gnadenmutter
in Worte: Auf Christus schauen. „Auf ihn zu hören, auf sein Wort, ihm zu begegnen
im Sakrament, dann werden wir auch sicher jenes Ziel und jene Heimat finden, die er
uns bereitet hat.“ Die Pilgergruppen, die hier an ihrem Ziel eine Predigt
ihres Priesters hören, sehen die Mariazeller Gnadenmutter in einem ihrer prächtigen
Gewänder. Tatsächlich ist die Statue nur an drei Tagen im Jahr so zu sehen, wie ihr
Bildhauer sie geschaffen hat. Die Mariazeller Schatzkammer verwahrt rund 150 Prunkgewänder,
viele mit Perlen und Goldfäden bestickt; im Lauf der Jahrhunderte haben Frauen aller
Schichten als Zeichen ihrer Verehrung für die Gnadenmutter diese Gaben oft aus ihren
eigenen Hochzeitskleidern genäht. Der 8. September, Tag des Papstbesuches, ist einer
von nur drei Tagen im Jahr, an denen die Mariazeller Gnadenmutter in ihrer ursprünglichen
Form, in Holz, zu sehen ist. Von Anbeginn an hat diese steirische Madonna Pilger aus
dem gesamten mittel- und osteuropäischen Raum angezogen. Ägidius Zsifkovics, Generalsekretär
der Österreichischen Bischofskonferenz. „Ich glaube diese europäische Dimension
zeigt sich schon im Gnadenbild, in der Anrufung der Muttergottes von Mariazell sehr
deutlich, wo sie als Magna mater austriae, als mater domina hungarorum und als alma
mater gentium slaworum bezeichnet wird. Genau diese Völker über Österreich hinaus
sind irgendwie in Mariazell vereint, und Mariazell ist so zusagen eine europäische
Größe in der Herzmitte Europas. Das spiegelt sich stark wider in diesem Papstbesuch,
wo auch all diese Völker, Menschen Delegationen anwesend sein werden.“ Mariazell
hat hier eine lange Tradition, sagt Ägidius Zsifkovics, der selbst kroatischer Abstammung
ist: „Auch schon während der Zeit des Kommunismus sind immer wieder Pilger
und Bischöfe, Hirten aus diesen Ländern nach Mariazell oft unter schwierigsten Bedingungen
gekommen. Mariazell hat diese Menschen auch nie vergessen, es wurden Kerzen gerade
auch für Menschen und Länder hinter dem Eisernen Vorhang angezündet. Bei diesem Papstbesuch
wird die Delegation aus diesen Ländern etwas kleiner gehalten, weil es die geografische
Lage nicht anders zulässt, es werden ca. 4-5000 Menschen aus diesen Ländern da sein,
begleitet von etwa 60 bis 70 Bischöfen.“ Sie stammen auch beispielsweise aus
der Ukraine und aus Albanien. Rund 33.000 Pilger und Hirten haben sich für Mariazell
angekündigt. Bis zuletzt regnete es in Strömen in Mariazell. Die Aufbauten freilich
liegen im Zeitplan. Hunderte Menschen arbeiten daran mit, so wie dieser Katholik,
der die Tonanlagen für den Gottesdienst mit Papst Benedikt verantwortet: „Es
ist die Situation Bergpredigt sehr interessant, weil viele Menschen auf kleinstem
Raum bedient werden.“ Als Zeichen ihrer Verehrung haben Österreichs Bischöfe
vor kurzem in der Mariazeller Basilika sogar eine CD mit 24 Marienliedern aufgenommen.
Die österreichische Bischofskonferenz ist damit die erste der Welt, die auch als Chor
auftritt, verkündet der Pressetext stolz. Die Oberhirten reihen sich damit in die
lange Schar internationaler Pilger ein, die Mariazell in Jahrhunderten zu dem gemacht
hat, was es bis heute ist: Ein Ort der Herzen. „Und so wollen wir uns vertrauensvoll
an die Gottesmutter wenden, dass sie uns immer wieder Wegbegleiterin sei, nicht nur
heute und hier, wo wir vor dem Gnadenaltar versammelt sind, sondern bitten, dass sie
uns auch weiterhin Wegbegleiterin sei auf der Wallfahrt unseres Lebens.“