850 Generaloberinnen
aus der ganzen Welt haben sich vergangene Woche in Rom getroffen. Weltlich betrachtet,
eine ziemlich mächtige Gruppe, und zwar nicht nur quantitativ – mächtig auch in Anbetracht
der Tatsache, dass Oberin die verantwortungsvollste und höchste Aufgabe ist, die die
Kirche Frauen zuerkennt. Die Superiorinnen haben eine Vereinigung mit Sitz in Rom:
die UISG, die Internationale Union der Generaloberinnen. Wir sprachen mit der scheidenden
Vorsitzenden, der Brasilianerin Schwester Terezinha Rasera.
„Unser Zusammenschluss
existiert seit mehr als 50 Jahren. Fast 2.000 Generaloberinnen sind bei uns vertreten.“
Sr.
Terezinha Rasera stand der Union die letzten drei Jahre vor. Bei dieser Sitzung sollte
ihre Nachfolgerin gewählt werden. Da das Amt der Vorsitzenden der UISG aber zeitlich
ziemlich aufwändig ist, wollte sich zunächst keine neue Präsidentin finden, berichtet
Sr. Terezinha. Schließlich habe man das Amt kurzerhand dreigeteilt: Drei Generaloberinnen
werden die Union je ein Jahr lang leiten.
„Da gibt es schon schwierige
Momente, in denen wir in Erscheinung treten. Natürlich haben wir keine juristische
Macht im eigentlichen Sinn. Wir sehen unsere Aufgabe in der Anregung, im Anstoß bestimmter
Dinge. So haben wir einige Briefe an Regierende der Welt geschrieben, auch an den
Vatikan, da ging es uns um Themen wie den Irak, um Kriege oder politische Situationen,
wo wir sehen, dass die Bevölkerung leidet.“
800.000 Ordensfrauen gibt
es auf der Welt. Mehr als doppelt so viele wie Ordensmänner und Priester zusammengenommen.
Viele von ihnen leben in den schwierigsten Gebieten der Welt, teilen das Schicksal
der ärmsten. Und vielen liegt dabei die Sache der Frauen besonders am Herzen.
„Wenn
wir von Sklaverei sprechen und Menschenhandel, von Phänomenen globalisierter Gewalt
also, dann sind Frauen die ersten Opfer. Allein hier in Rom haben wir rund 300 Schwestern,
die Sozialarbeit auf der Straße betreiben und sich etwa um Prostituierte kümmern.
Wir haben noch so viel zu tun.“
Bei ihrer Generalversammlung haben die
850 Generaloberinnen in Rom einstimmig ein Dokument verabschiedet, das ihren Kampf
für die Frau fortschreibt. Ein Kampf um die Würde der Frau und um die Rechte der Frau,
erläutert Sr. Terezinha. Wie aber steht es mit dem Gehört-Werden von Ordensfrauen?
„Nun, da gibt es die in der Geschichte tief verwurzelte Ansicht, dass Frauen
in der Stille zu verharren haben, dass sie sich anderen beugen müssen, dass sie hinnehmen
müssen. In manch einem Ambiente fühle ich, dass es immer noch so ist. Aber ich sehe
auch Änderungen. Ich denke, wir werden heute mehr gehört und mehr respektiert. Wir
sind uns der Herausforderungen bewusst. Wir sprechen, wenn wir sprechen müssen, und
wir haben vor niemandem Angst.“
Schwester Terezinha stammt aus Brasilien.
Sie ist auch Generaloberin der Salvatorianerinnen. Das Problem der fehlenden Berufungen
für das Ordensleben macht ihr Sorgen. Aber sie sieht auch Chancen darin.
„Die
Berufungen gehen zurück, weil auch die Familien zurückgehen. Auch in den unendlichen
Wahlmöglichkeiten des modernen Lebens sehe ich einen Grund für den Mangel an Berufungen.
Sich fürs Ordensleben zu entscheiden, wenn jeder Tag 1000 Entscheidungsmöglichkeiten
bietet, ist eben schwer! Wir dürfen auch nicht verschweigen, dass einige Orden ihre
Ausrichtung modifizieren müssten. Das moderne Leben ist Änderungen unterworfen, und
um die Menschen begleiten zu können, müssen Ordensleute sich dem auf gewisse Weise
anpassen. Und schließlich und endlich: Die Orden sind anspruchsvoller bei der Auswahl
ihrer Mitglieder geworden. So wie heutzutage ein Arzt oder ein Journalist eine bessere
Ausbildung erfährt und wohl auch mehr Voraussetzungen mitbringen muss, so ist es auch
mit den Schwestern! Wir setzen heute gewiss mehr Reife voraus und legen großen Wert
auf Ausbildung. Alles in allem werden wir also in Zukunft weniger Ordensfrauen sein
– aber andere Formen des Ordenslebens werden entstehen. Wir wissen nicht, wie sie
sind. Aber wir hoffen!“ (rv 16.05.2007 gs)