Wohin mit den Flüchtlingen aus dem Irak? Fast 20 Prozent der Bevölkerung ist auf der
Flucht, darunter viele Christen. Im Irak herrscht „Chaos“, wir brauchen einen „Internationalen
Vermittler“, forderte jüngst der republikanische US-Senator Chuck Hagel. Die USA müsse
sich aus der Irak-Krise zurückziehen, da sie von den Menschen vor Ort als Besatzungsmacht
wahrgenommen werde und das Problem nur „verschlimmere“. Die Nachbarländer, insbesondere
Syrien, Libanon und Jordanien, sind mit den Flüchtlingswellen überfordert. Der Menschrechtsexperte
von missio, Otmar Oehring, ist vor wenigen Tagen von seiner Nahostreise zurückgekehrt.
Oehring ist schockiert:
„Die Berichte, die die Christen mitbringen über
ihr eigenes Schicksal, sind zum Teil sehr berührend, wobei das Wort berührend es im
Grunde genommen gar nicht richtig ausdrückt. Ich selber war in dem Maß berührt, dass
ich mir gesagt habe: Ich wäre an einem Tag, als ich sehr viele solcher Geschichten
gehört habe, froh gewesen, ich hätte vom Irak noch nie was gehört und hätte mit der
Sache eigentlich nichts zu tun. So schlimm waren die Geschichten. Da geht es also
wirklich um ganz viele Tötungsdelikte, deren Opfer die Christen geworden sind, um
ganz brutale Vertreibungen, um die Entführung von Kindern und Jugendlichen. Man hat
also insgesamt den Eindruck, dass die Menschen, die aus dem Irak geflohen sind, sich
eigentlich durchgehend in einem Zustand befinden, der normalerweise als posttraumatisches
Stresssyndrom bezeichnet wird.“
Es falle den Flüchtlingen
schwer, die richtigen Schritte einzuleiten, so Oehring, etwa sich registrieren zu
lassen, sich an die Kirche vor Ort oder an das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten
Nationen zu wenden. Viele schämten sich gar für ihre unverschuldete Lebenssituation,
so Oehring, und fänden keinen Zuspruch: „Das, was ich natürlich
traurig finde – mehr als traurig: skandalös – das ist einfach, das die Kirchen, die
nicht betroffen sind in diesen Ländern, einfach so tun, als ob dieses Problem nicht
existieren würde. Also die chaldäische Kirche, die syrisch-katholische Kirche und
natürlich dann auch die orthodoxen Kirchen tun eigentlich nach unserem Dafürhalten
- zumindest was die Spitzen dieser Kirchen betrifft - nicht das, was sie wirklich
tun sollten.“
Nach Ansicht des Menschenrechtlers Otmar Oehring müssten
die Kirchenführer klarere Worte sprechen und auch die Politiker zur Verantwortung
ziehen:
„Wir müssen versuchen, gemeinsam Lösungen zu finden, wir müssen
dann natürlich auch gemeinsam mit der Regierung nach Lösungen für die Flüchtlinge
suchen, wir müssen aber gleichzeitig auch über die Kirche in Rom versuchen, den notwendigen
Druck, respektive die notwendige Ermutigung bei den Regierungen in der westlichen
Welt zu bewirken, so dass auch dort die Länder in der Region stärker unterstützt werden.
Gleichzeitig aber auch darüber nachdenken, ob man nicht in Amerika, in Kanada, in
Australien, aber auch in den Ländern der Europäischen Union die Grenzen weiter öffnet...
oder sie überhaupt öffnet, um Menschen die aus dem Irak geflohen sind, aufnehmen zu
können.“ (rv 16.05.2007 sis)