2007-07-27 15:08:56

Vatikan: Georg Gänswein spricht


RealAudioMP3 Papst Benedikts Regensburger Rede war „prophetisch“ – das denkt Georg Gänswein, der Privatsekretär des Papstes. Er äußerte sich in einem Interview im heute erschienenen Magazin der „Süddeutschen Zeitung“. Hier eine Zusammenfassung des Gespräches, das um den Arbeitsstil und die Freizeit Papst Benedikts, den Zustand der Kirche, Indiskretionen an der Kurie, Gänsweins Lebensweg und anderes mehr kreiste.

Papst Benedikts Rede in Regensburg sollte „einer bestimmten Blauäugigkeit entgegenwirken“, sagte Gänswein. Die Islamisierungsversuche im Westen seien „nicht wegzureden“; Europa dürfe die Gefahr nicht ignorieren, die davon ausginge. Der Papstsekretär erinnerte daran, „dass es den Islam nicht gibt, und er kennt auch keine alle Muslime verpflichtend-bindende Stimme.“ Unter dem Begriff Islam versammelten sich „viele, unterschiedliche, teils untereinander verfeindete Strömungen, „bis hin zu Extremisten, die sich bei ihrem Tun auf den Koran berufen und mit dem Gewehr zu Werke gehen“. Der Heilige Stuhl versuche, durch seinen Päpstlichen Rat für den interreligiösen Dialog Kontakte zu knüpfen und Gespräche zu führen. Benedikts Regensburger Rede vom September 2006 hatte in der muslimischen Welt zunächst Proteste ausgelöst, weil der Papst darin einen Kritiker des Propheten Mohammed zitierte. Von den harschen Reaktionen, die sich auf eine stark verkürzende Berichterstattung bezogen, sei Benedikt überrascht gewesen.
Das Pontifikat Benedikts könne das Bewusstsein bringen, dass der katholische Glaube „etwas Großes ist, ein Geschenk Gottes, das aber nicht aufgezwungen wird, sondern freiwillig angenommen werden will“, fuhr Gänswein fort. Das Religiöse genieße gegenwärtig mehr Aufmerksamkeit als in den Jahren zuvor. „Ich sehe, dass gerade viele jungen Menschen, die eigentlich alles haben oder haben könnten, merken: Man kann eigentlich alles, man kann sogar die Welt zerstören – aber man kann die Seele nicht gewinnen, wenn das Wesentliche fehlt.“ Die katholische Kirche habe Schätze zu bieten, die sonst niemand zu bieten habe, „Größeres und Dauerhafteres als alle politischen Heilungsangebote“.
Gänswein, der aus dem Dorf Riedern im Schwarzwald stammt und am Montag 51 Jahre alt wird, ließ sich von dem Journalisten Peter Seewald auch Privates entlocken. Als Teenager habe er Cat Stevens, Pink Floyd und die Beatles gehört und mit seinem Vater „Zoff“ wegen seines „ziemlich langen Lockenschopfes“ gehabt. Später habe er, um sich das Theologiestudium zu finanzieren, als Landbriefträger gejobbt, erst mit dem Fahrrad, dann mit dem Auto. Mehr als Politik habe ihn damals Fußball und Skifahren interessiert.
Papst Benedikt sei ein „straffer und schneller Arbeiter“, unter ihm werde im Vatikan nicht weniger gearbeitet, sondern konzentrierter, gab Gänswein zu Protokoll. Er deutete auch einen weiteren Umbau der Kurie an. Es sei „ein offenes Geheimnis, dass Papst Johannes Paul II. sich nicht sehr um die Kurie gekümmert habe. Benedikt hingegen kenne den Apparat wie kaum ein zweiter. Als „Schwachstelle“ der Kurie benannte Gänswein die Indiskretion. In Bezug auf Ernennungen oder disziplinäre Maßnahmen gebe es „immer wieder poröse Stellen“, was nicht bloß ärgerlich sein, sondern auch die Gefahr der Einflussnahme von außen mit sich bringe.
Die päpstliche Familie im apostolischen Palast sei „eine frohe internationale Wohngemeinschaft“ mit zwei Sekretären und vier Italienerinnen der Gemeinschaft „Comunione e Liberazione“; „WG-Sprache ist Italienisch, der Papst ist schließlich Bischof von Rom.“ Auch zu Hause trage Benedikt stets Weiß, „selbst beim Fernsehen“, fügt die Süddeutsche hinzu. Das vom Leibarzt verordnete Trimmrad stehe „brav zum Benutzwerden bereit“, in anderen Worten: wird nicht eben fleißig betreten.
Eine besondere Einweisung für sein Amt als päpstlicher Privatsekretär hat Don Giorgio, wie Italiener ihn nennen, nicht erhalten, abgesehen von einem kurzen Vieraugengespräch mit seinem Vorgänger Stanislaw Dziwisz. „Der Papst darf von nichts und niemanden erdrückt werden. Wie das geht, musst du selbst herausfinden“, habe der ihm gesagt. Dass er den Papst zu sehr abschirme, ließ Gänswein nicht gelten. „Geduld ist nicht meine Stärke“, zeigte sich der Sekretär allerdings auch selbstkritisch. „Manchmal fahre ich ziemlich nah auf, das kann irritieren.“
(Süddeutsche, 27.07.2007 gs)








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