2007-07-30 17:49:56

Dossier: China nach dem Papstbrief


RealAudioMP3 Am Pfingstsonntag – also vor genau einem Monat - hat Papst Benedikt XVI. einen Brief an Chinas Katholiken geschrieben – und bis heute wartet der Vatikan auf eine Reaktion. Nicht von den Katholiken, sondern vom Pekinger Regime. Denn die Antwort der Katholiken in China ist längst da. Das berichtet Raphaela Schmid, Leiterin des Becket-Instituts für Religionsfreiheit, im Gespräch mit Stefan Kempis.


Ich bin im Kontakt mit chinesischen Katholiken sowohl der Untergrund- als auch der offenen Kirche, und es ist schon bewegend, aus der Ferne mitzubekommen, wie begeistert die chinesischen Katholiken sind, dass der Papst sich direkt an sie gewandt hat, und wie wichtig es ist, so ein Papier zu haben, dessen Öffentlichkeitscharakter es einfacher macht für alle Katholiken Chinas, mit der Regierung zu verhandeln.

Warum macht dieser Brief den Katholiken das Leben einfacher? Benedikt hat ja an die Katholiken geschrieben und nicht an das chinesische Regime…

Ich glaube, das war besonders gut durchdacht, da es sich beim Heiligen Vater ja nicht um eine politische Gestalt handelt, sondern wirklich um den Vater der Katholiken – und so kümmert er sich dort um seine Herde, in der es Schwierigkeiten gibt. Er fängt deshalb auch mit einem Paulusbrief-Zitat an, das zeigt, dass diese Art des Kommunizierens ja ganz früh schon in der Kirchengeschichte angefangen hat.
Eine Sache, die Kardinal Zen von Hongkong auch betont hat, ist: Dieser Brief wird es viel einfacher machen, um die Patriotische Vereinigung herumzukommen, wenn man als katholische Kirche in China jetzt mit der Regierung verhandeln will. Denn die Patriotische Vereinigung hat sich ja als Mittelsmann positioniert; Liu Bainian, der Vizepräsident, aber de facto der Chef dieser Organisation, war eigentlich immer der Vermittler, der der Regierung gegenüber die Position der Kirche dargestellt hat. Nun gibt`s aber dieses Papier des Papstes, und es verhindert, dass man es neu darstellt oder umschreibt und sagt: Die eigentliche katholische Position ist eine andere, und man kann hier Kompromisse machen usw….
Die Rhetorik der Patriotischen Vereinigung war immer schon, zu sagen: Wir haben ja gar kein Problem mit dem Papst – der Papst hat Probleme mit uns, denn solange die Katholiken in China genau das tun, was wir wollen, dann haben wir kein Problem damit, den päpstlichen Primat anzuerkennen. Diese Rhetorik gab es schon immer, und ich sehe das, was Liu Bainian jetzt sagt, in Kontinuität mit dieser Rhetorik.
Eines der Probleme sind Bischofsweihen. Was im Ausland kaum bekannt ist: Es gibt schon einige Kandidaten, die von Rom approbiert sind und von der offiziellen Kirche gewählt, die jetzt aber wegen Verzögerungstaktiken der Patriotischen Vereinigung und des Religionsbüros einfach nicht geweiht werden. Die sitzen da und warten!

Bischofsweihen bleiben ja wohl auch ein dorniges Problem, das dieses Vatikan-Papier nicht einfach aus der Welt schaffen kann. Das merkt man an der verhalten-zweckoptimistischen Reaktion von Kardinalstaatssekretär Bertone auf die Nachricht, dass in Peking ein neuer Bischof von der Regierung ernannt worden sei…

Eine Sache, die der Kardinalstaatssekretär nicht sagen kann, ist die, dass wir Berichte haben, dass natürlich dieser Kandidat in Peking schon längst auf einer Liste stand, die vom Vatikan auch vorher schon approbiert wurde. Doch in dieser Kompromisslösung wird vieles stillschweigend hingenommen, damit jede Seite sich so darstellen kann, dass sie die Eigentlichen sind, die die Wahl vornehmen. Denn man kann jetzt nicht einfach sagen: In China, da suchen wir schon längst die Bischöfe aus! Das würde die Pekinger Regierung provozieren.

Das würde aber doch heißen: Der Vatikan ist untergründig schon viel weiter, als nach außen sichtbar ist – oder?

Man will da natürlich immer vorsichtig sein, denn erstens kann sich in China alles von einem auf den anderen Tag ändern, und zweitens wissen nur ganz wenige Menschen genau Bescheid. Aber es scheint schon so, als hätte der Vatikan einen deutlichen Vorteil, denn in der offiziellen, in der offenen Kirche Chinas gibt es eine ganz deutliche Bewegung an der Basis. Die Menschen wollen die Vereinigung mit Rom – und es sind viele. Die offizielle Kirche wird immer kleiner im Vergleich zur offenen Kirche, der sich auch die Untergrundkatholiken sozusagen, die sich jetzt mit immer größeren Freiheiten in diese Richtung hin bewegen, anschließen.
Es gibt übrigens einen interessanten Altersunterschied: Bischöfe in China sind entweder sehr alt oder sehr jung, denn durch die Kulturrevolution gibt es sozusagen die Baby-boomer-Bischöfe nicht. Die jungen Bischöfe sind alle um die vierzig, die alten sind alle um die neunzig, der Rest ist entweder im Gefängnis gestorben oder wurde nie geweiht, denn während der Kulturrevolution bis Anfang der achtziger Jahre konnte man ja auch gar keine Seminare haben usw…

Kommen wir mal zu den Begriffen: Untergrund – viele reden gar nicht mehr von Untergrundkirche, sondern sagen „nicht in der Patriotischen Vereinigung organisierte Katholiken“ o.ä.; und dann die offene Kirche – wer ist wer?

Da gibt es verschiedene Schattierungen. Die Untergrundkirche war die, die durch die Gründung der Patriotischen Vereinigung und durch die von dieser ausgeübten Kontrolle in den Untergrund gezwungen wurde. Die Regierung weiß natürlich ganz genau, wer die Untergrund-Bischöfe sind; die werden dauernd überwacht, werden regelmäßig festgenommen und werden wirklich schikaniert. Wie schlimm das ist, das ist regional verschieden.

Und wer ist die offene Kirche?

Die offene Kirche ist die, die man jetzt sozusagen als die sichtbare Kirche bezeichnet. Der Versuch, eine neue Terminologie zu verwenden, hängt damit zusammen, dass, wenn wir offizielle Kirche sagten, wir immer von denen sprachen, die von der Patriotischen Vereinigung kontrolliert wurden. Jetzt gibt es aber inzwischen diese Entwicklung, dass die Patriotische Vereinigung weniger wichtig wird und nicht mehr so große Kontrolle hat. Von den ungefähr zwölf bis fünfzehn Millionen Katholiken in China sind nur fünf Millionen von der Patriotischen Vereinigung direkt kontrolliert. Die anderen sind jetzt nicht unbedingt im Untergrund… Wenn es in Shanghai einen jungen (Weih-) Bischof gibt, der nicht der Patriotischen Vereinigung beigetreten ist und der ganz romtreu sein will – dann wäre es nicht mehr richtig, ihn als der offiziellen Kirche zugehörig zu bezeichnen, und deswegen sprechen wir von der offenen Kirche, die sichtbar ist, und mit diesem Begriff versuchen wir auch, den immer sichtbarer werdenden Untergrund, wo das möglich ist, einzubeziehen.

Schauen wir zum Schluss noch einmal auf dieses Schachbrett Peking-Vatikan: Was wären die nächsten Züge, um zu einer Einigung und irgendwann mal zu diplomatischen Beziehungen zu kommen?

Das bleibende Problem, das für eine endgültige Lösung wohl aus dem Weg geschafft werden muss, ist die Patriotische Vereinigung. Das ist nicht nur ein katholisches Problem, denn alle fünf offiziell eingetragenen Religionsgemeinschaften Chinas haben eine solche Patriotische Vereinigung, die sie kontrolliert, und diese Vereinigung wird von den meisten Gläubigen als sehr problematisch angesehen.
Auf lokaler Ebene sind Regierungsbeamte oft gar nicht so interessiert daran, die Kirche zu kontrollieren - der Aufwand ist sehr groß, und wenn die keine Schwierigkeiten machen, braucht man sich doch nicht darüber aufzuregen, wer wo in die Kirche geht. Dagegen ist die Patriotische Vereinigung natürlich sehr daran interessiert, volle Kontrolle zu behalten. Zunächst einmal hat sie ein finanzielles Interesse: Man hat alles konfisziert, was jemals der Kirche gehört hat, und es handelt sich da angeblich um 13 Billionen Yuan - das ist nicht gerade wenig. Und die Patriotische Vereinigung ist auch eine riesige Bürokratie: Sie hat 3.000 leitende Beamte und viele Mitarbeiter.
Sie hat einen Selbsterhaltungsdrang als Organisation. Für die ist es natürlich wichtig, weiterhin eine Rolle zu spielen. Für die Regierung hingegen ist es manchmal von viel größerem Interesse, lokal den Frieden herzustellen.

Raphaela Schmid lehrt Philosophie an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom. Die Leiterin des Becket-Instituts für Religionsfreiheit kennt die chinesische Kirche gut.








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