Papst Benedikts Regensburger
Rede war „prophetisch“ – das denkt Georg Gänswein, der Privatsekretär des Papstes.
Er äußerte sich in einem Interview im heute erschienenen Magazin der „Süddeutschen
Zeitung“. Hier eine Zusammenfassung des Gespräches, das um den Arbeitsstil und die
Freizeit Papst Benedikts, den Zustand der Kirche, Indiskretionen an der Kurie, Gänsweins
Lebensweg und anderes mehr kreiste.
Papst Benedikts Rede in Regensburg sollte
„einer bestimmten Blauäugigkeit entgegenwirken“, sagte Gänswein. Die Islamisierungsversuche
im Westen seien „nicht wegzureden“; Europa dürfe die Gefahr nicht ignorieren, die
davon ausginge. Der Papstsekretär erinnerte daran, „dass es den Islam nicht
gibt, und er kennt auch keine alle Muslime verpflichtend-bindende Stimme.“ Unter dem
Begriff Islam versammelten sich „viele, unterschiedliche, teils untereinander verfeindete
Strömungen, „bis hin zu Extremisten, die sich bei ihrem Tun auf den Koran berufen
und mit dem Gewehr zu Werke gehen“. Der Heilige Stuhl versuche, durch seinen Päpstlichen
Rat für den interreligiösen Dialog Kontakte zu knüpfen und Gespräche zu führen. Benedikts
Regensburger Rede vom September 2006 hatte in der muslimischen Welt zunächst Proteste
ausgelöst, weil der Papst darin einen Kritiker des Propheten Mohammed zitierte. Von
den harschen Reaktionen, die sich auf eine stark verkürzende Berichterstattung bezogen,
sei Benedikt überrascht gewesen. Das Pontifikat Benedikts könne das Bewusstsein
bringen, dass der katholische Glaube „etwas Großes ist, ein Geschenk Gottes, das aber
nicht aufgezwungen wird, sondern freiwillig angenommen werden will“, fuhr Gänswein
fort. Das Religiöse genieße gegenwärtig mehr Aufmerksamkeit als in den Jahren zuvor.
„Ich sehe, dass gerade viele jungen Menschen, die eigentlich alles haben oder haben
könnten, merken: Man kann eigentlich alles, man kann sogar die Welt zerstören – aber
man kann die Seele nicht gewinnen, wenn das Wesentliche fehlt.“ Die katholische Kirche
habe Schätze zu bieten, die sonst niemand zu bieten habe, „Größeres und Dauerhafteres
als alle politischen Heilungsangebote“. Gänswein, der aus dem Dorf Riedern im
Schwarzwald stammt und am Montag 51 Jahre alt wird, ließ sich von dem Journalisten
Peter Seewald auch Privates entlocken. Als Teenager habe er Cat Stevens, Pink Floyd
und die Beatles gehört und mit seinem Vater „Zoff“ wegen seines „ziemlich langen Lockenschopfes“
gehabt. Später habe er, um sich das Theologiestudium zu finanzieren, als Landbriefträger
gejobbt, erst mit dem Fahrrad, dann mit dem Auto. Mehr als Politik habe ihn damals
Fußball und Skifahren interessiert. Papst Benedikt sei ein „straffer und schneller
Arbeiter“, unter ihm werde im Vatikan nicht weniger gearbeitet, sondern konzentrierter,
gab Gänswein zu Protokoll. Er deutete auch einen weiteren Umbau der Kurie an. Es sei
„ein offenes Geheimnis, dass Papst Johannes Paul II. sich nicht sehr um die Kurie
gekümmert habe. Benedikt hingegen kenne den Apparat wie kaum ein zweiter. Als „Schwachstelle“
der Kurie benannte Gänswein die Indiskretion. In Bezug auf Ernennungen oder disziplinäre
Maßnahmen gebe es „immer wieder poröse Stellen“, was nicht bloß ärgerlich sein, sondern
auch die Gefahr der Einflussnahme von außen mit sich bringe. Die päpstliche Familie
im apostolischen Palast sei „eine frohe internationale Wohngemeinschaft“ mit zwei
Sekretären und vier Italienerinnen der Gemeinschaft „Comunione e Liberazione“; „WG-Sprache
ist Italienisch, der Papst ist schließlich Bischof von Rom.“ Auch zu Hause trage Benedikt
stets Weiß, „selbst beim Fernsehen“, fügt die Süddeutsche hinzu. Das vom Leibarzt
verordnete Trimmrad stehe „brav zum Benutzwerden bereit“, in anderen Worten: wird
nicht eben fleißig betreten. Eine besondere Einweisung für sein Amt als päpstlicher
Privatsekretär hat Don Giorgio, wie Italiener ihn nennen, nicht erhalten, abgesehen
von einem kurzen Vieraugengespräch mit seinem Vorgänger Stanislaw Dziwisz. „Der Papst
darf von nichts und niemanden erdrückt werden. Wie das geht, musst du selbst herausfinden“,
habe der ihm gesagt. Dass er den Papst zu sehr abschirme, ließ Gänswein nicht gelten.
„Geduld ist nicht meine Stärke“, zeigte sich der Sekretär allerdings auch selbstkritisch.
„Manchmal fahre ich ziemlich nah auf, das kann irritieren.“ (Süddeutsche, 27.07.2007
gs)