Wir dokumentieren Papst Benedikts Predigt zu Fronleichnam in einer eigenen Übersetzung.
Liebe Brüder und Schwestern, Gerade haben wir in der Sequenz gesungen: „Dogma
datur christianis; / quod in carnem transit panis, /et vinum in sanguinem. – „Doch
wie uns der Glaube kündet, der Gestalten Wesen schwindet, Fleisch und Blut wird Brot
und Wein.“ Heute möchten wir unseren Glauben in der Eucharistie abermals bekräftigen,
im Mysterium, dass das Herz der Kirche bildet. In dem jüngsten nachsynodalen Schreiben
„Sacramentum caritatis“ habe ich daran erinnert, dass das Mysterium die Heilige Eucharistie,
das Geschenk der Selbsthingabe Jesu Christi ist, mit dem er uns die unendliche Liebe
Gottes zu jedem Menschen offenbart. Daher ist Fronleichnam ein einzigartiges Fest,
und es bildet eine wichtige Gelegenheit des Glaubens und des Lobes für jede christliche
Gemeinschaft. Dies Fest hat seine Wurzeln in einem bestimmten historischen und
kulturellen Kontext: Es ist geradezu mit dem Ziel entstanden, den Glauben des Volkes
Gottes in Jesus Christus offen, lebendig und tatsächlich gegenwärtig im Allerheiligsten
Sakrament der Eucharistie zu beteuern. Es ist ein Fest, das eingeführt wurde, um
den Herrn öffentlich anzubeten, zu loben und Ihm zu danken, der uns im eucharistischen
Sakrament weiterliebt bis „bis zur Vollendung“, bis zur Hingabe seines Leibes und
seines Blutes. (sacramentum caritatis 1) Die eucharistische Feier heute Abend knüpft
an das spirituelle Klima des Gründonnerstags an, des Tages also, an dem Christus am
Vorabend seiner Passion beim letzten Abendmahl die Allerheiligste Eucharistie einsetzte.
Fronleichnam bildet sozusagen die Wiederaufnahme des Mysteriums am Gründonnerstag,
quasi im Gehorsam der Einladung Jesu folgend: „Das predigt auf den Dächern“, was er
uns im Geheimnis mitgeteilt hat. Die Gabe der Eucharistie, die die Apostel beim letzten
Abendmahl vom Herrn empfangen haben, gilt ALLEN, der ganzen Welt. Aus diesem Grund
wird es verkündet und öffentlich ausgestellt, damit jeder dem „Herrn, der vorbeigeht“
begegnen kann, so wie es in den Straßen von Galiläa, Samaria und Judäa geschah; denn
jeder, der Ihn empfängt, wird von der Kraft Seiner Liebe geheilt, erneuert und gestärkt. Das,
liebe Freunde, ist das ewige und lebendige Erbe, das Jesus uns im Sakrament seines
Leibes und seines Blutes hinterlassen hat. Ein Erbe, das darum bittet, ständig überdacht
und neu gelebt wird, bis es - wie Papst Paul VI. es ausdrückte - „seine unerschöpfliche
Wirksamkeit jeden Tag unseres irdischen Lebens prägen kann.“ Als ich im nachsynodalen
Apostolischen Schreiben den Ausruf des Priesters nach der Konsekration „Geheimnis
des Glaubens!“ kommentierte, schrieb ich: Mit diesen Worten verkündet er das zelebrierte
Mysterium und äußert sein Erstaunen gegenüber dieser wesentlichen Wandlung von Brot
und Wein in Leib und Blut des Herrn Jesus (Christus); eine geheimnisvolle Wirklichkeit,
die alles menschliche Verstehen übersteigt. (n.6.) Gerade weil es sich um eine
geheimnisvolle Wirklichkeit handelt, die unser „Verstehen“ übersteigt, dürfen wir
uns nicht wundern, wenn auch heute viele Menschen Mühe haben, die reale Präsenz Christi
in der Eucharistie zu akzeptieren. Es kann gar nicht anders sein. Es war so bis
zu jenem Tag in der Synagoge von Kafarnaum, als Jesus offen verkündete, dass er gekommen
ist, um uns mit seinem Blut und seinem Fleisch satt zu machen (Joh 6, 26-58). Seine
Sprache erschien „hart“, und viele zogen sich zurück. Es ist also wie jetzt: Die
Eucharistie bleibt ein „Zeichen des Widerspruchs“ und das kann auch gar nicht anders
sein, denn ein Gott, der selbst Fleisch geworden ist, sich selbst opfert für das Leben
in der Welt, stürzt die Weisheit der Menschen in eine Krise. Aber mit demütigem
Vertrauen macht die Kirche den Glauben Petri und den Aposteln und mit ihnen verkündet
sie: „Herr, wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens“. Erneuern
auch wir heute Abend unser Bekenntnis des Glaubens in dem lebendigen Christus, der
in der Eucharistie anwesend ist. Ja: „Doch wie uns der Glaube kündet, der Gestalten
Wesen schwindet, Fleisch und Blut wird Brot und Wein.“ Die Sequenz hat uns an ihrem
Höhepunkt singen lassen: „Ecce panis angelorum, / factus cibus viatoru: / vere panis
filiorum“- Seht das Brot, der Engel Speise, / Brot auf unserer Pilgerreise, / das
den Hunger wahrhaft stillt“. Die Eucharistie ist die jenen vorbehaltene Speise, die
mit der Taufe von der Sklaverei befreit und Kinder wurden; die Speise, die sie auf
ihrem langen Weg der Flucht, des Exodus, durch die Wüste der menschlichen Existenz
am Leben hält. Wie das „Manna“ für das Volk Israels, so ist die Eucharistie für jede
christliche Generation die unentbehrliche Nahrung, die uns auf unserem Weg durch die
Wüsten der Welt begleitet, die ausgetrocknet ist von ideologischen und wirtschaftlichen
Systemen, die das Leben nicht fördern, sondern vielmehr demütigen; eine Welt, in der
die Logik der Macht und des Besitzes dominiert anstelle des Dienens und der Liebe.
Eine Welt, in der nicht selten die Kultur der Gewalt und des Todes dominiert. Doch
Christus kommt uns entgegen und spricht uns Sicherheit zu: „Er selbst ist das „Brot
des Lebens“. Er hat es im Gesang des Evangeliums wiederholt: „Ich bin das lebendige
Brot, das vom Himmel gekommen ist. Wer von diesem Brot isst, der wird leben in Ewigkeit.“ Das
Evangelium, verkündet von Luca, erzählt uns das Wunder von der Vermehrung – von „fünf
Broten und zwei Fischen“, mit der Jesus den Hunger der Menge in der Wüste stillte;
er schließt mit den Worten: „Und sie aßen und wurden alle satt“. Ich möchte in erster
Linie dieses „ALLE“ unterstreichen. Genau das ist der Wunsch des Herrn, dass jedes
menschliche Geschöpf sich von der Eucharistie nährt, denn die Eucharistie ist für
ALLE. Wenn am Gründonnerstag die enge Verbindung zwischen dem letzten Abendmahl und
dem Mysterium des Todes Christi am Kreuz unterstrichen wird, dann wird heute, am Fest
Fronleichnam, mit der Prozession und der gemeinschaftlichen Anbetung der Eucharistie
die Aufmerksamkeit auf die Tatsache gelenkt, dass Christus sich hingegeben hat für
die ganze Menschheit. Sein Weg zwischen Häusern und Straßen unserer Stadt soll für
die, die hier leben, ein Gabe der Freude, des Ewigen Lebens des Friedens und der Liebe
sein. Im Evangelium begegnet uns ein zweites Element, das ins Auge sticht: Das
Wunder, das der Herr vollbrachte, beinhaltet eine explizite Einladung an jeden, seinen
eigenen Beitrag zu leisten. Die fünf Fische und zwei Brote deuten die Richtung
unserer Gabe, arm aber notwendig, die ER in ein Geschenk der Liebe für alle zu verwandeln
vermag. „Christus fährt auch heute fort“ - so schreibe ich in meinen nachsynodalen
Ausführungen – „seine Jünger zu ermahnen, sich als erste zu berufen“. Die Eucharistie
ist also ein Ruf zur Heiligkeit und ein Geschenk an sie, an die Brüder, denn die Berufung
eines jeden von uns ist die, gemeinsam mit Christus „gebrochenes Brot für das Leben
der Welt“ zu sein. Diese Einladung wendet der Erlöser direkt an uns, liebe Brüder
und Schwestern aus Rom, die ihr hier auf diesem historischen Platz um die Eucharistie
versammelt seid. Ich grüße euch mit Zuneigung! Mein Gruß gilt in erster Linie dem
Kardinalvikar und den Weihbischöfen, den verehrten Kardinälen und Bischöfen, aber
auch den vielen Priestern und Diakonen, den Ordensfrauen und -Männern und den unzähligen
gläubigen Laien. Am Ende der eucharistischen Feier werden wir uns in einer Prozession
zusammenfinden, um Jesus Christus stellvertretend für alle Straßen und Viertel durch
Rom zu tragen. Wir lassen ihn sozusagen eintauchen in unser tägliches Leben, denn
er geht, wo wir gehen; er lebt, wo wir leben. Wir wissen nämlich genau, wie uns Apostel
Paulus in den Briefen an die Korinther erinnert: Denn so oft ihr von diesem Brot esst
und von diesem Kelch trinkt, sollt ihr den Tod des Herren verkündigen, bis dass er
kommt. Wir gehen auf den Straßen dieser Erde, wissend, ihn an der Seite zu haben;
gehalten von der Hoffnung, ihn eines Tages, in der endgültigen Begegnung, mit unverhülltem
Antlitz zu sehen. In der Zwischenzeit hören wir Seine Stimme, die wiederholt,
wie wir es im Buch der Offenbarung hören: „Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe
an. Wenn jemand meine Stimme hören wird und die Tür auftun, zu dem werde ich hineingehen
und das Abendmahl mit ihm halten und er mit mir.“ Das Fest Fronleichnam möchte das
Klopfen des Herrn hörbar machen, trotz der Unempfindlichkeit unseres inneren Gehörs.
Jesus klopft an die Tür unseres Herzens und er bittet uns einzutreten – nicht nur
für einen Tag, sondern für immer. Nehmen wir ihn mit Freude auf und lassen wir den
gemeinschaftlichen Ruf der Liturgie aufsteigen: „Guter Hirte, wahres Brot, oh
Jesus, erbarme dich unser. Führe deine Brüder zum Tisch des Himmels / in der Herrlichkeit
deiner Heiligen. Amen! (rv 08.06.2007 sis)