2007-06-15 12:31:23

Papst am Ort der Stille und Umkehr


RealAudioMP3 San Damiano. Nicht einmal einen Kilometer von der Basilika des Heiligen Franziskus entfernt - und doch in einer anderen Welt. Vor mehr als 800 Jahren erhielt der adlige junge Mann den Auftrag, „Geh’ und bau’ meine Kirche wieder auf!“ Hier begann seine Bekehrung, draußen vor der Stadt. Seine Gefährtin Chiara ließ sich hier später mit den Klarissinnen nieder, Francesco schrieb zwischen Olivenhainen mit Blick in die umbrische Weite den Sonnengesang.
San Damiano ist eine andere Welt geblieben, lädt zur Stille und Umkehr ein, erzählt der niederländische Pater Loek Bosch, seit rund fünf Jahren im kleinen Franziskanerkonvent. Birgit Pottler hat vor dem Papstbesuch mit ihm gesprochen.


Pater Loek, hier ist es heute sehr ruhig, ist das so etwas wie die Ruhe vor dem Sturm, den der Papstbesuch mit sich bringt?
Lacht. Nein, das denke ich nicht. Das ist abhängig vom Tag. San Damiano ist am Wochenende sehr voll mit Italienern. In der Woche hat es Zeiten, in denen es ruhig ist. Dann sind die deutschen Gruppen hier. San Damiano ist speziell für Deutsche, hab’ ich die Erfahrung gemacht, es gibt sehr viele deutsche Gruppen, die hierher kommen, Jugendgruppen, und es gibt sogar eine Gruppe „Freunde von San Damiano“ in Deutschland, die uns unterstützt.
Wie erklären Sie sich die große Zuneigung gerade der Deutschen?
Weil hier Andacht ist für Deutsche. In der Vesper werden die Seitennummern und die Liednummern in Deutsch gesagt, auch die Lesung ist in Deutsch. Das gibt den Deutschen das Gefühl: „Wir sind daheim, man hört uns“. In ganz Assisi wird kaum eine andere Sprache gesprochen als Italienisch.

 
San Damiano ist vor allem ein Ort des Gebetes, der Meditation…
Ja, es gibt immer mehr Leute, die kommen als Touristen nach Assisi: filmen, Fotos machen… Wir versuchen hier, wieder zurückzukehren zu dem, was wir sind. Wenn man hierher kommt, um Fresken anzuschauen… hier gibt es kaum Fresken, einige, schöne. Wenn man hierher kommt, um Steine zu berühren, wie die Italiener das gerne machen, die sie küssen, gibt es hier Steine genug. Aber dafür ist San Damiano nicht da. San Damiano ist ein Ort der Stille und das „verkaufen“ wir hier. Wir versuchen, in dieser Stille, die Frage von Francesco, ,Herr, was willst Du, dass ich tue mit meinem Leben?’ in seiner Krisenzeit, zwischen 1203 und 1206, hochkommen zu lassen, und Leute auch zu senden. Wir geben keine Führungen, wir geben Einführungen hier auf der Piazza, und dann senden wir, wir bitten die Leute eine Pilgerfahrt zu machen, hier im Gebäude, und ihre je eigene Frage zu hören. Die gleiche Frage wie ,Herr, was willst Du, dass ich dir tue?’ ist ,Wie ist meine Zukunft?’, oder ,Was ist Glück in meinem Leen?’ oder ,Was hat wirklich Würde in meinem Leben?’ Das sind dieselben Fragen. Dass Leute diese Frage mitnehmen, das wollen wir hier. Wir leben in einer Welt, in der wir ganz verrückt gemacht werden von Ökonomie, das ist unser Gott, und die Ökonomie sagt ,kaufen, kaufen, kaufen, haben, haben, haben“, aber das Evangelium sagt etwas anderes. Das Evangelium sagt, es geht um Liebe, und es geht nicht über die Ökonomie in unserem Leben, es geht über unser Glück, und Glück ist immer etwas – wie bei Franziskus und der Begegnung mit dem Aussätzigen in dieser Nähe – dass wir einander in die Augen schauen, und dass wir einander anerkennen als Mitmensch, verwundet, wie dieser Aussätzige, verwundet wie ich selbst bin, auch Francesco war verwundet im Krieg mit Perugia, nicht an seinem Leib, aber in seinem Geist war er verwundet. So müssen wir einander begegnen, und das ist etwas anderes als die Ökonomie sagt; die sagt ‚kaufen, haben ist wichtig, dann bist du jemand’, aber wir „sind jemand“ in der Begegnung: Wenn wir in die Augen eines Menschen schauen, schauen wir in die Augen Gottes.“
 
Sie sagten, sie „verkaufen“ hier die Stille. Ist genau diese Stille das, was der Papst hier in San Damiano sucht, bei seinem privaten Besuch, bevor er dann nach Assisi hinauf geht?
Ja, das denke ich. San Damiano ist ein Ort, wo es angefangen hat, wo Franziskus in einer Krisenzeit endlich sieht, was geschehen muss. Er hört die Frage vom Kreuz von San Damiano, ,Franziskus, siehst du nicht, dass mein Haus zerfallen ist? Geh und erbaue mein Haus.’ Oder in unseren Worten: ,Mensch schau rund, fang an, tu etwas.’ Und hier an diesem Ort, dem Ort von Stille, hat es angefangen, und wir leben hier in Assisi im Jahr der Bekehrung, der Konversion. Auch der Papst kommt hier nach Assisi, um das mitzuerleben. In zwei Jahren, 2009, besteht der Franziskanische Orden, bestehen die Gemeinschaften, 800 Jahre. In diesem Anfangsjahr kommt der Papst nach San Damiano, um die Stille zu suchen. Darum ist er hier auch privat, um einen Moment zu haben, um hier zu beten. ,Ich muss kein Papst sein, ich muss nicht denken, dass ich den ganzen Tag all diesen Leuten begegnen muss.’ Ich bin ganz nüchtern in dieser Sache. Die ganze Gemeinschaft von Assisi ist aufgeregt, ist nervös. Alles muss sauber gemacht werden, auch hier in unserem Konvent, aber ich bin ganz nüchtern in dieser Sache und denke: Schön, er kommt, zehn Minuten hier in San Damiano, muss dafür alles so sauber gemacht werden?
Ich liebe diesen Papst. Im Anfang, als Johannes Paul gestorben war und er gewählt wurde, hab’ ich gedacht: Oh mein lieber Herrgott, was geschieht uns? Aber als er seine Enzyklika „Deus Caritas Est“ geschrieben hat, hat er mein Herz gestohlen. Er hat mein Herz gestohlen mit diesen Worten, denn es geht um die Liebe in unserer Kirche. Es geht um die Liebe in unserem Glauben. Und der Rest ist nicht so wichtig.
 
Werden Sie dem Papst denn persönlich begegnen? Wie stellen Sie sich den Sonntag vor?
Lacht. Er kommt hier an mit einem Wagen und einem großen Gefolge, unserem Minister General, denke ich, unserem Minister Provinzial. Wir wissen es noch nicht, wir stehen vielleicht da in einer Doppelreihe und dann geht er dazwischen durch, geht in die Kirche und vielleicht gehen wir mit ihm hinein. Es ist Stille. Er betet, und vielleicht sagt er ,Auf Wiedersehen.’ Ich weiß es nicht, wir hören es noch.
Was ich wohl weiß: Wir haben um halb acht und um halb zehn eine Messe in San Damiano, es gibt diesen Sonntag keine Messe hier. Wir feiern sie am Samstag Abend um sieben Uhr, an Stelle der Vesper. Lacht. Wir haben sehr viel übrig für den Papst…
 
Was bedeutet für Assisi, für San Damiano besonders, dieser Papstbesuch? Es ist der 17. Papst, der Assisi im Laufe der Jahrhunderte besucht…
Ich habe hier gehört, dass es viele viele Jahre her ist, dass Papst nach San Damiano kommt, hunderte Jahre. Sie sind hier gewesen, Johannes Paul als Kardinal, ich denke auch Benedikt ist hier gewesen als Kardinal. Aber ich denke, es ist für uns doch sehr besonders, dass er hier anfängt.
 
Wie werden sie persönlich den Rest des Tages erleben?
Wir haben am Nachmittag eine Begegnung in San Rufino, der Kathedrale von Assisi, mit den Ordensleuten, und ich denke, dass San Damiano offen ist für die Leute, die in Assisi sind und jetzt denken, .Wir gehen noch einmal nach San Damiano, vielleicht gibt es auch noch irgendwo Ruhe, Stille in Assisi.’ Denn Assisi wird voll sein.
 
Franziskus hat vor 800 Jahren hier seine Bekehrungsbotschaft erhalten, den Auftrag „Tu etwas!“ Was könnte denn in Ihren Augen, in Ihrem Herzen die Botschaft an Benedikt sein, wo hat er etwas zu tun?
Offen sein für die Jugendlichen, hören, was dort lebt, offen sein auch für die Randgruppen und sie lieben. Ich gebe ein Beispiel: Es gibt sehr viele Leute in unserer Welt, die sind homosexuell. Und sehr oft haben sie das Gefühl, als ob die Kirche nicht eine Mutter ist, sondern eine Stiefmutter, eine sehr strenge Mutter, bei der sie nicht zu Hause sind. Ich denke, all diese Menschen, das sind ungefähr fünf bis zehn Prozent unserer Welt, müssen auch das Gefühl haben, dass sie zu unserer Kirche gehören. Wir können allen sagen, ‚Ja, aber das musst du so oder so sehen’, aber sie haben das Gefühl, dass sie nicht als richtige Kinder der Kirche betrachtet werden.
 
Haben Sie selbst, der Sie stets in San Damiano leben, diese Bekehrungsbotschaft öfter? Gibt es Aufträge an Sie persönlich?
Ja. Ich habe San Damiano ausgewählt, ich bin Holländer und gehöre zu der holländischen Provinz, aber ich habe diesen Ort gewählt, um mehr Gleichgewicht zu finden zwischen Kontemplation und Aktion. Ich habe immer gearbeitet, gearbeitet, gearbeitet, und ich habe mein ganzes Leben lang die Sehnsucht gehabt auch nach Stille, nach Gebet, nach Kontemplation. Die Bekehrungsbotschaft von San Damiano ist ,nicht nur arbeiten, sondern Zeit geben für Stille’. Jeder von uns muss Zeit haben für Gebet in seinem Leben.“
(rv 14.06.2007 bp)











All the contents on this site are copyrighted ©.