Die evangelische Kirche
hat in den kritischen Punkten beim Dialog mit den Muslimen in Deutschland katholische
Rückendeckung. Im Diskurs um eine Handreichung der EKD hatte der Koordinierungsrat
der Muslime der evangelischen Kirche zuvor „Profilierung auf Kosten der Muslime“ und
„Angstmacherei“ auf beiden Seiten vorgeworfen. Der Papst hatte diese Handreichung
nach Worten des Evangelischen Ratsvorsitzenden Bischof Wolfgang Huber jedoch ausdrücklich
gewürdigt.
Der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller, Vorsitzender
der Ökumenekommission der Deutschen Bischofskonferenz, warnte jetzt vor dem „Diktat
des Relativismus“: „Es kann ja nicht erwartet werden, dass wir die Essentials,
die wesentlichen Glaubensaussagen des Christentums, zurückführen auf eine allgemeine
Religion, wobei dann der Islam meint, dass er sozusagen die Urreligion der Menschheit
verkörpern würde. Da muss natürlich noch ein gewisser Abstand gefunden werden von
sich selbst. Man muss doch auch lernen, mit dem Thema Gewissens- und Glaubensfreiheit
umzugehen.“ Müller tritt entschieden für einen gemeinsamen christlichen Dialog
ein. Von katholischer Seite gebe es den Kontakt zu anderen Religionen ja bereits über
den Vatikan: „So dass sich dann die Frage stellt, wie wir das konkret umsetzen
für unser Verhältnis der katholischen Kirche in Deutschland.“ Entscheidungen
seitens der Bischofskonferenz seien noch keine getroffen, so Müller, doch dass Dialog
Not tut, stehe außer Zweifel: „Aber ich glaube nicht, dass wir jetzt einfach sozusagen
in ein schon fahrendes Boot einsteigen, sondern wir werden da natürlich unsere eigenen
Gesichtspunkte einbringen.“ Das Problem: Die evangelische Kirche sei eigenständig
vorgegangen. „Es gäbe ja auch noch die Möglichkeit, dass die Arbeitsgemeinschaft
christlicher Kirchen als Dialogpartner eintritt, mit den Muslimen in Deutschland,
denn das ist eine Zusammenfassung von vielen Christen, die über die katholische und
evangelische Kirche hinausgehen.“ Unabdingbar: Der Dialog muss ein theologischer
sein. „Dieser Dialog muss sich ja unterscheiden von den staatlichen Initiativen
wie der Islamkonferenz. Da geht es ja um die politische und gesellschaftliche Integration
der Muslime. Wenn wir als Christen einen Dialog führen, müssen eher die theologischen
Fragen im Mittelpunkt stehen. Es gibt da diese großen Themen: die Gottesfrage – haben
wir den gemeinsamen Gott und ist dadurch der trinitarische Gottesglaube nur ein christlicher
Sonderaspekt an einem allgemeinen Gottesglauben oder nicht vielmehr das Zentrum des
christlichen Gottesglaubens, dann die Frage nach der Menschwerdung Jesu Christi und
auch dem ganzen Leben der Kirche.“ Auch in einer eher theologischen Diskussion
müsse die Frage nach der Religionsfreiheit gestellt werden, also die Frage nach den
„religiösen Überzeugungen des persönlichen Wahrheitsgewissens im Verhältnis zu
den gesellschaftlichen und staatlichen Institutionen“. Stichwort Gewalt: „Natürlich
ist für uns klar, dass der religiöse Akt, die innerste intime Beziehung zu Gott, dass
das in keiner Weise mit Drohung und Gewalt in Verbindung gebracht werden kann. Denn
der Glaube erschließt sich nur durch die Freiheit des Menschen, und ein erzwungener
Glaube ist ein Widerspruch in sich selbst. Natürlich kann der Mensch durch körperliche
Bedrohung gezwungen werden, dass er nach außen etwas anderes bekennt, als er innerlich
glaubt. Aber für uns bedeutet eben Religionsfreiheit dass der innere Glaube und die
entsprechenden äußeren Verhaltensweisen – in der Liturgie wie im ethischen und öffentlich-moralischen
Verhalten – zusammen gehen müssen. Deshalb ist für uns eben Gewalt in Glaubensfragen
auf jeden Fall auszuschließen.“ Der Regensburger Bischof kommt nicht umhin,
auf die Universitätsrede des Papstes zu verweisen: „Der Heilige Vater hat ja auch
diesen Dialog auf der Grundlage der Religionsfreiheit angemahnt. Die Reaktionen waren
zuerst ja niederschmetternd, während dann weitere Reaktionen auch von Seiten hoher
verantwortlicher Geistlicher oder Theologen von muslimischer Seite doch auch hoffen
lassen, dass ein Gespräch auf einer friedlichen und wechselseitig sich respektierenden
Grundlage stattfinden kann.“ Die Dialogpartner als solche sind für Müller auch
nicht das Problem, sie hätten persönlich weniger mit Gewalt zu tun. Er hofft auf den
positiven Einfluss: „Diese Menschen müssen dann auch bestärkt werden. Die anderen
werden dann vielleicht auch beschämt beiseite stehen, wenn sie sehen, dass doch ein
gutes Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Glaubensrichtungen in einer pluralistischen
aber demokratischen und rechtsstaatlichen Gesellschaft möglich ist.“ Drehen
wir den Spieß um: Was sagt der Bischof einer der ältesten katholischen Gegenden Deutschlands
zum Umgang der Christen mit den muslimischen Mitbürgern? Stichwort Moscheestreit: „Als
Christen sind wir nicht daran interessiert, dass etwa der muslimische Gottesdienst
unterbunden oder auch nur behindert wird. Natürlich muss das auch eingebunden sein
in unsere allgemeine Kultur, so wie sie geworden und gewachsen ist. Deshalb müssen
vielleicht auch die Muslime gewissen Einschränkungen nicht der Religionsfreiheit aber
in der gebäudlichen Darstellung in Kauf nehmen. Es ist ja auch umgekehrt so, dass
wir als Christen in muslimisch geprägten Ländern ja keineswegs nur den Anschein haben
der Verwirklichung der Grundrechte. Aber es geht nicht darum, das gegeneinander aufzurechnen,
sondern es geht darum, dass der Staat sich überall aus der Religion oder der Einmischung
in religiöse Fragen zurückzieht. Das ist ein Ziel, das wir als Christen, aber auch
als Bürger einer freien Gesellschaft auch weltweit verfolgen werden.“ (rv 05.06.2007
bp)