Papst in der Hofburg: Ansprache des Bundespräsidenten
Wir dokumentieren
hier die Ansprache von Bundespräsident Heinz Fischer in der Hofburg im Wortlaut:
Eure
Heiligkeit!
Mit großer Freude heiße ich Sie in der traditionsreichen Wiener
Hofburg willkommen – einem Gebäudekomplex, von dem aus durch Jahrhunderte hindurch
die Europäische Geschichte mitgestaltet wurde.
Ich heiße Sie willkommen zu
einer Begegnung mit führenden Repräsentanten der Republik Österreich, mit führenden
Vertretern der in Österreich gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften,
sowie mit den Mitgliedern des Diplomatischen Corps, die ich gleichfalls alle sehr
herzlich begrüße.
Ich kann Eurer Heiligkeit versichern, dass Sie in Österreich
mit offenen Herzen und mit großem Interesse an Ihren Auffassungen und Gedanken aufgenommen
werden.
Dass die Beziehungen zwischen der Republik Österreich und dem Heiligen
Stuhl ausgezeichnet und vertrauensvoll sind, konnte ich bereits unmittelbar nach Ihrer
Ankunft am Flughafen feststellen.
Ihr Besuch in Österreich bekräftigt dies.
Uns verbindet auch ein hohes Maß an Übereinstimmung in Bezug auf viele der
großen Herausforderungen unserer Zeit.
Das gilt in besonderer Weise für das
Bemühen um eine friedliche Welt, die für uns alle von existenzieller Bedeutung ist.
Eure
Heiligkeit!
Man kann nicht leugnen, dass die Geschichte der menschlichen Zivilisation
über weite Strecken als eine Geschichte von Kriegen und gewaltsamen Auseinandersetzungen
beschrieben werden muss.
Dennoch - oder gerade deshalb ist - und bleibt Krieg
als Instrument der Politik inakzeptabel. (Ich spreche nicht von Landesverteidigung.)
Der
Geisel des Krieges steht der Menschheitstraum einer friedlichen Welt gegenüber. Und
wir haben im 21. Jahrhundert in wachsendem Maß die Chance, durch gemeinsame Anstrengungen
das Phänomen des Krieges zurückzudrängen, Zonen des Friedens auszudehnen und den nationalen
Rechtsstaat zum internationalen Rechtsstaat zu erweitern.
In diesem Zusammenhang
darf ich besondere Wertschätzung für die vielfältigen, teils öffentlichen, teils diskreten
Bemühungen des Heiligen Stuhls zur Vermeidung des Ausbruches von Kriegen oder zur
Eindämmung bereits ausgebrochener Konflikte zum Ausdruck bringen – ein Thema, das
ich bereits bei unserer Begegnung in Rom im Oktober des vergangenen Jahres mit Eurer
Heiligkeit erörtern durfte.
In direktem Zusammenhang mit der Sehnsucht nach
Frieden steht die Bereitschaft zum Dialog.
Österreich ist ein Ort des Dialoges
und das Bekenntnis zum Dialog ist ein wichtiger Baustein unserer Politik. Es ist mehr
als gerechtfertigt, an dieser Stelle Kardinal Dr. Franz König zu erwähnen und seine
großen Verdienste für den Dialog zwischen den Menschen, für den Dialog zwischen den
Religionen und für Dialogbereitschaft als Lebensmuster in Erinnerung zu rufen. Es
gibt schöne Beispiele dafür, dass Kardinal Dr. Christoph Schönborn bemüht ist, diesen
Weg fortzusetzen.
Hochverehrte Anwesende!
Wir wollen nicht Zonen des
Bösen und Zonen des Guten auf der Weltkarte zeichnen und wir wollen nicht versuchen,
in Schwarz und Weiß einzuteilen.
Ich stimme Alexander Solschenyzin zu, wenn
er schreibt, dass die Grenzen zwischen Gut und Böse nicht zwischen den Völkern verlaufen,
auch nicht zwischen Religionen und Weltanschauungen, sondern im Herzen jedes einzelnen
Menschen. Daher müssen wir uns bemühen, das Gute zu erkennen und zu unterstützen und
den Wurzeln für das Böse, für Gewalt und Intoleranz den Nährboden zu entziehen.
Klarheit
in unseren Wertvorstellungen ist dabei unverzichtbar.
Eure Heiligkeit!
Mit
den Lehren aus den beiden verhängnisvollen Weltkriegen des 20. Jahrhunderts und mit
dem Bemühen um Frieden ist auch die aktuelle Entwicklung Europas aufs Engste verknüpft.
Die Europäische Union ist ein Friedensprojekt, das von klugen Köpfen aus edlen
Motiven und mit vernünftigen Zielen in Angriff genommen wurde und seit dem Zusammenbruch
des Kommunismus in Europa zu einem gesamteuropäischen Projekt herangereift ist.
Zum
festen Fundament dieses Projektes zählt das Bekenntnis zu dem aus vielen Wurzeln gewachsenen,
vom Christentum stark geprägten und von der Aufklärung mitgeformten europäischen Menschenbild,
dessen normativer Ausdruck unveräußerliche Menschenrechte sind. Jeder muss wissen,
dass Rassismus oder Antisemitismus oder Fremdenfeindlichkeit, aber auch soziale Ausgrenzung
mit unserem Menschenbild und dem darauf beruhenden Gesellschaftsmodell unvereinbar
sind.
Ich verkenne nicht die Schwächen und Unzulänglichkeiten im europäischen
Alltag. Aber die oftmals berechtigte Kritik an diesen Unzulänglichkeiten darf den
Blick auf die enormen historischen Fortschritte, die im europäischen Einigungswerk
zum Ausdruck kommen, nicht verstellen.
Europa hat viel erreicht – viel mehr
als frühere Generationen zu träumen gewagt haben. Europa ist ein Zukunftsmodell!
Diese
privilegierte Stellung Europas legt auch Verantwortung für unsere Mitmenschen in anderen
Regionen unseres Erdballs, auf unsere Schultern. In dieser Erkenntnis gibt es Gleichklang
und Parallelen zwischen politischer Verantwortung und kirchlich- humanitären Zielsetzungen.
Ich
bekenne mich zur Trennung von Staat und Kirche in jenem Sinn, wie dies in unserer
Verfassung normiert ist.
Aber ich bekenne mich gleichzeitig zur Zusammenarbeit
von Staat und Kirche überall dort, wo wir gemeinsame Ziele haben, wo wir gemeinsam
dem Frieden dienen können, wo wir gemeinsam den Schwachen helfen können.
Eure
Heiligkeit!
Sie haben in der Republik Österreich einen aktiven Partner für
die vorstehend genannten Aufgaben. Sie werden bei den Österreicherinnen und Österreichern
große Bereitschaft finden, sich für eine offene und soziale Gesellschaft auf der Basis
der Gleichberechtigung der Geschlechter zu engagieren.
Sie werden junge Frauen
und Männer treffen, die sich mit Idealismus den Herausforderungen der Zukunft stellen.
Sie sind Gast und Pilger in einem Land, in dem der Gedanke, dass Natur und
Umwelt gepflegt und geschützt werden müssen, um sie kommenden Generationen zu erhalten,
immer mehr Kraft entfaltet.
Ihr Besuch soll und wird dazu beitragen, diese
Kräfte und Ziele zu stärken.
Ich wünsche uns allen – und hoffe es aufrichtig
– dass unsere Bemühungen Früchte tragen, und dass wir gemeinsam einer guten Zukunft
entgegen gehen.
Ich darf nunmehr Eure Heiligkeit einladen, zu uns zu sprechen.
(rv)