2007-05-20 16:29:23

Brasilien: Es geht zur Sache. Eine Einschätzung


Die erste Woche der fünften Generalversammlung der Bischöfe Lateinamerikas und der Karibik geht zu Ende. Von allen Befragten aus dem Inneren der Konferenz ist zu hören: "Es gibt eine offene Gesprächskultur. Es weht ein Geist der Freiheit." Die Leitung organisiere die Beteiligung möglichst aller, von Manipulation keine Spur. Bisher ist dies "die" Nachricht der Versammlung. Freilich, die entscheidenden, auch kontrovers zu erwartenden Diskussionen beginnen erst am Montag, den 21. Mai.

Die 266 Teilnehmenden haben sich kennen gelernt und Beziehungen geknüpft. Weil Papst Benedikt XVI. in seiner Eröffnungsansprache verschiedene, auch sich widersprechende Positionen grundsätzlich anerkannte, war für die Teilnehmenden der Druck genommen, die eigenen Positionen erst einmal verteidigen zu müssen. Das hat zur Entspannung erheblich beigetragen. Der Raum für Diskussionen war geöffnet.

Aufnahme der Papstrede

Die Bestätigung der "Option für die Armen" aus dem christlichen Glauben heraus und die sehr deutliche Kritik an der Globalisierung des liberalen Kapitalismus sind schon zum Allgemeingut der Versammlung geworden. Die indianischen und afroamerikanischen Organisationen weisen hingegen klar zurück, dass die Evangelisierung des Kontinents ohne jede Entfremdung für sie stattgefunden habe. Es ist offensichtlich, dass die Versammlung die Aussage so nicht stehen lassen kann. Es wird zu sehen sein, wie sie dieses Dilemma löst: dem Papst nicht zu deutlich widersprechen und der geschichtlichen Wirklichkeit gerecht werden.

Auch fehlende Themen geben zu reden: Dialog und Ökumene sowie Pfarreien und Basisgemeinden.

Ab Dienstag präsentierten die 22 Vorsitzenden der nationalen Bischofskonferenzen auf ein bis zwei Seiten Erwatungen und Hoffnungen für die Versammlung. Am Mittwoch und Donnerstag, nach zwei weiteren Tagen der Diskussion in 15 Untergruppen, zeichnen sich gemäß Bischof Augusto Castro aus Kolumbien erste inhaltliche Linien in der Analyse ab: 1. Schwierigkeiten bei der Weitergabe des Glaubens,
2. kultureller Wandel,
3. Bedrohung der Menschenwürde,
4. wachsende soziale Ungleichheit zwischen Armen und Reichen.
Auch ökologische Probleme im Amazonasgebiet und bei der Ausbeutung von Bodenschätzen scheinen ein wichtiges Thema zu werden.

Freitag und Samstag diskutierten die Bischöfe in den Untergruppen darüber, was für sie "Jünger und Missionare Jesu Christi" sind. Die Begriffe sind vage, werden unterschiedlich gefüllt. Die Ergebnisse werden am 21. Mai veröffentlicht. Dann werden auch etwa 18 thematische Kommissionen die Arbeit aufnehmen. Während zwei Wochen werden die Kommissionen einen Text aus ihrem Themenbereich heraus für das Schlussdokument erstellen.

Die alten Differenzen werden sichtbar

Die Feststellung, dass Christen und Christinnen beziehungsweise die Kirche heute einen grundlegenden Wandel der Kultur erleben, zieht sich wie ein roter Faden durch die Pressekonferenzen. Es gehe nicht mehr um einen Wandel innerhalb einer bestimmten Denk- und Lebensweise, sondern um einen grundsätzlichen Wandel der Denk- und Lebensweise.

Nicht einig sind sich die Teilnehmenden darin, was dieser Wandel für die Kirche bedeutet. Sieht Bischof Castro die Kirche in eine für sie feindliche Zeit eintreten, so weist Bischof Angelico aus Brasilien in der gleichen Pressekonferenz darauf hin, die Chancen des Wandels zu ergreifen.

Hier zeichnen sich die altbekannten Linien ab: Die einen betrauern den Verlust der alten Ordnung, in dem die katholische Kirche die Erziehung, Kultur, Wirtschaft, Politik der Gesellschaften wesentlich mitprägte ("Christenheit"). Andere sehen die Chancen der neuen Zeit. Zwischen diesen Polen wird auch in Aparecida diskutiert werden.

Was dieser Wandel positiv bedeuten kann, das hat der honduranische Kardinal Oscar Rodríguez schon einmal vorgezeichnet. Er fordert eine grundlegende "pastorale Umkehr". Die alten Methoden von Katechese und Mission seien nicht mehr wirksam.

Das hat aber schon 1992 die Versammlung von Santo Domingo gefordert. Was wurde in den zurück liegenden 15 Jahren getan oder unterlassen, dass die Neuausrichtung in der Pastoral der Kirche nicht statt fand? Die Antwort hängt davon ab, wie selbstkritisch die Kirche von den Teilnehmenden analysiert wird.

Lebendige Befreiungstheologie

Nach einigen Tagen überraschte es nicht mehr, dass sich die Vertreterinnen und Vertreter der schon häufig totgesagten
Befreiungstheologie innerhalb und außerhalb der Versammlung als sehr lebendig zeigen. Ihre Stimme ist vernehmbar. Innerhalb der Konferenz sprachen sich der ehemalige Romero-Mitarbeiter Jesús Delgado und Bischof Angélico Sândalo Bernardino aus Brasilien dafür aus, die Bischöfe mögen wie der Papst die baldige Seligsprechung des 1980 ermordeten Erzbischofs und Praktikers der Befreiungstheologie Oscar Romero aus El Salvador in einem gemeinsamen Brief an den Vatikan unterstützen.

Pastoraler Alltag in Brasilien – umstrittene Themen sind auf dem Tisch

Am Sonntag werden die Bischöfe in Pfarreien in der Umgebung von Aparecida die pastorale Situation kennen lernen. Dort werden sie auf Männer und Frauen treffen, für die die sonntägliche Messfeier auch zur Ausnahme wird: Denn in Brasilien werden 73 Prozent der katholischen Sonntags-Gottesdienste ohne Priester gefeiert. Die Mehrzahl davon wird
von Frauen geleitet.

Ein heißes Eisen mehr für die Versammlung: wie kann die katholische Kirche vor Ort die sonntägliche Messfeier garantieren, wenn ihr die ordinierten Priester dazu fehlen? Wie kann ein Priester in einer Pfarrei mit 40.000 Menschen eine sinnvolle Pastoral gestalten? - So fragte Bischof Alvaro Ramazzini.

Benedikt XVI. sagt, dass die Eucharistiefeier Ausgangspunkt für die Verkündigung des Glaubens sein soll. Er sagt aber nicht, dass die Bedingungen dafür nicht gegeben sind. Einige Bischöfe meinen, dass über die Zulassung zu den kirchlichen Ämtern geredet werden müsse. Auch unmögliche Themen müssen angegangen werden, um zu einer pastoralen Umkehr" zu kommen.

Information: Alle Dokumente sind unter www.celam.info abzurufen.

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Diese kommentierende Einschätzung stammt von Markus Büker, der mit seiner Frau Susanne Brenner-Büker seit März 2005 in Bogota (Kolumbien) lebt, wo sie gemeinsam eine Friedensschule leiten. Beide haben Theologie studiert und sind Fachpersonen der Bethlehem Mission Immensee (Schweiz). Markus Büker berichtet derzeit für die Presseagentur Kipa aus Aparedica. 
(kipa 20.05.2007 gs)







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