2007-06-22 16:28:14

D: „Die Religionen und die Vernunft“
Herder-Verlag gibt einen Sammelband zur Regensburger Rede heraus


RealAudioMP3 Bald ist es ein Jahr her, dass Papst Benedikt seine berühmte Regensburger Vorlesung zum Thema „Glaube und Vernunft“ gehalten hat. Daraufhin bestimmte allem das islamkritische Zitat eines mittelalterlichen Kaisers die öffentliche Debatte, Unruhen in islamischen Ländern führten zu besonderen diplomatischen Initiativen des Vatikan. Darüber geriet das eigentliche Thema, nämlich „Glaube und Vernunft“ und der Ort der Theologie an der Universität ein wenig in Vergessenheit.
Nun hat der Herder-Verlag einen Sammelband herausgegeben, der die wichtigsten Beiträge zur Debatte versammelt. Herausgeber ist der Frankfurter Theologieprofessor Knut Wenzel. Lesen Sie hier den Beitrag von Max Cappabianca OP:


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Die Regensburger Rede vor allem als einen Angriff auf den Islam zu interpretieren, sei ein grobes Mißverständnis, so Wenzel. Der Papst habe aber auch nicht nur „versehentlich“ den Islam aber nicht hineingezogen:
"Ich glaube schon, das war schon ein bewusstes Zeichen, das gesetzt worden ist. Und es hat ja auch eine sehr interessante Wirkung gehabt, nämlich die, dass nach einem anfänglichen sehr heftigen Welle der Reaktionen in der muslimischen Welt dann etwas passiert ist, was man nur begrüßen kann, nämlich dass sich viele moderate Gelehrte und geistliche Führer im Islam auf der Bühne der Weltöffentlichkeit zu Wort gemeldet haben. Und zwar solche, mit denen auch ein interreligiöser Dialog geführt werden kann und auch geführt werden muss.“
Unter den Verfassern der Beiträge finden sich auch kritische Stimmen wie die des Philosophen Kurt Flasch:
„Kurt Flasch ist sicher ein begnadeter Polemiker… Worum es ihm geht ist zweierlei: Zum einen sagt er, wenn man anderen Religionen einen allzu unbedarften Umgang mit Gewalt vorwirft, muss man auch die eigene Geschichte in Betracht ziehen. Das haben andere auch gesagt und das ist ja durchaus richtig. Ich würde allerdings meinen, dass eine solche selbstkritische Perspektive in der Perspektive Papst Benedikts nicht ausgeschlossen ist, auch wenn sie hier nicht ausdrücklich thematisiert worden ist in der Vorlesung. Das andere ist der Umgang mit Kant, und da wird man zum einen etwas moderater sagen müssen, dass Papst Benedikt Kant falsch zitiert hat. Er hat auf ihn angespielt, er hat ihn paraphrasiert.“
Aber nicht nur die Frage nach dem Gewaltpotential des Christentums und der Umgang mit Kant wird diskutiert, auch die Interpretation der Geistesgeschichte und die Einordnung des Protestantismus, wie sie vom Papst vorgenommen wurde, ist auf Kritik gestoßen:
„Und darauf hat zum Beispiel Bischof Wolfgang Huber, der Vorsitzende der EKD, geantwortet, sehr differenziert und moderat. Er hat nachdrücklich gesagt, dass die protestantische Tradition sehr wohl eine enge Koalition von Vernunft und Glauben kennt und denkt. Das kann man natürlich noch weiter befragen und debattieren und Kardinal Walter Kasper hat darauf auch geantwortet und hat darauf hingewiesen, dass es auch in der protestantischen Tradition durchaus unterschiedliche Stellungnahmen zum Verhältnis von Glauben und Vernunft gibt.“
Über Glauben und Wissen und die Hoffnungslosigkeit der modernen Vernunft denkt der Philosoph Jürgen Habermas nach. Er begrüßt die Suche nach der Vernünftigkeit des Glaubens, wittert aber die Gefahr darin, dass in der Vorlesung die drei geistesgeschichtlichen Einschnitte Nominalismus, Historismus und Kants kritische Wende aus der Entstehungsgeschichte der „gemeinsamen Vernunft“ von Gläubigen, Ungläubigen und Andersgläubigen ausgeblendet wird.
Letztlich müsse die Regensburger Vorlesung vor allem als Plädoyer für die Theologie an der Universität gelesen werden, so Knut Wenzel:
„Papst Benedikt, dem man nicht nachsagen kann, dass er ein Modernist wäre, hat sich in diesem Text, in dieser Regensburger Vorlesung in einer von ihm sonst gar nicht gekannten Weise deutlich zum Erbe der Moderne und der Aufklärung bekannt. Er hat gesagt, man kann nicht hinter die Aufklärung zurückgehen, auch die Kirche profitiere von den Früchten der Moderne, und deswegen hat die Theologie auch ihren Ort auch im modernen wissenschaftlichen Diskurs und zwar nicht nur um ihrer selbst willen, sondern meine ich um der Wissenschaften willen.“
 
Es bleibt die Hoffnung, dass…
 
„…diese Debatte und die positiven Anknüpfungspunkte, die Papst Benedikt in seiner Regensburger Vorlesung gesetzt hat, nicht nur sozusagen mediales Ereignis bleiben, sondern wenn sie weiterwirken könnten und in unpolemischer ernsthafter Weise die Debatte um die Frage von Glaube und Vernunft und um die Relevanz um Glaube in der modernen Gesellschaft fortgeführt werden kann.“
 
Wir empfehlen Ihnen dieses Büchlein sehr; dort haben sie in einem Band alle an verschiedenen Orten erschienenen Diskussionsbeiträge.

Knut Wenzel (Hg.)
Die Religionen und die Vernunft. Die Debatte um die Regensburger Vorlesung des Papstes
Kt., 120 Seiten, Euro 9,90/ Euro (A) 10,20/SFr 18.50
ISBN 978-3-451-29709-0
HERDER-Verlag 2007








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