Ökumene: "Das 'Subsistit' ist eine theologische Zeitbombe"
Wir haben seit Erscheinen
des Dokuments der Glaubenskongregation zu "Einigen Fragen der Ekklesiologie..." in
mehreren Interviews versucht, den Text zu erklären und deutlich zu machen, worum es
theologisch eigentlich geht. Die heftigen Reaktionen zeigen: Möglicherweise ist einiges
missverstanden worden, oder es ist der Finger in offene Wunden gelegt worden, weil
immer noch wichtige Fragen im ökumenischen Dialog der Beantwortung harren. Barbara
Hallensleben ist Professorin an der Theologischen Fakultät der Universität Fribourg
und Mitglied der Internationalen Theologischen Kommission des Vatikans.
Die
Reaktionen von evangelischer und orthodoxer Seite waren unterschiedlich – die Orthodoxen
haben sich bestätigt gefühlt, die Protestanten unverstanden. Was sind die theologischen
Gründe für diese Unterschiede?
„In der unterschiedlichen Reaktion zeigt
sich die unterschiedliche ökumenische Situation im Gespräch von Katholiken und Protestanten
und von Katholiken mit Orthodoxen. Es zeigt sich, dass in der Beziehung zwischen Katholiken
und Protestanten tatsächlich so etwas wie eine „Kirchenspaltung“ vorliegt, das heißt
eine Negation bestimmter Wirklichkeiten, die die katholische Kirche als zu ihrer Konstitution
gehörig ansieht, während die Orthodoxen eigentlich so reagieren, dass sie sich verstanden
fühlen, weil sie von sich sagen: „Wir sind wahre Kirche Jesu Christi in der apostolischen
Tradition“.“
Ist es nicht ein Widerspruch, wenn das Dokument sagt, dass
die „wahre Kirche“ in der katholischen Kirche subsistiert (Lumen Gentium 8), andererseits
aber beispielsweise die orthodoxen Kirchen „echte“ Teilkirchen sind (Dominus Jesus
17)?
„Zunächst einmal möchte ich bekräftigen, was Sie gesagt haben, das
Dokument zitiert das II. Vaticanum, „die orthodoxen Kirchen sind echte Teilkirchen“.
Im Dokument Dominus Jesus wird das sogar mit Nachdruck betont, indem gesagt wird:
Das gilt, obwohl sie nicht in Gemeinschaft, in der Communio mit dem Bischof von Rom
stehen. Zugleich gibt es eine andere Aussagenreihe in den Dokument, die ebenfalls
die Tradition der kirchlichen Lehre und Theologie aufgreift, dass die römisch-katholische
Kirche die wahre Kirche Jesu Christi ist. Ich würde sagen, hier steckt die große theologische
Aufgabe, diese beiden Aussagenreihen so miteinander in Beziehung zu setzen, dass sie
nicht als Widerspruch, sondern als in sich harmonisierbar erscheinen. Nach meinem
Eindruck ist das nur dann zu erreichen, wenn wir Katholiken lernen, diese eine, heilige,
katholische und apostolische Kirche zu sehen in ihrer differenzierten Wirklichkeit,
so wie Lumen Gentium 23 sie beschreibt: Dass sie in und aus Teilkirche besteht. Also
dass sie selber eine Gemeinschaft von Teilkirchen ist, und wenn das „Subsistieren“
den katholischen Teilkirchen authentisch zugesprochen wird, dann kann es auch sehr
viel leichter und klarer und theologisch versöhnbar den orthodoxen Teilkirchen zugesprochen
werden.“
Was heißt „die Katholische Kirche subsistiert in…“ im Unterschied
zu „Die Katholische Kirche ist…“
„Einer meiner Kollegen in Fribourg pflegt
zu sagen, das „subsistit in“ ist eine theologische Zeitbombe. Warum? Weil es in sich
einen Erklärungsbedarf trägt. Man sagt heute, dieses Wort sei vom II. Vatikanischen
Konzil gewählt worden, um nicht das Wort „est“ und nicht die Identifizierung der wahren
Kirche mit der katholischen Kirche durch das „ist“ zu bezeichnen. Es sei also eine
Art „Abmilderung“, eine „Abschwächung“ im Sinne „Ja, ist, aber nicht so ganz“. Diese
Interpretation wird von orthodoxer Seite eher kritisch betrachtet; und die orthodoxe
Seite behält sozusagen das starke „ist“ bei, um zu sagen: „Nein, wir mildern überhaupt
nichts ab. Wir sind überzeugt, dass in der orthodoxen Kirche die wahre Kirche Jesu
Christi existiert und präsent ist.“ Wenn man genauer hinschaut, ist das „subsistiert
in“ nicht eine Abschwächung, sondern fast eine Verstärkung, denn es kommt aus dem
Bereich der Christologie, und dort benutzt man es, um auszusagen, dass die menschliche
Natur Jesu Christi ihre Subsistenz hat in der göttlichen Natur, der göttlichen Person.
Und das bedeutet, Subsistenz ist eine Form von Sein und von Existenz, die die stärkste
Form überhaupt ist, nämlich die besagt: „in Ewigkeit unverlierbar“. Und das bedeutet,
dass das katholische „subsistiert in“ und das orthodoxe „est“ eigentlich denselben
Sinn haben, nämlich die höchstmögliche Form der Identifikation Gottes mit der Geschichte
auszusagen, mit dem Leib-Christi-Werden in der Kirche.“
Ist nicht eine
Ursache für die Verstehensschwierigkeiten, weil Kirche kaum noch in ihrer „theologischen“
oder „sakramentalen“ oder auch mystischen Qualität verstanden wird, auch von Katholiken,
die die Kirche eher als einen Verein Gleichgesinnter betrachtet?
„Hier
möchte ich ganz einfach sagen: Ja! Hier zeigt sich wieder einmal, dass ökumenische
Fragen nicht nur unsere Beziehung zu anderen betreffen, sondern dass sie zuinnerst
uns selbst betreffen. Und dass wir etwas nicht vermitteln können, ist oft ein Zeichen
dafür, dass wir es in uns selbst nicht genug entwickelt haben und nicht authentisch
genug bezeugen.“
Was wünschen und erhoffen Sie sich für das ökumenische
Gespräch?
„Dass es mit derjenigen Leidenschaft weitergeführt wird, die nicht
nur eine Art „Außenpolitik der Kirche“ darstellt, sondern dass sich darin artikuliert,
dass wir mit Leib und Seele, mit Verstand und Herz uns einsetzen dafür, dass es dieses
Zeugnis von diesem staunenswerten Faktum: Die Kirche ist der
Leib Christ, ist in der Geschichte, ist berührbar, ist verwundbar, und er geht diesen
Weg auf das vollendete Reich Gottes zu, dass wir diesem Zeugnis wirklich unsere ganze
Kraft widmen und genauso weiter gehen, wie es unserer Berufung entspricht.“