2007-08-23 18:55:41

Straßenkinder in Deutschland – Staatsschuld?


RealAudioMP3 Straßenkinder. Es gibt sie – auch in einem Industrieland wie Deutschland. Sie übernachten auf Parkbänken oder in Notunterkünften, essen in Armenküchen und verbringen den Tag bei Wind und Wetter im Freien.

Julia Hermann berichtet

Bis zu 2500 Kinder und Jugendliche ab 12 Jahre geraten in Deutschland jährlich auf die Straße. Etwa dreihundert bleiben dort hängen. Markus Seidel ist Leiter der deutschlandweiten Hilfseinrichtung „Off Road Kids“ und arbeitet mit Straßenkindern.

„Es gibt alle Varianten, die die Kinder in Deutschland dazu veranlassen, ihr Zuhause zu verlassen, sofern man das noch Zuhause nennen kann. Es ist dann so, dass diese Jugendlichen versuchen auf der Straße zu überleben, mit Bettelei, mit Prostitution, dann und wann mit Kleindiebstahl und eigentlich vorhatten ihr Leben in den Griff zu bekommen, selbst ihr Leben in die Hand zu nehmen, etwas zu unternehmen, dass ihr Leben besser wird, aber dann jämmerlich auf der Straße scheitern, ohne Hilfe.“

Aber warum fängt das soziale Netz in Deutschland die Kinder nicht auf? Das scheitert oftmals an Zuständigkeitsproblemen.

„Die Jugendhilfe ist kommunal finanziert und organisiert. Ein Kind, dass aus einer kleinen Stadt abhaut in eine Großstadt, findet in der Großstadt kein Jugendamt, das dann wirklich für dieses Kind zuständig ist. Was passiert ist folgendes, die Jugendämter, die zuständig sind, am Wohnort der Mutter, haben keinen Zugriff auf den Jugendlichen, können also auch nicht helfen.“

Straßenkinder in Deutschland stammen aus allen gesellschaftlichen Schichten. Es handelt sich fast ausnahmslos um Deutsche. Die meisten Straßenkinder stammen nicht aus den Großstädten, in denen sie sich aufhalten. In Metropolen wie Köln oder Berlin nutzen sie die Anonymität, um nicht entdeckt zu werden. Allerdings bringt das Leben in der Großstadt viele Risiken mit sich.


„Man muss sich vorstellen, man kommt als Jugendlicher auf die Straße, denkt eigentlich, dass das Leben jetzt besser wird und muss dann erkennen, dass es der Kampf ums nackte Überleben ist auf der Straße. Da ist Verzweiflung ganz nahe und Alkohol und Drogen sind auf der Straße immer ein Thema. Hinzukommt, dass die Jugendlichen keinerlei Ahnung von Humanbiologie haben. Also solchen Krankheitserregern wie AIDS dem HIV-Virus und vor Allem Hepatitis C sind sie völlig ausgesetzt ohne über die Risiken bescheid zu wissen.“

Ein großes Problem sieht Seidel in der steigende Zahl junger Männer auf der Straße. Die über 18-jährigen werden nicht mehr vom Jugendamt betreut.

„Die fallen im Augenblick durch alle Raster in Deutschland. Diese ganzen Harz-Gesetze greifen da überhaupt nicht, im Gegenteil, verhindern teilweise sogar, dass die Jungs wieder von der Straße wegkommen.“

Der Sprecher von „Off Road Kids“ fordert eine Umstrukturierung der Verantwortlichkeiten.

„Wir müssen die Finanzierung der lokal finanzierten Jugendämter auf Bundesebene gleichartig gestalten. So passiert dann nicht mehr, dass je nach Reichtum oder Armut, Geiz oder Großzügigkeit eines Landkreises Jugendhilfe großzügiger oder weniger großzügig gegeben wird.“

(rv 23.08.2007 jh)







All the contents on this site are copyrighted ©.