Heute vor zwei Jahren
wurde Frère Roger beim Abendgebet in Taizé ermordet. Die Weltöffentlichkeit war geschockt
- einer der wichtigsten geistlichen Gestalten und Wegbereiter der Ökumene war nicht
mehr da. Wir haben mit dem Nachfolger frère Rogers als Prior der ökumenischen Gemeinschaft
gesprochem, mit dem aus Deutschland stammenden Frère Alois Löser: Zum
zweiten Mal jährt sich heute der Tod von frère Roger. Wie begehen Sie diesen Tag?
„Bei
dem Abendgebet heute Abend werden wir besonders an ihn denken und in Gemeinschaft
mit ihm beten. Die Jugendlichen sind darauf vorbereitet und viele sind eigens gekommen,
um diesen Tag hier zusammen mit uns zu feiern.“
Welches ist das Vermächtnis
von frère Roger und wie halten Sie es in Taizé lebendig?
„Wir sind erstaunt
und sehr dankbar, dass wir nach zwei Jahren sagen können, dass das Vermächtnis lebendig
ist und dass wir den Weg, den frère Roger uns aufgetan hat, weitergehen können. Besonders
sehen wir das bei den Jugendlichen, die genauso zahlreich wie vorher hierher kommen,
im Gebt dabei sind, mit einer vielleicht noch größeren Intensität als zuvor. Es bewahrheitet
sich, dass frère Roger nicht auf sich selbst gezeigt hat, sondern wie Johannes der
Täufer auf Christus, auf die Gegenwart Gottes gezeigt hat und dass er sich selbst
– und so war es ja in den letzten Jahren – auch immer mehr zurückgenommen hat, um
den Platz für die Gegenwart und die Gemeinschaft mit Christus freizuhalten. Das bewahrheitet
sich jetzt, und wir sind sehr dankbar dafür.“
Vielen Menschen bedeutete
fr. Roger sehr viel! Spüren Sie das noch in Taizé?
„Ja. Vor allem war
das Verhältnis oft sehr persönlich, dass Menschen in ihm nicht nur ein Beispiel oder
ein Modell sahen, sondern dass er ihnen in einer bestimmten Situation geholfen hat
durch unzählige persönliche Begegnungen. Frère Roger ist stundenlang in der Kirche
geblieben nach dem Abendgebet, um allen, die es wollten, einen Augenblick persönlich
zu begegnen. In diesen persönlichen Begegnungen ist sehr viel geschehen. Natürlich
auch durch die Schriften, die Texte und die vielen Gebete.“
Frère Roger
hat Taizé als ökumenische Gemeinschaft gegründet, er selber kam aus der reformierten
Tradition. Ökumene ist aber nicht immer einfach. Was ist in diesem Zusammenhang ihr
Anliegen?
„Von Anfang an wollte frère Roger eine ökumenische Communauté
gründen. Der Schritt, eine monastische Gemeinschaft zu gründen, war bereits ein Schritt
über die Konfession der reformierten Kirche hinaus, das gab es seit der Reformation
nicht mehr. Insofern war von Anfang an der Samen für eine ökumenische Dimension gelegt.
Das hat sich immer auf verschiedene Weisen ausgedrückt. Während des Vatikanischen
Konzils war frère Roger als Beobachter dabei, es gab damals viele theologische Dialoge
und dann immer mehr die Aufmerksamkeit für die Jugendlichen. Frère Roger hat sehr
bald gemerkt, wie wichtig es ist, den Jugendlichen zuzuhören, dass wir auf ihre existenziellen
Fragen eingehen. Jetzt haben wir hier Jugendliche aus den verschiedenen Kirchen und
christlichen Gemeinschaften. Es sind sehr viele orthodoxe Jugendliche hier, aus Rumänien,
aus der Ukraine, aus Russland und natürlich auch sehr viele Katholiken, aus Polen,
Italien. Aus Deutschland sind Katholiken und Protestanten hier. Drei Mal am Tag können
wir zu einem einfachen Gebet zusammenkommen, und das ist für uns der Beitrag, den
wir für die Ökumene leisten wollen und können.“
Die nächsten Jugendtreffen
finden in Cochabamba (Bolivien) und in Genf (Schweiz) statt. Welches Signal erhoffen
Sie sich von diesen Treffen?
„In Cochabamba hoffen wir, dass die Lebendigkeit
der Kirche zum Ausdruck kommt und dass die Kirche eine Kraft zur Versöhnung ist. Das
ist im Augenblick so wichtig für Bolivien und Südamerika. Wir hoffen, dass dieses
Treffen ein kleiner Beitrag dazu ist. Dass Christen deutlich machen, dass sie sich
für die Versöhnung in der Gesellschaft einsetzen können. Bei dem europäischen Treffen
am Jahresende in Genf wird es sicher stärker um die Frage gehen, was den Jugendlichen
heute Hoffnung gibt, in einer Gesellschaft, die scheinbar alles hat, aber in der auch
sehr viele auf der Suche nach Orientierung sind, nach einem Sinn in ihrem Leben. Das
wird wichtig werden für das Treffen in Genf.“
Fehlt Ihnen Frère Roger
nicht?
„Natürlich fehlt er uns, aber gleichzeitig sind wir dankbar,
dass er uns so viel gegeben hat. Dass er das gemeinsame Leben auch unsere Kommunität
sehr stark geprägt hat. Er wollte immer, dass wir mit möglichst wenigen Strukturen
als Kommunität leben. Es braucht einige grundlegende Strukturen, eine Regel, die er
geschrieben hat, die regelmäßigen Gebetszeiten. Für ein monastisches Leben ist das
wichtig, aber letztlich wollte er immer, dass unsere Gemeinschaft immer auf der brüderlichen
Liebe basierte. Das ist eine große Herausforderung, die wir sehr gerne immer wieder
neu annehmen.“