Kennen Sie den Heiligen
Ubald? Macht nichts – wir stellen Ihnen den Mann vor. Ubald war im 11. Jahrhundert
Bischof in Gubbio, einem besonders malerischen Städtchen in Umbrien. Er war so populär,
dass keine Hundert Jahre nach seinem Tod jedes Jahr die Menschen an einer feierlichen
Prozession ihm zu Ehren teilnahmen. Diese Prozession gibt es heute noch: die Ceri-Prozession,
eine der farbenprächtigsten und aufwändigsten ihrer Art in ganz Italien. Schon zwei
Wochen vorher beginnt sie: Die Gläubigen wandern zum Berg Ingino und holen dort aus
der Basilika des Heiligen Ubald drei mächtige Holztürme, die sie bei der Prozession
durch die Stadt tragen. Gubbio lebt für diesen 15. Mai jedes Jahr, erfuhr Barbara
Stumpf, die sich die Vorbereitungen zu dem Fest angesehen hat.
Vier
Meter hohe, 400 Kilogramm schwere in den Himmel ragende Prismen aus Holz: die Ceri.
Sie geben dem traditionsreichsten aller umbrischen Feste ihren Namen. Acht Männer,
die so genannten Ceraioli, schultern die schlanken Türme aus Pinienholz; befestigt
sind sie auf Barren. Auf der Spitze jedes Cero thront jeweilige Schutzpatron.
Auf
der Piazza Signoria machen sich die Ceraioli bereit für den Lauf auf den Berg Ingino
zur Basilika des Heiligen Ubaldo. Der Ceraiolo Piero Viola: “Wenn
es um sechs Uhr heißt: „Die Ceri starten“ – dann starten sie. Dann ist es nicht fünf
vor sechs oder zehn nach! Nein. Sie starten um sechs. Wer das versäumt, muss auf das
nächste Jahr warten.“
Für die Einwohner Gubbios, die Eugubini, heißt es
am 15. Mai schon Tagwache bei Sonnenaufgang. Trommler wecken die Bewohner und verbreiten
eine spürbare Spannung über der ganzen Stadt. In aller Frühe fiebert man dem Fest
zu Ehren der Schutzpatrone entgegen: Ubaldo, Antonius und Georg.
Ihrer gedenken
die Gläubigen auch bei einer Messe in der Kirche San Francesco della Pace. Im Anschluss
an den Gottesdienst nehmen die Statuen der Schutzpatrone ihren Platz auf dem jeweiligen
Holz-Cero ein. Der Heilige Ubald gilt als der Beschützer Gubbios: “Der
heilige Ubald war der Patron der Maurer und Steinmetze. Das waren wichtige Berufsgruppen
bei uns, denn wohin man in Gubbio blickt und die Steine sieht, sie sind zum Großteil
von Hand behauen... so etwas wäre heute undenkbar. Aber wenn man sich in Gubbio umschaut,
spürt man einfach, was die geleistet haben.“
Der heilige Antonius gilt
als Schutzherr der Bauern und Studenten; der Heilige Georg ist der Patron der Handwerker
und Kaufleute. Mit ihm fühlt sich Piero Viola am meisten verbunden. Insgesamt 17 Mal
in seinem Leben war er Ceri-Träger des Heiligen Georg. Nach außen hin zeigt sich
das auch durch die entsprechende Tracht bei der Ceri-Prozession; Für den Heiligen
Georg heißt das dann ein blaues Hemd zu tragen. Besonders stolz ist Piero Viola auf
sein allererstes Hemd: “Das erste Hemd, das ich getragen habe,
hat mir mein Nachbar vererbt. Ein Freund meines Vaters. Er lief auch für den heiligen
Georg. Natürlich war es das BLAUE Hemd für Georg. Wenn Du das Hemd eines anderen Ceraiolo
bekommst fühlst du dich geehrt – es ist schöner, als ein Neues zu kaufen.“
Bei
dieser farbenprächtigsten aller umbrischen Prozessionen treten auch die Trommler und
Musikanten in ihren traditionellen Uniformen auf: weißes Hemd, schwarze Hose und ganz
wichtig: die rote Schärpe.
Der Corsa dei Ceri, also der Lauf an sich, verlangt
seinen Trägern einiges ab: Die Holztürme sind nicht nur enorm schwer, durch ihre schlanke,
hohe Form können sie auch leicht kippen – ganz zu schweigen von der Steigung der eng
gewundenen Bergstraße hinauf zur Basilika Sant´Ubaldo! Auf der gesamten Strecke von
etwa vier Kilometern wechseln die Ceraioli daher einander ab. Dass es dabei zu Zwischenfällen
kommen kann, ist klar. “Einmal ist mir genau in dem Teilstück,
das ich noch zurücklegen musste, der Hintermann auf den Schuh gestiegen. Ich habe
gerade einen anderen abgelöst und hatte noch mindestens 30 Meter mit dem Cero zu
laufen. Ich wusste wirklich nicht, wie ich es schaffen sollte. Aber was solls! Ich
habe eben ohne Schuh weitergemacht. Solche unvorhergesehenen Ereignisse verleihen
dem Lauf einen besonderen Reiz…!“
Ein Außenstehender vermag diese Leidenschaft
zu jahrhundertealter Tradition vielleicht nur schwer zu verstehen. Doch für die Menschen
in Gubbio ist die Festa dei Ceri der Höhepunkt im ganzen Jahr. Noch nie ist es ausgefallen,
und es scheint, als würde diese Tradition auch nie aussterben. Piero Viola: „Gubbio
lebt für den 15. Mai!“ (rv 16.05.2007 Barbara Stumpf)