2007-05-16 19:55:38

Italien: Gubbio feiert seine Stadtpatrone


RealAudioMP3 Kennen Sie den Heiligen Ubald? Macht nichts – wir stellen Ihnen den Mann vor. Ubald war im 11. Jahrhundert Bischof in Gubbio, einem besonders malerischen Städtchen in Umbrien. Er war so populär, dass keine Hundert Jahre nach seinem Tod jedes Jahr die Menschen an einer feierlichen Prozession ihm zu Ehren teilnahmen. Diese Prozession gibt es heute noch: die Ceri-Prozession, eine der farbenprächtigsten und aufwändigsten ihrer Art in ganz Italien. Schon zwei Wochen vorher beginnt sie: Die Gläubigen wandern zum Berg Ingino und holen dort aus der Basilika des Heiligen Ubald drei mächtige Holztürme, die sie bei der Prozession durch die Stadt tragen. Gubbio lebt für diesen 15. Mai jedes Jahr, erfuhr Barbara Stumpf, die sich die Vorbereitungen zu dem Fest angesehen hat.

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Vier Meter hohe, 400 Kilogramm schwere in den Himmel ragende Prismen aus Holz: die Ceri. Sie geben dem traditionsreichsten aller umbrischen Feste ihren Namen.
Acht Männer, die so genannten Ceraioli, schultern die schlanken Türme aus Pinienholz; befestigt sind sie auf Barren. Auf der Spitze jedes Cero thront jeweilige Schutzpatron.

Auf der Piazza Signoria machen sich die Ceraioli bereit für den Lauf auf den Berg Ingino zur Basilika des  Heiligen Ubaldo. Der Ceraiolo Piero Viola:
 
“Wenn es um sechs Uhr heißt: „Die Ceri starten“ – dann starten sie. Dann ist es nicht fünf vor sechs oder zehn nach! Nein. Sie starten um sechs. Wer das versäumt, muss auf das nächste Jahr warten.“

Für die Einwohner Gubbios, die Eugubini, heißt es am 15. Mai schon Tagwache bei Sonnenaufgang. Trommler wecken die Bewohner und verbreiten eine spürbare Spannung über der ganzen Stadt. In aller Frühe fiebert man dem Fest zu Ehren der Schutzpatrone entgegen: Ubaldo,  Antonius und Georg.

Ihrer gedenken die Gläubigen auch bei einer Messe in der Kirche San Francesco della Pace. Im Anschluss an den Gottesdienst nehmen die Statuen der Schutzpatrone ihren Platz auf dem jeweiligen Holz-Cero ein. Der Heilige Ubald gilt als der Beschützer Gubbios:
 
“Der heilige Ubald war der Patron der Maurer und Steinmetze. Das waren wichtige Berufsgruppen bei uns, denn wohin man in Gubbio blickt und die Steine sieht, sie sind zum Großteil von Hand behauen... so etwas wäre heute undenkbar. Aber wenn man sich in Gubbio umschaut, spürt man einfach, was die geleistet haben.“

Der heilige Antonius gilt als Schutzherr der Bauern und Studenten; der Heilige Georg ist der Patron der Handwerker und Kaufleute. Mit ihm fühlt sich Piero Viola am meisten verbunden. Insgesamt 17 Mal in seinem Leben war er Ceri-Träger des Heiligen Georg.
Nach außen hin zeigt sich das auch durch die entsprechende Tracht bei der Ceri-Prozession; Für den Heiligen Georg heißt das dann ein blaues Hemd zu tragen. Besonders stolz ist Piero Viola auf sein allererstes Hemd:
 
“Das erste Hemd, das ich getragen habe, hat mir mein Nachbar vererbt. Ein Freund meines Vaters. Er lief auch für den heiligen Georg. Natürlich war es das BLAUE Hemd für Georg. Wenn Du das Hemd eines anderen Ceraiolo bekommst fühlst du dich geehrt – es ist schöner, als ein Neues zu kaufen.“

Bei dieser farbenprächtigsten aller umbrischen Prozessionen treten auch die Trommler und Musikanten in ihren traditionellen Uniformen auf: weißes Hemd, schwarze Hose und ganz wichtig: die rote Schärpe.

Der Corsa dei Ceri, also der Lauf an sich, verlangt seinen Trägern einiges ab: Die Holztürme sind nicht nur enorm schwer, durch ihre schlanke, hohe Form können sie auch leicht kippen – ganz zu schweigen von der Steigung der eng gewundenen Bergstraße hinauf zur Basilika Sant´Ubaldo! Auf der gesamten Strecke von etwa vier Kilometern wechseln die Ceraioli daher einander ab. Dass es dabei zu Zwischenfällen kommen kann, ist klar.
 
“Einmal ist  mir genau in dem Teilstück, das ich noch zurücklegen musste, der Hintermann auf den Schuh gestiegen. Ich habe gerade einen anderen abgelöst und  hatte noch mindestens 30 Meter mit dem Cero zu laufen. Ich  wusste wirklich nicht, wie ich es schaffen sollte. Aber was solls! Ich habe eben ohne Schuh weitergemacht.  Solche unvorhergesehenen Ereignisse verleihen dem Lauf einen besonderen Reiz…!“

Ein Außenstehender vermag diese Leidenschaft zu jahrhundertealter Tradition vielleicht nur schwer zu verstehen. Doch für die Menschen in Gubbio ist die Festa dei Ceri der Höhepunkt im ganzen Jahr. Noch nie ist es ausgefallen, und es scheint, als würde diese Tradition auch nie aussterben. Piero Viola: „Gubbio lebt für den 15. Mai!“
(rv 16.05.2007 Barbara Stumpf)








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