2007-07-27 12:56:15

Vatikan: Einheitsrat, "Durchaus positive Reaktionen auf Kirchendokument"


RealAudioMP3 Das Papier der Glaubenskongregation zum Kirchenverständnis hat – wenigstens in Deutschland – für große Unruhe unter den Protestanten gesorgt. Viele halten es für einen Rückschritt in der Ökumene, andere für eine hilfreiche Verdeutlichung der bestehenden Lehre der katholischen Kirche. Der Präsident des Päpstlichen Rats für die Einheit der Christen, Kardinal Walter Kasper, hat in einer eigenen Stellungnahme die Erklärung als Einladung zum Dialog definiert.
Matthias Türk ist im Einheitsrat für die Beziehung zu den kirchlichen Gemeinschaften im protestantischen Spektrum zuständig. Wir haben mit ihm gesprochen.

    Vor zwei Wochen ist das Papier der Glaubenskongregation veröffentlicht worden. Wie ist nach Ihrem Eindruck das Papier auf evangelischer Seite aufgenommen worden?


Neben raschen ersten Reaktionen, die vor allem im deutschen Sprachraum zu Enttäuschungen und Irritationen geführt haben, gibt es nachdenkliche und weitaus positivere Reaktionen vor allem aus dem englischsprachigen Raum, die das Papier als Anstoß zu wichtigen weiteren ökumenischen Klärungen verstanden haben.

    Was ist vor allem kritisiert worden?


Grundlage aller Kritik ist letztlich die Interpretation der Aussagen des II. Vatikanischen Konzils, dass dort, wo das historische Bischofsamt in apostolischer Sukzession und die volle Bewahrung des eucharistischen Mysteriums fehlt, nicht von Kirche im eigentlichen Sinn gesprochen werden kann.

    Ist es richtig verstanden worden?


Das Dokument sagt nicht, die evangelischen Kirchen seien keine Kirchen, sondern sie seien keine Kirchen im eigentlichen Sinn, das heißt, wie Kardinal Kasper es ausgedrückt hat, „sie sind nicht in dem Sinn Kirchen, wie die katholische Kirche sich als Kirche versteht“.

    Warum waren die Reaktionen so heftig?


Hinter der Kritik steht m. E. die Tatsache, dass sich die evangelische Seite klar werden muss, dass sie die theologischen aber auch strukturellen und institutionellen Inhalte, die zur vollen, sichtbaren Einheit der Kirche gehören, also die Übereinstimmung im Glaubensbekenntnis, im sakramentalen Leben und in der Frage des kirchlichen Amtes ernst nehmen muss und nicht einfach herunterspielen darf mit Verweis auf ihre eigenen reformatorischen Prinzipien.

    Gibt es einen Unterschied zwischen den Reaktionen in Deutschland und auf internationaler Ebene?


Weitaus positivere Rückmeldungen kenne ich von der evangelisch-lutherischen Kirche in den U.S.A., von methodistischer und anglikanischer Seite.

    Wenn ja, wie sehen diese aus!


Der leitende Bischof der Lutheraner in den USA, Mark Hanson, der auch Präsident des Lutherischen Weltbundes ist, stellt klar, dass das Papier die Aussage des Konzils, dass die getrennten Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften vom Heiligen Geist als Mittel des Heils gebraucht werden, keinesfalls schmälert und ruft dazu auf, die bestehenden Fragen ökumenisch intensiv im Geist der Geschwisterlichkeit und des Gebetes anzugehen.

Auch der methodistische Ökumeneexperte Geoffrey Wainwright (England) nimmt das Papier zum Anlass, über die Fragen: „Was ist die Kirche?“ und „Wo ist sie zu finden?“ ökumenisch intensiver nachzudenken und verurteilt die Negativauslese in vielen Pressemeldungen zum Papier.

Die Vereinigte Methodistische Kirche in den USA erklärt, dass sie in diesem Papier nichts Neues oder radikal Unterschiedliches zur klassischen röm.-kath. Lehre von der Kirche findet. Sie beeilt sich, in ihrer Reaktion auf den Text die bereits ökumenisch erreichte Gemeinschaft zwischen Methodisten und Katholiken ins Gedächtnis zu rufen und freut sich auf die Fortsetzung des ökumenischen Dialogs mit der katholischen Kirche.

Auch der anglikanische Ökumeneexperte Bischof John Baycroft schätzt das Dokument als eher hilfreich ein, weil es den katholischen Ansatz für den ökumenischen Dialog verdeutlichen kann, besonders auch was das Einheitsamt des Papstes für die Universalkirche betrifft.

    Was ist Ihrer Meinung nach das eigentliche Ziel des Papiers?


Wie sein Titel sagt, hat es sich zur Aufgabe gestellt, „Antworten auf Fragen zu einigen Aspekten bezüglich der Lehre über die Kirche“ zu geben. Es will also zu einem vertieften Verständnis über das, was die Kirche ist, beitragen und bestimmte theologische Abweichungen und Ungenauigkeiten richtig stellen. Das ist zunächst eine Reaktion auf innerkatholische theologische Probleme, die natürlich auch ökumenisch relevant sind, wie der gesamte Inhalt der Glaubenslehre.

    Warum wurde es jetzt veröffentlicht?


Weil ein solches Papier theologisch sorgfältig besprochen werden muss, und jetzt zu seinem Abschluss gebracht werden konnte.

    Wie sollte es verstanden werden?


Ich verstehe es als Aufruf zu einem vertieften theologischen Bemühen um den Kirchenbegriff in der kath. Kirche und in der Ökumene. Theologische Ökumene und Gemeindeökumene lassen sich einfach nicht so leicht auseinander dividieren, wie es in schnellen Kommentaren leider oft der Fall ist. Wer sich vorschnell in der Ökumene über die grundlegenden Glaubensinhalte hinwegsetzt, läuft letztlich ins Leere und erreicht das Gegenteil.

    Wie müsste zum gegenwärtigen Moment ökumenisch weitergegangen werden?


Im Vatikan gibt es derzeit – vor allem wenn man dabei an den evangelisch-katholischen Dialog denkt – eine besondere personelle Konstellation. Beide, der Papst und der Präsident des Einheitsrates sind Theologen aus Deutschland, dem „Land der Reformation“. Beide sind mit der evangelischen Theologie und Kirche eng vertraut und kennen viele ihrer Leiter und Vertreter aus persönlicher Nähe. Beide haben auch durch ihren ganz persönlichen Einsatz diesem Dialog nachhaltige Impulse gegeben. Darf man da nicht hoffen, dass diese besondere personale Konstellation nicht verstreicht, ohne dem Dialog zwischen katholischer und evangelischer Kirche neue Impulse zu geben? Ist es gar eine neue geschichtliche Chance, etwas wie ein neuer „Kairos“ für die Ökumene, der hilft, Dialogmüdigkeit und Konfessionsverdrossenheit zu überwinden und den Dialog ebenso beharrlich wie zuversichtlich fortzusetzen?

    Was sind die entscheidenden theologischen Fragen, die jetzt in der Ökumene anstehen?


Sieht man auf den Ertrag der Dialoge, so kann man ohne Zögern sagen: In den vergangenen Jahrzehnten haben Katholiken und Lutheraner mehr an Gemeinsamkeit erreicht, als in den fünf Jahrhunderten vorher seit der Reformation. Gewiss gilt ebenso, dass dem ökumenischen Dialog und überhaupt der ökumenischen Bewegung eine geschichtliche Unumkehrbarkeit zukommt.
Wir täten gut, uns des nachkonziliaren Beginns und der ersten Jahrzehnte des evangelisch/katholischen Dialogs zu erinnern. Dieser Dialog war damals ganz entscheidend getragen von einem Indikativ: der tiefen Überzeugung, dass zwischen den Kirchen das Gemeinsame größer ist und tiefer reicht als das Trennende. Dieser ökumenische Indikativ muss die Grundlage unserer Bemühungen bleiben, denn er trifft auf jede einzelne der kirchentrennenden Streitfragen zu. Gleichgültig, welcher Kontroversfrage man sich auch zuwendet – ob der Abendmahlsfrage, dem Amtsproblem, dem Kirchenverständnis, der Mariologie oder selbst der Papstfrage -, stets zeigt es sich, dass es in jeder dieser Fragen eine Tiefenschicht an Gemeinsamen gibt, die allem Streit vorausliegt und so „extra controversiam“ bleibt.
Die einzig sachgemäße Erörterung der Kontroversfragen muss also beim ökumenischen Indikativ, das heißt, bei den schon gegebenen Gemeinsamkeiten einsetzen, und von dort her weiterführen zur Prüfung der Verschiedenheiten und ihrer „Versöhnbarkeit“.
Von daher geht es zum gegenwärtigen Zeitpunkt vor allem um die Frage des Amtsverständnisses und des diesem zugrunde liegendem Kirchenverständnisses, wie es ja auch die Reaktionen auf das neue Papier gezeigt haben.

    Was wäre jetzt der falsche Weg? Wovor warnen Sie?


Erstens muss der Dialog in jedem Fall versachlicht werden. Es ist niemandem zu unterstellen, dass er sich nicht nach Kräften für die Wiedererlangung der verlorenen kirchlichen Einheit einsetzen wollte. Für uns Katholiken heißt das: Katholisch sein heißt ökumenisch sein, wie es schon Papst Johannes Paul II. prägnant formuliert hat.
Zweitens gibt es eine Reihe von Konsensdokumenten, die noch keineswegs ausreichend zur Kenntnis genommen worden sind. Ohne aber eine verbindliche Vergewisserung des schon Erreichten wird es kaum zu einer sinn- und verheißungsvollen Fortführung der Ökumene kommen.

    Was empfehlen Sie ökumenisch engagierten Christen in den Gemeinden vor Ort?


Der beste Ökumeniker ist der, der seinen eigenen Glauben gut kennt und ihn dann zusammen mit den anderen Christen praktiziert. Wer vorschnell Meinungen von sich gibt oder übernimmt, ohne das Warum der Sache genauer zu kennen, tut zu wenig und schadet letztlich der Ökumene.
In der Gemeinde sollten die Seelsorger Glaubenswissen und ökumenisches Wissen engagiert an die Gläubigen weitergeben. Das setzt natürlich die eigene Information und Weiterbildung des Seelsorgers voraus.
Dann sind über das liturgische Jahr hin viele gemeinsame ökumenische Gebetstreffen und Initiativen möglich, von der Weltgebetswoche für die Einheit der Christen bis hin zum ökumenischen Kreuzweg der Jugend, die, wo sie einen Platz im Leben der Gemeinden gefunden haben, bereits fest im Glaubensleben verwurzelt sind.
So wächst ökumenische Gemeinschaft „von unten“ und „von oben“, von den Menschen und von Gott her, von den Theologen und von den Betern her. Alle gehören zusammen, und jeder kann einen eigenen unverzichtbaren Beitrag dazu leisten.

Das Interview führte P. Max Cappabianca OP


















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