Die erste Woche der fünften Generalversammlung der Bischöfe Lateinamerikas und der
Karibik geht zu Ende. Von allen Befragten aus dem Inneren der Konferenz ist zu hören:
"Es gibt eine offene Gesprächskultur. Es weht ein Geist der Freiheit." Die Leitung
organisiere die Beteiligung möglichst aller, von Manipulation keine Spur. Bisher ist
dies "die" Nachricht der Versammlung. Freilich, die entscheidenden, auch kontrovers
zu erwartenden Diskussionen beginnen erst am Montag, den 21. Mai.
Die 266 Teilnehmenden
haben sich kennen gelernt und Beziehungen geknüpft. Weil Papst Benedikt XVI. in seiner
Eröffnungsansprache verschiedene, auch sich widersprechende Positionen grundsätzlich
anerkannte, war für die Teilnehmenden der Druck genommen, die eigenen Positionen erst
einmal verteidigen zu müssen. Das hat zur Entspannung erheblich beigetragen. Der Raum
für Diskussionen war geöffnet.
Aufnahme der Papstrede
Die Bestätigung
der "Option für die Armen" aus dem christlichen Glauben heraus und die sehr deutliche
Kritik an der Globalisierung des liberalen Kapitalismus sind schon zum Allgemeingut
der Versammlung geworden. Die indianischen und afroamerikanischen Organisationen weisen
hingegen klar zurück, dass die Evangelisierung des Kontinents ohne jede Entfremdung
für sie stattgefunden habe. Es ist offensichtlich, dass die Versammlung die Aussage
so nicht stehen lassen kann. Es wird zu sehen sein, wie sie dieses Dilemma löst: dem
Papst nicht zu deutlich widersprechen und der geschichtlichen Wirklichkeit gerecht
werden.
Auch fehlende Themen geben zu reden: Dialog und Ökumene sowie Pfarreien
und Basisgemeinden.
Ab Dienstag präsentierten die 22 Vorsitzenden der nationalen
Bischofskonferenzen auf ein bis zwei Seiten Erwatungen und Hoffnungen für die Versammlung.
Am Mittwoch und Donnerstag, nach zwei weiteren Tagen der Diskussion in 15 Untergruppen,
zeichnen sich gemäß Bischof Augusto Castro aus Kolumbien erste inhaltliche Linien
in der Analyse ab: 1. Schwierigkeiten bei der Weitergabe des Glaubens, 2. kultureller
Wandel, 3. Bedrohung der Menschenwürde, 4. wachsende soziale Ungleichheit
zwischen Armen und Reichen. Auch ökologische Probleme im Amazonasgebiet und bei
der Ausbeutung von Bodenschätzen scheinen ein wichtiges Thema zu werden.
Freitag
und Samstag diskutierten die Bischöfe in den Untergruppen darüber, was für sie "Jünger
und Missionare Jesu Christi" sind. Die Begriffe sind vage, werden unterschiedlich
gefüllt. Die Ergebnisse werden am 21. Mai veröffentlicht. Dann werden auch etwa 18
thematische Kommissionen die Arbeit aufnehmen. Während zwei Wochen werden die Kommissionen
einen Text aus ihrem Themenbereich heraus für das Schlussdokument erstellen.
Die
alten Differenzen werden sichtbar
Die Feststellung, dass Christen und Christinnen
beziehungsweise die Kirche heute einen grundlegenden Wandel der Kultur erleben, zieht
sich wie ein roter Faden durch die Pressekonferenzen. Es gehe nicht mehr um einen
Wandel innerhalb einer bestimmten Denk- und Lebensweise, sondern um einen grundsätzlichen
Wandel der Denk- und Lebensweise.
Nicht einig sind sich die Teilnehmenden
darin, was dieser Wandel für die Kirche bedeutet. Sieht Bischof Castro die Kirche
in eine für sie feindliche Zeit eintreten, so weist Bischof Angelico aus Brasilien
in der gleichen Pressekonferenz darauf hin, die Chancen des Wandels zu ergreifen.
Hier
zeichnen sich die altbekannten Linien ab: Die einen betrauern den Verlust der alten
Ordnung, in dem die katholische Kirche die Erziehung, Kultur, Wirtschaft, Politik
der Gesellschaften wesentlich mitprägte ("Christenheit"). Andere sehen die Chancen
der neuen Zeit. Zwischen diesen Polen wird auch in Aparecida diskutiert werden.
Was
dieser Wandel positiv bedeuten kann, das hat der honduranische Kardinal Oscar Rodríguez
schon einmal vorgezeichnet. Er fordert eine grundlegende "pastorale Umkehr". Die alten
Methoden von Katechese und Mission seien nicht mehr wirksam.
Das hat aber
schon 1992 die Versammlung von Santo Domingo gefordert. Was wurde in den zurück liegenden
15 Jahren getan oder unterlassen, dass die Neuausrichtung in der Pastoral der Kirche
nicht statt fand? Die Antwort hängt davon ab, wie selbstkritisch die Kirche von den
Teilnehmenden analysiert wird.
Lebendige Befreiungstheologie
Nach einigen
Tagen überraschte es nicht mehr, dass sich die Vertreterinnen und Vertreter der schon
häufig totgesagten Befreiungstheologie innerhalb und außerhalb der Versammlung
als sehr lebendig zeigen. Ihre Stimme ist vernehmbar. Innerhalb der Konferenz sprachen
sich der ehemalige Romero-Mitarbeiter Jesús Delgado und Bischof Angélico Sândalo Bernardino
aus Brasilien dafür aus, die Bischöfe mögen wie der Papst die baldige Seligsprechung
des 1980 ermordeten Erzbischofs und Praktikers der Befreiungstheologie Oscar Romero
aus El Salvador in einem gemeinsamen Brief an den Vatikan unterstützen.
Pastoraler
Alltag in Brasilien – umstrittene Themen sind auf dem Tisch
Am Sonntag werden
die Bischöfe in Pfarreien in der Umgebung von Aparecida die pastorale Situation kennen
lernen. Dort werden sie auf Männer und Frauen treffen, für die die sonntägliche Messfeier
auch zur Ausnahme wird: Denn in Brasilien werden 73 Prozent der katholischen Sonntags-Gottesdienste
ohne Priester gefeiert. Die Mehrzahl davon wird von Frauen geleitet.
Ein
heißes Eisen mehr für die Versammlung: wie kann die katholische Kirche vor Ort die
sonntägliche Messfeier garantieren, wenn ihr die ordinierten Priester dazu fehlen?
Wie kann ein Priester in einer Pfarrei mit 40.000 Menschen eine sinnvolle Pastoral
gestalten? - So fragte Bischof Alvaro Ramazzini.
Benedikt XVI. sagt, dass
die Eucharistiefeier Ausgangspunkt für die Verkündigung des Glaubens sein soll. Er
sagt aber nicht, dass die Bedingungen dafür nicht gegeben sind. Einige Bischöfe meinen,
dass über die Zulassung zu den kirchlichen Ämtern geredet werden müsse. Auch unmögliche
Themen müssen angegangen werden, um zu einer pastoralen Umkehr" zu kommen.
Information:
Alle Dokumente sind unter www.celam.info abzurufen.
°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° Diese
kommentierende Einschätzung stammt von Markus Büker, der mit seiner Frau Susanne Brenner-Büker
seit März 2005 in Bogota (Kolumbien) lebt, wo sie gemeinsam eine Friedensschule leiten.
Beide haben Theologie studiert und sind Fachpersonen der Bethlehem Mission Immensee
(Schweiz). Markus Büker berichtet derzeit für die Presseagentur Kipa aus Aparedica.
(kipa 20.05.2007 gs)