Papst Benedikt XVI. hat eine Botschaft an die Dritte Europäische Ökumenische Versammlung
geschickt. Sie tagt seit gestern Abend im rumänischen Sibiu (Hermannstadt). In dem
Text, der heute veröffentlicht wurde, bekennt sich der Papst zum Einsatz für die Ökumene
und zur - so wörtlich - „Einheit in legitimer Vielfalt“. Wörtlich schreibt Benedikt:
„Wirklicher Dialog entsteht erst, wo nicht nur das Wort, sondern wo auch Hören ist...
So betrifft der Dialog nicht bloß den Bereich des Wissens und dessen, was wir tun
können. Er bringt vielmehr die glaubende Person, ja den Herrn in unserer Mitte selber
zur Sprache.“ Für den künftigen Weg zur Einheit der Christen seien zwei Dinge „richtungsweisend“:
„der Dialog der Wahrheit und die Begegnung im Zeichen der Brüderlichkeit“. Wichtig
sei auch der so genannte „geistliche Ökumenismus“. Der Vatikan wird in Sibiu vom deutschen
Kurienkardinal Walter Kasper vertreten. (rv 05.09.2007 bp)
Wir dokumentieren
hier die Botschaft von Papst Benedikt im vollen Wortlaut.
An Kardinal Péter
Erdö, Präsident des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE), und an Pasteur
Jean-Arnold de Clermont, Präsident der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK)
Von
Herzen grüße ich alle Delegierten und Teilnehmer der Dritten Europäischen Ökumenischen
Versammlung in Sibiu, die sich mit dem für die Neuevangelisierung Europas wichtigen
Thema beschäftigt: „Das Licht Christi scheint auf alle Menschen. Hoffnung auf Erneuerung
und Einheit in Europa“, und die es sich zur Aufgabe gemacht hat, „in dem gekreuzigten
und auferstandenen Christus wieder neues Licht zu erkennen für den Weg der Versöhnung
zwischen den Christen in Europa“. Ich grüße jeden von Ihnen, und durch Sie richte
ich meinen Gruß an den Rat der Europäischen Bischofskonferenzen und die Konferenz
Europäischer Kirchen. Es ist meine aufrichtige Hoffnung, daß diese wichtige Versammlung
dazu beiträgt, auf dem ökumenischen Weg voranzuschreiten, um die volle, sichtbare
Einheit aller Christen wiederzufinden. Dies ist eine pastorale Priorität, der ich
seit Beginn meines Pontifikats große Aufmerksamkeit geschenkt habe. Die Sorge um die
sichtbare Einheit aller Christen ist wesentlich, damit das Licht Christi allen Menschen
leuchten kann. Das Zweite Vatikanische Konzil hat, wie es mein verehrter Vorgänger
Papst Johannes Paul II. zum Ausdruck brachte, „die katholische Kirche unumkehrbar
dazu verpflichtet, den Weg der Suche nach der Ökumene einzuschlagen und damit auf
den Geist des Herrn zu hören, der uns lehrt, aufmerksam die ‚Zeichen der Zeit’ zu
lesen“ (Ut unum sint, 3). „An Christus glauben heißt, die Einheit wollen; die Einheit
wollen, heißt, die Kirche wollen“ (ebd., 9). In diesem Bewußtsein wird die katholische
Kirche stets voll Zuversicht auf dem Weg der Einheit und der Gemeinschaft unter den
Christen voranschreiten, der zwar schwierig, aber reich an Freude ist (vgl. ebd.,
2). Wie viele „Zeichen der Zeit“ haben uns in den vergangenen Jahrzehnten und
bei den vorangegangenen ökumenischen europäischen Versammlungen in Basel (1989) und
Graz (1997) bis hin zur Unterzeichnung der Charta Oecumenica in Straßburg (2001) auf
diesem Weg ermutigt und unterstützt! Auch die zahlreichen ökumenischen Begegnungen
und Feiern zusammen mit dem geduldigen theologischen Dialog auf lokaler und internationaler
Ebene haben ermutigende Zeichen gesetzt und uns „die Kirche als Geheimnis der Einheit
wieder mehr bewußt gemacht“ (Novo millenio ineunte, 48). Wirklicher Dialog entsteht
erst, wo nicht nur das Wort, sondern wo auch Hören ist, und wo im Hören sich Begegnung,
in der Begegnung Beziehung und in der Beziehung Verstehen als Vertiefung und Verwandlung
unseres Christseins vollzieht. So betrifft der Dialog nicht bloß den Bereich des Wissens
und dessen, was wir tun können. Er bringt vielmehr die glaubende Person, ja den Herrn
in unserer Mitte selber zur Sprache. Zwei Elemente müssen für unsere Bemühungen
richtungweisend sein: der Dialog der Wahrheit und die Begegnung im Zeichen der Brüderlichkeit.
Sie brauchen als Fundament den geistlichen Ökumenismus. Schon das Zweite Vatikanische
Konzil formulierte: „Diese Bekehrung des Herzens und die Heiligkeit des Lebens sind
zusammen mit den privaten und öffentlichen Bittgebeten für die Einheit der Christen
als Seele der ganzen ökumenischen Bewegung zu erachten“ (Unitatis Redintegratio, 8).
Das Gebet für die Einheit stellt den Königsweg zur Ökumene dar. Es leitet die Christen
Europas zu einem neuen Blick auf Christus und die Einheit Seiner Kirche an. Zudem
befähigt es dazu, sich schmerzhaften Erinnerungen, an denen es in der europäischen
Geschichte nicht fehlt, sowie sozialen Belastungen im Zeitalter des heute weithin
vorherrschenden Relativismus mutig zu stellen. In jedem Zeitalter waren Menschen des
Gebetes, zu denen die zahlreichen Blutzeugen des Glaubens aller Konfessionen zählen,
die hauptsächlichen Bauleute von Versöhnung und Einheit. Sie inspirierten die getrennten
Christen, den Weg der Versöhnung und der Einheit zu suchen. Wir Christen müssen
uns unserer Aufgabe bewußt sein, Europa und der Welt die Stimme dessen zu geben, der
gesagt hat: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis
umhergehen, sondern wird das Licht des Lebens haben“ (Joh 8, 12). Es ist unsere Aufgabe,
vor den Männern und Frauen von heute das Licht Christi leuchten zu lassen: nicht das
eigene Licht, sondern das Licht Christi. Erbitten wir von Gott die Einheit und den
Frieden für die Menschen in Europa und erklären wir unsere Bereitschaft, für eine
wahre gesellschaftliche Entwicklung des Kontinents in Ost und West zusammenzuarbeiten.
Beim Treffen in Sibiu werden gewiß wertvolle Erkenntnisse zur Weiterführung und Vertiefung
der besonderen Berufung Europas gewonnen werden können, die dann helfen mögen, eine
bessere Zukunft für seine Völker zu schaffen. Ich wünsche der Dritten Europäischen
Ökumenischen Versammlung in Sibiu, daß es ihr gelingt, Begegnungsräume der Einheit
in legitimer Vielfalt zu schaffen. In einer Atmosphäre des gegenseitigen Vertrauens
und des Bewußtseins, daß die gemeinsamen Wurzeln viel tiefer liegen als unsere Spaltungen,
wird falsche Selbstgenügsamkeit aufgebrochen, Fremdheit überwunden und das gemeinsame
Fundament des Glaubens geistlich erfahren. Europa braucht Orte der Begegnung und
geistgeführte Einheitserfahrungen im Glauben. Ich bitte Gott, mit seinem Geist Ihre
Versammlung in Sibiu zu einem solchen Ort werden zu lassen. Das Licht Christi erhelle
den Weg des europäischen Kontinents! Der Herr segne Ihre Familien, Gemeinschaften,
Kirchen und alle diejenigen, die sich in jeder Region Europas als Jünger Christi bekennen.
Aus
Castel Gandolfo, am 20. August 2007 Benedikt XVI.