Wir dokumentieren die Predigt Papst Benedikt XVI. zum Hochfest Peter und Paul heute
Morgen im Petersdom in einer eigenen Übersetzung.
Liebe Schwestern und Brüder,
gestern Nachmittag war ich in der Basilika Sankt Paul vor den Mauern,
wo ich die erste Vesper des heutigen Hochfests Petrus und Paulus gefeiert habe. Am
Grab des Völkerapostels habe ich seiner gedacht und das „Paulusjahr“ angekündigt,
das aus Anlass seiner Geburt vor 2000 Jahren vom 28. Juni 2008 bis 29. Juni 2009 stattfinden
wird. Heute früh hingegen sind wir traditionsgemäß am Grab des Heiligen Petrus versammelt.
Es sind zugegen die Metropolitan-Erzbischöfe, die im Laufe des letzten Jahres ernannt
worden sind, um das Pallium zu erhalten; an sie richte ich einen besonderen Gruß.
Ebenso ist eine vom ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel Bartholomaios I. entsandte
herausragende Delegation anwesend, die ich mit herzlicher Dankbarkeit empfange, eingedenk
des vergangenen 30. November, als ich in Istanbul - Konstantinopel - zum Fest des
Heiligen Andreas war. Ich grüße den griechisch-orthodoxen Metropoliten von Frankreich,
Emmanuel, den Metropoliten von Sassima, Gennadio, und den Diakon Andreas. Seien Sie
herzlich willkommen, liebe Brüder. Der gegenseitige Besuch ist jedes Jahr ein Zeichen
für den Willen sowohl des ökumenischen Patriarchen, als auch des Bischofs von Rom,
die volle Einheit zu suchen.
Das heutige Fest gibt mir Gelegenheit, noch einmal
über das Petrusbekenntnis zu meditieren, einem entscheidenden Schritt auf dem Weg
der Jünger mit Jesus. Die synoptischen Evangelien siedeln es in der Nähe von Cäsarea
Philippi an (vgl. Mt 16,13-20; Mk 8,27-30; Lk 9,18-22). Johannes seinerseits bewahrt
eine anderes bedeutsames Petrusbekenntnis nach dem Brotwunder und der Rede Jesu in
der Synagoge von Kafarnaum (Joh 6,66-70). Matthäus erinnert in dem eben verlesenen
Text daran, dass Simon von Jesus den Beinamen Kephas, „Petrus“ erhält. Jesus betont,
dass er „auf diesen Stein“ seine Kirche bauen wolle, und mit Blick darauf gibt er
Petrus die Schlüsselgewalt (vgl. Mt 16.17-19). Aus diesen Erzählungen geht klar hervor,
dass das Petrusbekenntnis untrennbar mit dem ihm anvertrauten pastoralen Amt für die
Herde Christi zusammenhängt.
Gemäß allen Evangelisten geschieht das Bekenntnis
des Simon in einem entscheidenden Moment des Lebens Jesu, als er nach der Predigttätigkeit
in Galiläa sich entschlossen nach Jerusalem wendet, um mit seinem Tod am Kreuz und
der Auferstehung seine Heil bringende Mission zu vollenden. Die Jünger werden in diesen
Entschluss verwickelt: Jesus lädt sie ein, eine Wahl zu treffen, durch die sie sich
von der Menge unterscheiden, um die Gemeinschaft derer zu werden, die an Ihn glauben,
seine „Familie“, der Anfang der Kirche. In der Tat gibt es zwei Weisen, Jesus „zu
sehen“ und „kennenzulernen“: Die eine Weise – die der Menge – ist oberflächlicher,
die andere – die der Jünger – geht tiefer und ist authentischer. Mit der zweifachen
Frage „Was sagen die Leute?“ lädt Jesus die Jünger dazu ein, sich dieser unterschiedlichen
Perspektive bewusst zu werden. Die Leute denken, Jesus sei ein Prophet. Das ist nicht
falsch, aber es reicht nicht; es ist nicht angemessen. Es geht darum, in die Tiefe
vorzudringen, die Einzigartigkeit der Person Jesu von Nazareth anzuerkennen, seine
Neuheit. Auch heute ist dies so: Viele nähern sich Jesus sozusagen von außen. Große
Forscher sehen die spirituelle und moralische Bedeutung, den Einfluss auf die Geschichte
der Menschheit und vergleichen ihn mit Buddha, Konfuzius, Sokrates und anderen Weisen
und großen Persönlichkeiten der Geschichte. Aber sie kommen nicht soweit, ihn in seiner
Einzigartigkeit anzuerkennen. Das erinnert an das, was Jesus zu Philippus beim Letzen
Abendmahl sagt: „Schon so lange bin ich bei euch und du hast mich nicht erkannt, Philippus?“
(Joh 14,9). Jesus wird oft als einer der großen Religionsstifter angesehen, von denen
sich jeder etwas nehmen kann, um sich eine eigene Überzeugung zu bilden. Wie damals
so haben also auch heute die „Leute“ unterschiedliche Meinungen über Jesus. Und wie
damals wiederholt Jesus auch uns gegenüber, den Jüngern von heute, seine Frage: „Ihr
aber, für wen haltet ihr mich?“ Wir wollen uns die Antwort des Petrus zu Eigen machen.
Nach dem Markusevangelium sprach er: „Du bist der Messias!“ (Mk 8,29); bei Lukas heißt
es: „Der Messias Gottes.“ (Lk 9,20); bei Matthäus heißt es: „Du bist der Messias,
der Sohn des lebendigen Gottes!“ (Mt 16.16); und schließlich bei Johannes: „Du bist
der Heilige Gottes.“ (Joh 6,69). Es sind alles richtige Antworten, die auch für uns
Gültigkeit haben.
Bleiben wir beim Text des Matthäus, den uns die heutige
Liturgie vorstellt. Nach Meinung einiger Forscher setzt die Formel, die hier auftaucht,
einen nachösterlichen Kontext voraus, sie sei sogar an eine persönliche Erscheinung
des auferstandenen Jesus an Petrus gebunden; eine Erscheinung, die vergleichbar ist
mit der des Paulus auf dem Weg nach Damaskus. In Wahrheit ist die Aufgabe, die der
Herr dem Petrus überträgt, verwurzelt in der persönlichen Beziehung, die der historische
Jesus mit dem Fischer Simon seit der ersten Begegnung mit ihm hatte, als er sprach:
„Du bist Simon, … du sollst Kephas heißen. Kephas bedeutet: Fels (Petrus).“ (Joh 1,42)
Das unterstreicht der Evangelist Johannes, auch er ist Fischer und – zusammen mit
dem Bruder Jakobus – Gefährte der beiden Brüder Simon und Andreas. Der Jesus, der
nach seiner Auferstehung Saulus berief, ist derselbe, der – noch eingetaucht in die
Geschichte – sich nach seiner Taufe im Jordan den vier Fischerbrüdern zuwandte, die
damals noch Jünger des Täufers waren (vgl. Joh 1,35-42). Er suchte sie am Ufer des
Sees von Galiläa auf und berief sie zur Nachfolge, um „Menschenfischer“ zu sein. (Mk
1,16-20). Dem Petrus vertraute er eine besondere Aufgabe an und erkannte damit an,
dass der himmlische Vater ihm eine besondere Gabe des Glaubens gewährt hatte. All
dies wurde offensichtlich später von der österlichen Erfahrung erleuchtet, aber es
blieb doch fest verankert in den vorösterlichen historischen Fakten. Der Parallelismus
zwischen Petrus und Paulus ist beeindruckend, aber er kann nicht die Bedeutung des
historischen Wegs des Simon mit seinem Meister und Herrn schmälern, der ihm von Beginn
an die Eigenschaft zuerkannte, „Fels“ zu sein, auf dem er seine neue Gemeinschaft,
die Kirche, bauen wollte.
In den synoptischen Evangelien folgt dem Petrusbekenntnis
von Seiten Jesu immer die Ankündigung seiner bevorstehenden Passion. Eine Ankündigung,
auf die Petrus heftig reagiert, weil er noch nicht in der Lage ist zu verstehen. Gleichwohl
handelt es sich um ein fundamentales Element, deswegen besteht Jesus mit Nachdruck
darauf. Die ihm von Petrus zuerkannten Titel – du bist „der Messias“, „der Messias
Gottes“, „der Sohn des lebendigen Gottes“ – kann man gültig nur im Licht des Geheimnisses
seines Todes und Auferstehung verstehen. Und der Umkehrschluss ist ebenfalls wahr:
Das Ereignis des Kreuzes offenbart seinen vollen Sinn nur, wenn „dieser Mann“, der
am Kreuz gelitten und gestorben ist, „wahrhaft Sohn Gottes“ war, um die Worte des
Hauptmanns am Kreuz zu verwenden (Mk 15,39). Diese Texte drücken klar aus, dass die
Integrität des christlichen Glaubens vom Petrusbekenntnis her begründet ist; erleuchtet
von der Lehre Jesu über seinen „Weg“ hin zur Herrlichkeit, dass heißt über seine absolut
einigartige Weise, Messias und Sohn Gottes zu sein. Ein schmaler „Weg“, eine skandalöse
„Weise“ für die Jünger aller Zeiten, die unvermeidlicherweise dazu neigen, nach Menschenart
zu denken und nicht nach der Art Gottes. (vgl. 16,23), Wie schon zur Zeit Jesu, so
reicht es auch heute nicht, das richtige Glaubensbekenntnis zu besitzen: Es ist notwendig,
immer wieder neu vom Herrn die besondere Weise zu erlernen, in der er Heiland und
der Weg ist, auf dem wir ihm folgen sollen. Wir müssen in der Tat anerkennen, dass
es auch für den Gläubigen immer schwer ist, das Kreuz anzunehmen. Instinktiv neigen
wird dazu, ihm auszuweichen, und der Versucher bringt einen dazu zu denken, dass es
weiser ist, sich um das eigene Heil zu kümmern, als das eigene Leben aus Treue zur
Liebe zu verlieren.
Im Glaubensbekenntnis des Petrus, liebe Schwestern und
Brüder, sind wir in der Lage, uns eins zu fühlen und zu sein, trotz der Trennungen,
die im Laufe der Jahrhunderte die Einheit der Kirche verletzt haben mit Folgen, die
bis heute andauern. Im Namen der Heiligen Petrus und Paulus erneuern wir heute gemeinsam
mit unsern aus Konstantinopel gekommenen Brüdern – denen ich für die Teilnahme an
unserer Feier Dank sage – die Verpflichtung, bis in unser Innerstes die Sehnsucht
Jesu anzunehmen, der will, dass wir vollends geeint sind. Mit den konzelebrierenden
Erzbischöfen nehmen wir die Gabe und die Aufgabe an der Einheit zwischen den Metropolitansitzen
an, die ihrer pastoralen Sorgen anvertraut sind. Die Heilige Mutter Gottes möge uns
mit ihrem Beistand führen und begleiten; ihr untrüglicher Glaube, der den Glauben
des Petrus und der anderen Apostel stärkte, möge auch in Zukunft den Glauben der christlichen
Generationen erhalten. Königin der Apostel, bitte für uns!
Übersetzung von
P. Max Cappabianca OP. (rv 29.06.2007 mc)