Papst: „Geist von Assisi stellt sich dem Geist der Gewalt entgegen“
Benedikt XVI. besucht
Assisi. Er unternimmt eine Pilgerreise auf den Spuren des Heiligen Franziskus. Der
sei ein Mann des Friedens gewesen, so der Papst, und forderte deshalb beim Angelus
auf dem Platz vor der Unterkirche San Francesco zum Frieden in aller Welt auf: „Ich
betrachte es als meine Pflicht, von hier aus einen dringlichen und sorgenvollen Appell
zu lancieren, dass alle bewaffneten Konflikte, die die Erde mit Blut tränken, ein
Ende haben; die Waffen sollen schweigen, und überall weiche der Hass, der Liebe, der
Angriff der Vergebung und die Zwietracht der Einheit!“ Der Papst erwähnte besonders
das Heilige Land, „vom Heiligen Franziskus so sehr geliebt“, den Irak, den Libanon,
den ganzen Nahen und Mittleren Ostern. Die Bevölkerung dieser Länder kenne „schon
viel zu lange die Schrecken der Kämpfe, des Terrorismus, der blinden Gewalt“,kenne,
„die Illusion, dass die Gewalt Konflikte lösen könne und die Weigerung, die Argumente
der anderen zu hören und ihnen Recht zu verschaffen. Nur ein verantwortungsvoller
und aufrichtiger Dialog, unterstützt durch den großherzigen Beitrag der Internationalen
Gemeinschaft, könne „solch großem Schmerz ein Ende bereiten und den Menschen, den
Institutionen und den Völkern wieder Leben und Würde geben.“ Die Basis für
diesen politischen Appell hatte Benedikt in der Eucharistiefeier gelegt. In der Predigt
erinnerte er an das erste Weltgebetstreffen Johannes Pauls II. von 1986. „Assisi
sagt uns, dass die Treue zur eigenen religiösen Überzeugung, vor allem die Treue zu
Christus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen, sich nicht in Gewalt und Intoleranz
ausdrückt, sondern im aufrichtigen Respekt des anderen, im Dialog, im Aufruf zur Freiheit
und zur Vernunft, im Einsatz für Frieden und Versöhnung.“ Dialog und Achtung
des anderen aus dem Glauben heraus zu begründen entspräche zutiefst dem Evangelium
und sei zutiefst franziskanisch. Die Initiative seines Vorgängers nannte Benedikt
eine „prophetische Eingabe“, sie sei „ein Moment der Gnade“ gewesen. Seit damals verbreite
sich der „Geist von Assisi“ in der Welt. „Er stellt sich dem Geist der Gewalt entgegen,
dem Missbrauch der Religion als Vorwand für Gewalt.“ 5000 Friedenstauben über
der Stadt gaben dem Papst symbolisch Recht. Das Projekt „Peacey“ eines italienischen
Künstlers war eigens zum Papstbesuch noch einmal nach Assisi gekommen: Die weißen
Tiere aus fluoreszierendem Kunststoff schwebten als Mahnung und Mutmacher über den
zentralen Plätzen der Stadt.
Doch der Heilige aus Umbrien und damit seine
Heimatstadt und ihre Fama haben ihre Bedeutung nicht aus sich selbst heraus. Der Papst
ging einmal mehr zurück an die Wurzeln des Glaubens. „Seine Bekehrung zu Christus,
bis zur Sehnsucht, sich in ihn zu verwandeln, indem er ein vollkommenes Abbild wurde,
erklärt das Typische seines Lebens, die Wirkungskraft, in der er uns auch angesichts
der großen Themen unserer Zeit so aktuell erscheint: die Suche nach Frieden, der Schutz
der Natur, die Förderung des Dialogs zwischen allen Menschen. Franziskus war ein wahrer
Meister dieser Dinge. Aber er ist es von Christus her.“ Die Bekehrung, der
Ruf am Kreuz von San Damiano („Geh und baue meine Kirche wieder auf!“) und die Begegnung
mit den Aussätzigen vor 800 Jahren war der Ausgangspunkt der großen franziskanischen
Wirkungsgeschichte. Die „drei großen Bekehrten“ der Tageslesungen, David, Paulus und
die Sünderin, stellte der Papst in Verbindung zum Leben des Heiligen. „Von Bekehrung
zu sprechen, bedeutet, zum Herz der christlichen Botschaft gehen und gleichzeitig
zu den Wurzeln der menschlichen Existenz.“ Bekehrung ginge jeden an: „Der
Mensch ist wahrhaft er selbst, wenn er sich voll und ganz erkennt, in dem Maß, in
dem er mit Gott und von Gott lebt, und indem er Gott in den Brüdern erkennt und liebt.“ Italiens
Ministerpräsident hatte den Papstbesuch zum „Nationalen Großereignis“ erklärt, er
war selbst nach Assisi gereist, außerdem bei der Feier 130 Konzelebranten, drei Kardinäle
und 31 Bischöfe. Doch der Gottesdienst selbst lebte von franziskanischer Einfachheit
in nahezu familiärer Atmosphäre. Auf dem Vorplatz der Unterbasilika hatten rund 2000
Menschen Platz, keine Großbildleinwand verstellte den Weg oder machte die Feier zum
Kinoereignis. Die Altarinsel wurde dominiert von ein großen Tau, als Holzintarsie
im Fußboden erstetzte es den Teppich. Doch das Ensemble der Basilika San Francesco,
von Papst Gregor IX., einem Freund des Heiligen, schon zwei Jahre nach dessen Tod
in Auftrag gegeben, und nach dem Erdbeben vor zehn Jahren wie durch ein Wunder wieder
hergestellt, war auch für den Papst ein „beeindruckendes Szenario“. Ein Platz, „wo
sich acht Jahrhunderte Heiligkeit, Verehrung, Kunst und Kultur sammeln, verbunden
mit dem Namen Franziskus von Assisi“. (rv 17.06.2007 bp)