2007-08-19 10:32:14

Zur Diskussion um das Subsistit: „Was bedeutet Einheit?“
Prof. Thönissen vom Möhler-Institut für Ökumenik


RealAudioMP3 Seit Erscheinen des Papiers der Glaubenskongregation mit dem Titel „Antworten auf Fragen zu einigen Aspekten bezüglich der Lehre über die Kirche“ reißen die Diskussionen nicht ab; besonders von evangelischer Seite wird das Papier immer wieder als Angriff auf die Ökumene gedeutet.
Wir haben mit Prof. Wolfgang Thönissen gesprochen, er ist der Leiter des Johann-Adam-Möhler-Institut für Ökumenik in Paderborn. Es ist in Trägerschaft des Erzbistums Paderborn und gilt als die führende katholische Ökumeneforschungsinstitution in Deutschland:
 
In den Diskussionen geht es zurzeit vor allem um die Frage, was „wahres Kirchesein“ bedeutet. Ist nur die katholische Kirche die wahre Kirche?

„Ich denke das wichtigste ist zunächst einmal, sich zu erinnern, in welchem Zusammenhang das jetzige, neue Papier der Glaubenskongregation steht. Es geht um das Zweite Vatikanische Konzil, es geht innerhalb der Texte des Zweiten Vatikanischen Konzils um die Kirchenkonstitution „Lumen Gentium“. Diese Kirchenkonstitution ist die erste Zusammenschau der katholischen Kirche über das, was die Kirche von sich selbst glaubt, was die Kirche über sich selbst lehrt. Das ist zum ersten Mal in der Kirchengeschichte mit dieser Kirchenkonstitution geschehen. Das dritte ist, dass das Zweite Vatikanische Konzil auch das erste Konzil ist, das nach außen geblickt hat. Und zwar in einer positiven Weise. Zum Staat, zu den Gesellschaften hin und auch zu den christlichen Kirchen und zu den anderen Religionen. Dazu hat das Konzil eine ganze Reihe von wichtigen Dokumenten erlassen, und in diesem Zusammenhang steht jetzt auch diese neuere Erklärung. Dazu muss man jetzt noch genauer sagen: Es geht gar nicht um das Thema der wahren Kirche, oder der rechtmäßigen Kirche. Das ist ein Thema, dass erst in der Neuzeit aufgekommen ist und das eher von fundamentaltheologischer Bedeutung ist. Sondern was die Kirche sagen will ist, es geht um die Einheit der Kirche Jesu Christi, an die wir glauben. Das ist das Thema im Glaubensbekenntnis und darum wollen wir uns auch bemühen, dieses Bekenntnis zu der einen Kirche klarzumachen.“

Es gibt offensichtlich unterschiedliche Ansichtsweisen, was diese Einheit bedeutet.

Hier muss man zunächst einmal historisch sagen, dass die katholische Kirche immer das Bekenntnis zur Einheit der Kirche hochgehalten hat, über all die 2000 Jahre. Was sich in dieser Zeit, vor allen Dingen nach der Spaltung der Christenheit in der Reformationszeit gezeigt hat, ist, dass sich hier über die kontroverstheologische Auseinandersetzung, jedenfalls im 20. Jahrhundert, eine neue Bewegung eingespielt hat, die wir die ökumenische Bewegung nennen. Also das Miteinander der Christen, dass sie miteinander beten können, dass sie miteinander die Bibel lesen können, dass sie vieles gemeinsam miteinander tun können, auch wenn die Differenzen noch sehr groß sind. Dieses Anliegen vertritt die Katholische Kirche mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil voll und ganz. Allerdings stehen unterschiedliche Auffassungen dahinter. Man könnte, wenn man eine Grobeinteilung machen wollte, folgendes sagen. Der Ökumenische Rat vertritt ein Konzept von Einheit, dem viele verschiedene, sehr differente Kirchengemeinschaften angehören. Demgegenüber steht das Verständnis eines Kirchenbundes. Etwa die evangelischen Kirchen in Deutschland haben über lange Jahre hinweg ihre Einheit untereinander im Sinne eines, eher lockeren Bundes verstanden. Demgegenüber steht dann die katholische Auffassung, es gibt diese eine Kirche, sie ist in der katholischen Kirche da. Das schließt aber nicht aus, dass diese Kirche in sich sehr vielfältig sein kann, auch das hat das Konzil sehr deutlich herausgestellt. So hätte man jetzt drei verschiedene Konzepte von Einheit, über die wir derzeit auch im ökumenischen Umfeld streiten.“

Was ist der eigentliche Streitpunkt, offenbar sind das doch sich widersprechende Konzepte.

„Das sind sicherlich sich widersprechende Konzepte, der springende Punkt ist, wie wir die Vielfalt der Kirchen, oder die Vielfalt der Gemeinschaften auf das Bekenntnis der Einheit beziehen. Das hat schon der Ökumenische Rat der Kirchen vor über 50 Jahren gesehen. Das man vor der Tatsache steht, dass jede Kirche ein eigenes Verständnis von ihrer Einheit besitzt und das sie dieses in das ökumenische Gespräch einbringt. Es ist die Erkenntnis des Ökumenischen Rates und der ökumenischen Bewegung insgesamt gewesen, dass die Einheit der Kirche Jesu Christi eine Gabe ist, die die Kirchen aufnehmen müssen und die sie in eine sichtbare Form oder Struktur einbringen müssen. Das ist das entscheidende Problem. Wie können wir angesichts der unterschiedlichen Kirchenverständnisse und der Vielfalt der Kirchen in der Welt eine solche sichtbare Einheit verwirklichen. Auch da hat es in den letzten Jahrzehnten einen Erkenntnisfortschritt gegeben. Wir wissen heute, dass diese eine Kirche kein monolithischer Block ist, nicht eine einzige Kirche mit einer einzigen Organisationsstruktur, einer einzigen Theologie, einer einzigen Liturgie. Wie können wir eine sichtbare Form dieser einen Kirche verwirklichen, ohne diese Vielfalt zu vernachlässigen?“

Stimmt es, wie manche Protestanten befürchten, dass die katholische Kirche daran festhält, dass Evangelische katholisch werden müssen?

„Das setzt jetzt wieder voraus, dass man sagt, was ist das „katholisch“? Im Glaubensbekenntnis glauben wir und sprechen das auch aus. Wir glauben an die eine, heilige, katholische Kirche. Das ist die Grundherausforderung, wie diese Katholizität in jeder Kirche zum Ausdruck kommt. Hier hat die katholische Kirche gesagt, dass es dazu der Einheit im Glauben, in den Sakramenten und im kirchlichen Amt bedarf. Einschlussweise auch des Amtes des Bischofs von Rom. Das ist die Herausforderung, die die römische Kirche stellt. Sie stellt sowohl für die orthodoxen Kirchen wie für die anglikanischen Kirchen, die lutherische Kirche und viele andere Kirchen die Herausforderung dar. Das also im Verständnis des kirchlichen Amtes, zugleich eben auch die besondere Stellung des Bischofs von Roms mitgedacht werden muss.“

Wo liegen, auch gerade nach diesem Papier, die Missverständnisse?

„Die Missverständnisse scheinen mir darin zu liegen, dass man meint, die katholische Kirche würde gegen andere ein Einheitsverständnis verwirklichen, das andere ausschließt. Ich denke das ist das entscheidende Missverständnis. Das man etwas für sich reklamiert, um damit andere auszuschließen. Ich denke das hat das Zweite Vatikanische Konzil und die katholische Kirche so nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil nie gesagt und auch nie gewollt. Es geht umgekehrt um ein einschlussweises Denken. Man will die anderen nicht ausschließen , man schließt sie ein, man lädt sie ein, in diese der Einheit der Kirche mitzumachen. Wie das Konzept der Einheit im Einzelnen aussieht, müssen wir im Augenblick aus ökumenischer Weise, auch mit Blick auf die verschiedenen Konzepte, einfach offen lassen. Das Mißverständnis, um es noch einmal zu sagen, liegt darin, dass man meint, die katholische Kirche propagiere ein klares römisch-katholisches Konzept, dem man nur zustimmen könne oder das man ablehnen kann. Das ist ein falsches Verständnis.“

Glauben Sie denn, dass dieses Papier in diesem Sinne hilfreich war?

„Ob das Papier jetzt in diesem Augenblick hilfreich ist, kann man kann man natürlich auch von einer anderen Seite aus bedenken, aber ich denke wir sollten uns in der Ökumene auch nicht mit Illusionen herumplagen, wir sollten klar und deutlich reden. Deswegen denke ich, das Problem, das wir derzeit auf der theologischen, akademischen Ebene haben, ist das Nachdenken über die Frage „Was ist die Kirche?“, „Wie sieht die Kirche aus?“, „Welche Gestalt muss die Kirche haben?“. Diese Fragen haben wir lange vor uns hergeschoben, und deswegen ist es wichtig, dass wir sie jetzt auf die Tagesordnung setzen. Dass das nicht ohne einen gewissen theologischen Streit abgeht, ist klar, aber es bedeutet nicht, dass wir uns jetzt wiederum gegenseitig ausschließen sollten.“

Könnte das auch bedeuten, dass im Laufe dieser Diskussionen und des ökumenischen Dialogs auch das Kirchenverständnis der katholischen Kirche selber sich verändert?

„Das ist richtig, aber das gilt ja auch für das katholische Kirchenverständnis etwa seit der Zeit der Aufklärung. Denken Sie nur an das berühmte Werk des katholischen Theologen, Johann Adam Möhler. Möhler hat über die Einheit in einer völlig neuen Weise nachgedacht. Und erst das Zweite Vatikanische Konzil hat 150 Jahre später seine Gedanken aufgenommen, um sie in einer größeren theologischen Zusammenschau herauszustellen. Darin zeigt sich auch, dass das Kirchenverständnis sich, ich will nicht sagen verändert, aber doch vertieft, dass es in einem größeren Zusammenhang dargestellt wird, das einzelne Aspekte klarer herausgearbeitet werden können. Das gilt für die katholische Kirche selbst und ihr Kirchenverständnis und das gilt erst recht für das Ringen um ein gemeinsames Verständnis. Ich meine, dass das die eigentliche Herausforderung ist, vor der wir stehen. Wir können doch in dieser so pluralen Welt nicht so tun, als hätten wir nicht innerhalb der Ökumene ein riesiges Problem. Jeder redet so, wie er meint, es verantworten zu können. Aber die eigentliche und entscheidende Herausforderung ist doch die, wie wir das gemeinsam tun können. Und das ist auch für die katholische Kirche eine Herausforderung, die anderen einzuladen, zu einem solchen Dialog, über ein gemeinsames christliches Sprechen in der Welt, gemeinsam Verantwortung wahrnehmen. Das gilt für alle Christen.“

 
Was empfehlen Sie ökumenisch engagierten Menschen in den Gemeinden vor Ort?

„Ich denke weiterzumachen, was wir uns in der ökumenischen Bewegung insgesamt auf die Fahne geschrieben haben: Dieser uns gegebenen Einheit der Kirche Jesu Christi auch sichtbar Gestalt zu geben. Ich kann mir kein christliches Bekenntnis vorstellen, das nicht im Kern von dieser Überzeugung von der Einheit der Kirche ausgeht. Zum Glauben an Jesus Christus gehört immer auch, dass es eine Gemeinschaft, eine Gemeinsamkeit gibt. Ich denke das ist die Herausforderung und wenn man diese Herausforderung sieht, kann man auch in den einzelnen Gemeinden vor Ort sagen, wir wollen ausdrücken, dass wir gemeinsam glauben, das wir gemeinsam unseren Glauben in dieser Welt leben und dass wir ihn auch gemeinsam verantworten. Das wir im Blick auf die gesellschaftlichem Verhältnisse zeigen, dass beispielsweise der Sonntagsschutz ein ganz wesentliches Thema unserer christlichen Gemeinden ist. Das ist wichtig für ein gemeinsames Handeln. Das hat es in den letzten Jahren auch immer, an vielen Orten gegeben und das wird jetzt auch nicht anders sein.“

 
(rv 19.08.2007 mc)








All the contents on this site are copyrighted ©.