Österreich: Papst kommt nicht mit erhobenem Zeigefinger
Nur eine einzige Reise
ins europäische Ausland unternimmt Papst Benedikt XVI. in diesem Jahr. Sie führt ihn
von 7.-9. September nach Österreich, zum 850-Jahr-Jubiläum des Wallfahrtsortes Mariazell.
In seiner Sommerresidenz Castel Gandolfo empfing der Papst letzten Samstag zu einer
Art Schlussbesprechung den Wiener Kardinal Christoph Schönborn und den Grazer Bischof
Egon Kapellari. Welche Themen wird Papst Benedikt bei seinem Österreich-Besuch setzen?
Europa? Lebensschutz? Die sich öffnende Schere zwischen Arm und Reich? Die Fragen
gehen an Bischof Kapellari.
„Ich möchte generell sagen, gerade weil ich
ein christlicher Realist sein will, dass die Kirche und die Gesellschaft in Österreich
im Vergleich zur Situation in vielen mittel- und westeuropäischen Ländern viel besser
dasteht, was kein Grund zur Selbstzufriedenheit ist – aber das ist einmal so. Auch
die ökonomische Situation ist bei aller Problematik in der Existenz mancher Gruppen
und Schichten ziemlich solid. Der heilige Vater wird sicher nicht als Sozialprediger
kommen müssen, um die Fragen der Güterverteilung in Österreich zu klären, das ist
eher eine Frage in globaler Dimension, eine Frage des Nord-Süd-Gefälles – das ist
sicher nicht das Hauptthema."
Ein Hauptthema muss stattdessen auch in
Österreich die Frage des Lebensschutzes bleiben, betont Bischof Kapellari.
„Und
zwar dort, wo das Leben am meisten bedroht ist, nämlich am Anfang und am Ende. Deshalb
wird der Heilige Vater das Christsein als Lebensfreund und Schützer des Lebens vorstellen,
aber natürlich wird er das spezifisch christlich vertiefen ins Ewige Leben hinein,
in die Perspektive auf Gott hin. Auf Christus schauen ist das Leitwort, das verhindert,
dass man in einem noch so wichtigen ethischen Thema stecken bleibt und einem dann
die Luft ausgeht, sozusagen, die ethische Energie ausgeht, weil man sich an die Quelle
der spirituellen Energie, nämlich Jesus Christus, nicht angeschlossen hat.“
Wichtig
findet Kapellari aber darüber hinaus die Frage: Warum sind so viele Menschen des Glaubens
müde?
„Das ist kein Spezialfall für Österreich, sondern eine Frage der
mittel- und westeuropäischen Gesellschaft, die der Heilige Vater bestens kennt, wo
er nichts Neues sagen kann, wo er aber versucht, Worte der Weisung, der Ermunterung
und auch Grenzziehungen, wo es Not tut, zu sagen."
Kapellari meint allerdings,
dass Papst Benedikt nicht als großer Mahner kommen wird – das entspreche ihm nicht.
„Sein Ansatz von der Enzyklika „Deus Caritas est“ her ist klar ein positiver
Ansatz: Man öffnet die Quelle des Glaubens, um zu sagen: Was tun Christen, was sollten
oder könnten sie tun. Aber man dreht die Reihenfolge nicht um – was Christen nicht
tun können und nicht tun dürfen. Das ist sehr wichtig heute für eine säkulare Gesellschaft,
dass wir zunächst sagen, wofür wir stehen, und dann sagen, wogegen wir stehen und
gehen. Aber nicht umdrehen, denn das Umdrehen wird uns gerne nachgesagt, um dann schwerhörig
zu werden gegenüber der christlichen Botschaft.“
Warum kommt Benedikt
ausgerechnet nach Mariazell? Aus der Perspektive der Weltkirche ist das in der Tat
ein Fragezeichen. Es gibt größere und bedeutendere Wallfahrtsorte rund um den Globus
– weiß auch Hausherr Kapellari.
„Es war auch für mich ein bisschen positiv
rätselhaft – er war ja als Kardinalspräfekt 2004 dort, und ich habe ihn als Ortsbischof
dort auch begrüßen können, und damals war noch keine Rede davon, dass er sich die
Zeit nehmen würde, wiederzukommen. Er hat sicherlich so nebenher gesagt, der Ort ist
so schön, da sollte man öfter herkommen, aber da war er halt Kardinal, und er wusste
nicht, dass er Papst werden würde, niemand wusste das.“
Die österreichischen
Bischöfe haben dann bei ihrer Vollversammlung im Juni 2005 offiziell beschlossen,
Benedikt zur 850-Jahr-Feier nach Mariazell einzuladen. Viel Hoffnung, dass der Papst
kommen würde, hatten die Bischöfe damals nicht.
„Wir wussten als Rahmenbedingung,
dass er wenig Zeit hat und dass er viele Einladungen bekommen würde, auch außerhalb
Europas. Wir haben eine herzliche und ernst gemeinte Einladung ausgesprochen, aber
wir wussten natürlich, dass wir nicht der Nabel der Welt sind. Auch nicht der Nabel
der Weltkirche. Dass der Papst sich trotzdem die Zeit nimmt herzukommen, war eine
Überraschung und für uns ein geistliches Geschenk! Ich werde ihn auch als Ortsbischof
einleitend mit den Worten begrüßen: Mit großer geistlicher Freude darf ich Sie hier
an diesem uralten Gnadenort willkommen heißen.“ (rv 22.08.2007 gs)