Die Kirche kenne keine Randgruppen, schließe niemanden aus. Das hat Papst Benedikt
XVI. gestern Abend vor mehr als 300.000 Jugendlichen in Loreto betont. Auf einem Feld
in der Nähe des italienischen Marienwallfahrtsortes begehen sie derzeit ein italienisches
Jugendtreffen, das als Auftakt zum Weltjugendtag 2008 in Sydney gilt. Benedikt war
gestern Nachmittag nach Loreto aufgebrochen und feierte gemeinsam mit den Jugendlichen
die Gebetsvigil. In seinen frei formulierten Antworten auf die Fragen von Jugendlichen
ermunterte der Papst zu gesellschaftlichem Engagement und zu einem Leben ohne Zukunftsängste.
Christen müssten Zentren bilden „in der Peripherie und so helfen, die Dinge zu
bewältigen, die die große Politik offensichtlich nicht bewältigen kann. Gleichzeitig
müssen wir daran denken, dass ungeachtet der großen Machtkonzentration gerade in der
Gesellschaft von heute das Bedürfnis groß ist nach Solidarität, dem Sinn nach Gerechtigkeit
und dem Engagement und der Kreativität aller.“ In seiner Predigt betonte der
Papst einmal mehr den Wert von Ehe und Familie. Von Maria sollten die jungen Christen
die Schönheit der Liebe lernen, sagte der Papst und warnte vor egoistischen Auffassungen
von Beziehungen. Liebe sei kein „Wegwerfartikel“. Eigens wandte er sich an Jugendliche
aus Scheidungsfamilien. Mit dem Beistand Gottes und der Gottesmutter sollten sie sich
von Trennungserfahrungen in ihrem Umkreis nicht entmutigen lassen. Er bete und hoffe,
so der Papst, dass die gegenwärtig zu beobachtende Krise der Familie nicht ein endgültiges
Scheitern bedeute. „Habt keine Angst! Jeder von euch kann, wenn er mit Christus
vereint bleibt, große Dinge verbringen“, so der Papst weiter. Vielen Heranwachsenden
erscheine heute ein glückliches Leben wie ein nahezu unerfüllbarer Traum. Dagegen
verwies er auf die Gottesmutter Maria, die als junge Frau mit ihrem Ja ihr Leben und
die gesamte Menschheitsgeschichte verändert habe. „Nichts ist für den unmöglich, der
sich Gott anvertraut“, so der Papst. Das „Haus Marias“, das der Legende nach Engel
1294 aus Nazareth nach Loreto getragen haben, sei Ort der „friedvollen Begegnung“
und „authentischer Freude“. „Der Papst ist euch nahe“, rief Benedikt den seit
Stunden feiernden und singenden Jugendlichen zu. „Er teilt eure Freuden und eure
Leiden, vor allem teilt er eure innersten Hoffnungen und für jeden erfleht er beim
Herrn ein erfülltes und glückliches Leben, ein Leben das reich ist an Sinn, ein wahrhaftiges
Leben.“ Benedikt verabredete sich mit den Jugendlichen für Sydney im nächsten
Jahr, auch wenn er wisse, so der Papst, dass für viele Australien am anderen Ende
der Welt liege. In der Hafenstadt findet vom 15. bis 20. Juli der nächste Weltjugendtag
statt. Internationales gab es auch in Loreto, nicht nur in der Vorausschau auf Sydney.
Benedikt segnete ein Kreuz, das für eine Kirche in Äthiopien bestimmt ist. Mit einer
SMS-Aktion sammelten die Jugendlichen die ganze Nacht auch via Fernsehen Geld für
den Bau einer Kirche in der kleinsten Diözese Äthiopiens. Am Abend besuchte Benedikt
gemeinsam mit einigen Bischöfen das Marienheiligtum von Loreto. Via Fernsehschaltung
war er mit den inzwischen fast 400.000 Jugendlichen auf dem Feld verbunden. Dort begann
eine große Glaubensfeier mit Musik und Tanz. Der erst im Juli aus philippinischer
Geiselhaft befreite Missionar Giancarlo Bossi sprach zu den Jugendlichen und rief
sie dazu auf, niemals ihren Traum aus den Augen zu verlieren. Ein junger Mann erzählte
von seiner Mafiavergangenheit. Die Feier wurde vom Staatsfernsehen übertragen und
gestaltet von national bekannten Schauspielern. Mit dabei auch der Tenor Andrea Bocelli,
der Liedermacher Lucio Dalla und sein eigens geschriebener Song INRI, und der italienische
Cantautore Claudio Baglioni, der landesweit Stadien füllt. Sein Bekenntnis: „Spiritualität
ist der ,Treibstoff’, ist das Licht, das die Straße erhellt. Ist eine Leuchtrakete,
die das erleuchtet, was wir noch nicht sehen. Spiritualität ist also eine Notwendigkeit,
wie die Luft. Wir nehmen sie nicht war, sie ist immer da, aber ohne sie könnten wir
nicht atmen, geschweige denn leben.“ (rv/kna 02.09.2007 bp)