2007-08-26 13:59:43

Ökumene: "Das 'Subsistit' ist eine theologische Zeitbombe"


RealAudioMP3 Wir haben seit Erscheinen des Dokuments der Glaubenskongregation zu "Einigen Fragen der Ekklesiologie..." in mehreren Interviews versucht, den Text zu erklären und deutlich zu machen, worum es theologisch eigentlich geht. Die heftigen Reaktionen zeigen: Möglicherweise ist einiges missverstanden worden, oder es ist der Finger in offene Wunden gelegt worden, weil immer noch wichtige Fragen im ökumenischen Dialog der Beantwortung harren. Barbara Hallensleben ist Professorin an der Theologischen Fakultät der Universität Fribourg und Mitglied der Internationalen Theologischen Kommission des Vatikans.

Die Reaktionen von evangelischer und orthodoxer Seite waren unterschiedlich – die Orthodoxen haben sich bestätigt gefühlt, die Protestanten unverstanden. Was sind die theologischen Gründe für diese Unterschiede?

„In der unterschiedlichen Reaktion zeigt sich die unterschiedliche ökumenische Situation im Gespräch von Katholiken und Protestanten und von Katholiken mit Orthodoxen. Es zeigt sich, dass in der Beziehung zwischen Katholiken und Protestanten tatsächlich so etwas wie eine „Kirchenspaltung“ vorliegt, das heißt eine Negation bestimmter Wirklichkeiten, die die katholische Kirche als zu ihrer Konstitution gehörig ansieht, während die Orthodoxen eigentlich so reagieren, dass sie sich verstanden fühlen, weil sie von sich sagen: „Wir sind wahre Kirche Jesu Christi in der apostolischen Tradition“.“

Ist es nicht ein Widerspruch, wenn das Dokument sagt, dass die „wahre Kirche“ in der katholischen Kirche subsistiert (Lumen Gentium 8), andererseits aber beispielsweise die orthodoxen Kirchen „echte“ Teilkirchen sind (Dominus Jesus 17)?

„Zunächst einmal möchte ich bekräftigen, was Sie gesagt haben, das Dokument zitiert das II. Vaticanum, „die orthodoxen Kirchen sind echte Teilkirchen“. Im Dokument Dominus Jesus wird das sogar mit Nachdruck betont, indem gesagt wird: Das gilt, obwohl sie nicht in Gemeinschaft, in der Communio mit dem Bischof von Rom stehen. Zugleich gibt es eine andere Aussagenreihe in den Dokument, die ebenfalls die Tradition der kirchlichen Lehre und Theologie aufgreift, dass die römisch-katholische Kirche die wahre Kirche Jesu Christi ist. Ich würde sagen, hier steckt die große theologische Aufgabe, diese beiden Aussagenreihen so miteinander in Beziehung zu setzen, dass sie nicht als Widerspruch, sondern als in sich harmonisierbar erscheinen. Nach meinem Eindruck ist das nur dann zu erreichen, wenn wir Katholiken lernen, diese eine, heilige, katholische und apostolische Kirche zu sehen in ihrer differenzierten Wirklichkeit, so wie Lumen Gentium 23 sie beschreibt: Dass sie in und aus Teilkirche besteht. Also dass sie selber eine Gemeinschaft von Teilkirchen ist, und wenn das „Subsistieren“ den katholischen Teilkirchen authentisch zugesprochen wird, dann kann es auch sehr viel leichter und klarer und theologisch versöhnbar den orthodoxen Teilkirchen zugesprochen werden.“

Was heißt „die Katholische Kirche subsistiert in…“ im Unterschied zu „Die Katholische Kirche ist…“

„Einer meiner Kollegen in Fribourg pflegt zu sagen, das „subsistit in“ ist eine theologische Zeitbombe. Warum? Weil es in sich einen Erklärungsbedarf trägt. Man sagt heute, dieses Wort sei vom II. Vatikanischen Konzil gewählt worden, um nicht das Wort „est“ und nicht die Identifizierung der wahren Kirche mit der katholischen Kirche durch das „ist“ zu bezeichnen. Es sei also eine Art „Abmilderung“, eine „Abschwächung“ im Sinne „Ja, ist, aber nicht so ganz“.
Diese Interpretation wird von orthodoxer Seite eher kritisch betrachtet; und die orthodoxe Seite behält sozusagen das starke „ist“ bei, um zu sagen: „Nein, wir mildern überhaupt nichts ab. Wir sind überzeugt, dass in der orthodoxen Kirche die wahre Kirche Jesu Christi existiert und präsent ist.“ Wenn man genauer hinschaut, ist das „subsistiert in“ nicht eine Abschwächung, sondern fast eine Verstärkung, denn es kommt aus dem Bereich der Christologie, und dort benutzt man es, um auszusagen, dass die menschliche Natur Jesu Christi ihre Subsistenz hat in der göttlichen Natur, der göttlichen Person. Und das bedeutet, Subsistenz ist eine Form von Sein und von Existenz, die die stärkste Form überhaupt ist, nämlich die besagt: „in Ewigkeit unverlierbar“. Und das bedeutet, dass das katholische „subsistiert in“ und das orthodoxe „est“ eigentlich denselben Sinn haben, nämlich die höchstmögliche Form der Identifikation Gottes mit der Geschichte auszusagen, mit dem Leib-Christi-Werden in der Kirche.“

Ist nicht eine Ursache für die Verstehensschwierigkeiten, weil Kirche kaum noch in ihrer „theologischen“ oder „sakramentalen“ oder auch mystischen Qualität verstanden wird, auch von Katholiken, die die Kirche eher als einen Verein Gleichgesinnter betrachtet?

„Hier möchte ich ganz einfach sagen: Ja! Hier zeigt sich wieder einmal, dass ökumenische Fragen nicht nur unsere Beziehung zu anderen betreffen, sondern dass sie zuinnerst uns selbst betreffen. Und dass wir etwas nicht vermitteln können, ist oft ein Zeichen dafür, dass wir es in uns selbst nicht genug entwickelt haben und nicht authentisch genug bezeugen.“

Was wünschen und erhoffen Sie sich für das ökumenische Gespräch?

„Dass es mit derjenigen Leidenschaft weitergeführt wird, die nicht nur eine Art „Außenpolitik der Kirche“ darstellt, sondern dass sich darin artikuliert, dass wir mit Leib und Seele, mit Verstand und Herz uns einsetzen dafür, dass es dieses Zeugnis von diesem staunenswerten Faktum: Die Kirche ist der Leib Christ, ist in der Geschichte, ist berührbar, ist verwundbar, und er geht diesen Weg auf das vollendete Reich Gottes zu, dass wir diesem Zeugnis wirklich unsere ganze Kraft widmen und genauso weiter gehen, wie es unserer Berufung entspricht.“

(rv 26.08.2007 mc/gs)








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