Aller Augen blickten nach Heiligendamm. Aller Augen blickten auf den Globus, seine
Erwärmung, seine Armut, seine Ungerechtigkeit. Ein Wochenkommentar von P. Eberhard
Gemmingen SJ. Viele Menschen auf dem ganzen Erdenrund denken mit und fühlen sich
ohnmächtig angesichts der Herausforderungen, der Probleme, der Nöte. Ist das Gefühl
der Ohnmacht berechtigt? Kann man da nur noch beten oder muss man resignieren? Ich
denke, es gibt ein Drittes. Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass auch ohnmächtige
Menschen Geschichte gemacht haben. Gerade Ohnmächtige haben große Bewegungen ausgelöst.
Erinnern Sie sich mit mir: Ob Buddha und Konfuzius menschlich-bürgerlich ohnmächtig
waren, weiß ich nicht, auf jeden Fall haben sie Geschichte gemacht. Als Mose anfing,
die Geschichte seines Volkes in die Hand zu nehmen, war er auf jeden Fall noch kein
Mächtiger. Jesus von Nazareth war zweifellos politisch ohnmächtig. Und dann ein ganz
grober Überblick über das Werden der großen europäischen Kultur. Drei Heilige haben
an seiner Gestaltung wesentlich Anteil. Der Heilige Benedikt lehrte: Nur wenn ihr
arbeitet, gestaltet ihr die Welt. Der Heilige Franziskus von Assisi zeigte: Wenn ihr
die Armen nicht liebt, dann seid ihr inhuman. Der Heilige Ignatius von Loyola machte
vor: Wenn ihr die Seele der Menschen erreicht, dann gestaltet ihr Geschichte und Kultur.
An Europa-prägenden Frauen möchte ich nur nennen: die heilige Birgitta von Schweden,
die heilige Teresa von Avila und die noch nicht heilige Mary Ward. Diese großen Christinnen
und Christen hatten ebenso wenig politische Mittel wie wir. Und in unserer Zeit? Ohnmächtige
haben unsere moderne Welt positiv mitgeprägt: in Asien Mahatma Gandhi und Mutter Theresa,
in Amerika Rigorberta Menchu und Martin Luther King, in Afrika Nelson Mandela – im
Gefängnis. Sie haben vor allem das Denken der Zeitgenossen beeinflusst. Auch Ohnmächtige
können Geschichte und Politik machen. Wer von uns weiß, was Gott mit ihm oder ihr
machen könnte, wenn wir uns ganz Gott überließen. Das ist ein Wort des Heiligen Ignatius
von Loyola. Keiner von uns ist auch in einer globalisierten Welt ohnmächtig. Was wir
freilich nicht dürfen, das ist, schlecht oder ganz uninformiert bleiben: Unsere heilige
Pflicht ist es, uns so gründlich wie möglich zu informieren. Revolverblätter reichen
nicht. Unsere Pflicht ist es, dort anzupacken, wo wir anpacken können. Unser Nächster
ist nicht weit. Und wir leben ja in einer Gesellschaft, in der viele Menschen mehr
Zeit haben als für sie gut ist. Und nach der Bibel können wir ja auch Berge versetzen.
(rv 09.06.2007 eg)