2007-06-05 18:07:45

Hintergrund: Radio Vatikan und der Elektrosmog


(Archivbeitrag) Breites Echo in den Medien hat das jüngste Urteil in Sachen Elektrosmog gegen Radio Vatikan gefunden. Zwei Verantwortliche des Senders, Pater Pasquale Borgomeo und Kardinal Roberto Tucci, sind dabei zu je zehn Tagen Haft auf Bewährung verurteilt worden. Außerdem muss Radio Vatikan die Prozesskosten – etwa 25.000 Euro – tragen sowie Entschädigung an die betroffene Bevölkerung zahlen. Doch worum geht es eigentlich in dem Prozess?

Zunächst: Es handelt sich nicht um einen, sondern um zwei Prozesse gegen Radio Vatikan im Zusammenhang mit dem Elektrosmog, den die Sendeanlage Santa Maria di Galeria im Norden Roms absondert. Bei Prozess Nummer eins geht es um die Beeinträchtigung von Lebensqualität, bei Prozess Nummer lautet die Anklage auf Mord.

Das Urteil vom Montag betrifft Prozess Nummer eins – und damit die Lebensqualität von Anrainern der Sendeanlage. Zum Beispiel: Fernsehprogramme können nicht einwandfrei empfangen werden, weil sie von Radio Vatikan überlagert werden. Oder: Aus dem Telefon ertönt Radio Vatikan statt der Stimme des Gesprächspartners. Das Urteil in Prozess Nummer eins lautet also vorläufig: schuldig. Ins Gefängnis müssen die beiden Radio-Direktoren nicht, weil sie unbescholten sind. Und wie viel Entschädigung wird der Vatikan den Betroffenen zahlen? Hier wird es haarig, erklärt der Jurist von Radio Vatikan, Giacomo Ghisani.

„ Zunächst muss Radio Vatikan eine Studie bezahlen, die untersuchen wird, wie viele Menschen wie sehr in ihrer Lebensqualität beeinträchtig sind - und wie viel Geld „beeinträchtigte Lebensqualität“ wert ist. Beim Prozess war von Forderungen in der Höhe von mehr als 250 Millionen Euro die Rede.“

250 Millionen Euro - existenzgefährdend für Radio Vatikan. Der Sender wird gegen das Urteil Berufung einlegen. Mit dem Argument, dass Santa Maria di Galeria die italienischen Grenzwerte für Elektrosmog – es sind die strengsten Europas - seit Jahren einhält. Und bevor es überhaupt italienische Normen gab, hielt sich der Vatikan an die EU-Normen.

Ernsteren Inhalts ist der ZWEITE Elektrosmog-Prozess gegen Radio Vatikan. Hier geht es um Kinder, die in den vergangenen Jahren im Umfeld der Sendeanlage an Leukämie erkrankten und zum Teil starben. Allerdings kam eine internationale Expertengruppe – bezahlt von der italienischen Regierung, also gleichsam der Klägerseite – zu dem Schluss, dass die Häufigkeit von Leukämie im fraglichen Gebiet nicht über dem Durchschnitt liegt. Prozess Nummer zwei steht noch am Anfang.

„Im Moment warten wir auf eine richterliche Entscheidung, ob der Vatikan in einer Studie untersuchen soll – beziehungsweise muss -, ob die Leukämiefälle mit der Strahlenbelastung überhaupt zusammen hängen.“

Aus Sicht des Vatikans stecken hinter den Anschuldigungen massive politische und wirtschaftliche Interessen. Denn das fragliche Areal ist groß: 400 Hektar. Vor gut 50 Jahren, als der Vatikan das Sendezentrum baute, war das Gebiet rundherum unbewohnt. Doch in den vergangenen 30 Jahren wucherten die Siedlungen der Metropole Rom immer näher an die Sendemasten heran – übrigens ohne dass eine der italienischen Regierungen das unkontrollierte Wachstum verhindert hätte. „Man will uns aus Santa Maria di Galeria weghaben“, kommentieren die Radio-Chefs. Der Wert des Areals ist in 30 Jahren förmlich explodiert. Und ohne Sendemasten wäre Santa Maria di Galeria für Immobilien-Spekulanten das Geschäft ihres Lebens.
(rv 11.05.05 gs)








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