Papst in Brasilien: 11. Mai. Alles auf einen Klick.
Zwischenbilanz der Papstreise
Halbzeit des Pastoralbesuchs
Benedikts in Brasilien – der ersten Interkontinentalreise des Papstes. Ein erstes
Resümee zieht unser Korrespondent vor Ort, P. Max Cappabianca OP:
Der Einstieg
ist gelungen – trotz des verregneten Beginns und manchmal vielleicht übertriebenen
Sicherheitsmaßnahmen hat es der Papst aus Deutschland geschafft, mit der brasilianischen
Bevölkerung in Kontakt zu kommen. Selbst die „Medienwellen“ rund um die Äußerungen
des Papstes zur mexikanischen Abtreibungsdiskussion auf dem Hinflug konnten die öffentliche
Stimmung in Brasilien nicht dominieren. Menschenmassen auf den Straßen überall, wo
das Papamobil vorbeifährt – immer wieder musste sich Benedikt auf dem Balkon seiner
Unterkunft im Benediktinerkloster zeigen.
In seinen Ansprachen setzte Benedikt
unterschiedliche Akzente. Am Donnerstagabend wollte Benedikt den Jugendlichen im Fußballstadion
von Sao Paulo offenbar vor allem Mut machen und moralisch den Rücken stärken. „Vergeudet
Eure Jugend nicht“ – das saß! Bleibt angesichts der gesellschaftlichen Probleme nicht
passiv, gebt selber den Glauben weiter! Wie schon beim Weltjugendtag in Köln zeigt
Benedikt, dass er auf die Jugend setzt, sie ernst nimmt und in die Verantwortung zieht.
Die Heiligsprechung frei Galvaos am Freitagmorgen war eine Demonstration der
Vitalität der brasilianischen Katholiken. Es war „ihr“ Heiliger, es war „ihre“ Musik,
„ihre“ Art, Gottesdienst zu feiern. Und Papst Benedikt nahm den Faden auf, er begeisterte
die Menschen und blieb aber zugleich seinem Verständnis christlicher Verkündigung
treu, indem er auf die grundlegenden Wahrheiten des Glaubens hinwies. Die Probleme
des Landes hat er nicht verschwiegen – Armut, soziale Ungerechtigkeit, Angriffe auf
die Familie und die moralischen Grundlagen der Gesellschaft. Aber es bleibt für Benedikt
außer Frage, dass jeder Einsatz für den Nächsten aus lebendigem Glauben erwächst und
vom sakramentalen Leben der Kirche genährt wird. Ein Heiliger wie frei Galvao ist
hier die Art „revolutionäres Vorbild“ die der Papst schätzt.
Klar mahnenden
Charakter hatten die Worte Benedikts in der „Catedral da Sé“ – hier wandte er sich
nicht an die Bevölkerung, sondern an die Mitglieder der brasilianischen Bischofskonferenz,
der größten Konferenz der Welt. Sektenproblematik, Mängel in der Glaubensunterweisung,
liturgische Missstände, Ideologisierungen auch innerhalb der Kirche… Die Worte waren
präzis, aber sie konnten vielleicht auch etwas hart wirken; jedenfalls wurde deutlich,
dass Benedikt die Verantwortung für nicht wenige Probleme bei der Kirche selber sieht.
Offenbar wollte der Papst die Verantwortlichen wachrütteln und die Bischöfe in die
Pflicht nehmen, um mit neuem Elan an der Erneuerung der Kirche mitzuarbeiten.
Es
ist abzusehen, dass Papst Benedikt XVI. die Ansprache in Aparecida zur Eröffnung
der fünften Konferenz der Bischöfe Lateinamerikas und Karibik dazu nutzen wird der
ganzen Kirche Südamerikas einen neuen missionarischen Impuls zu geben. (rv 11.05.2007
mc)
An Bischöfe und Politiker: „Für Gemeinwohl
arbeiten, nicht für Profit“
„In der politischen Klasse und unter den Unternehmern
muss ein unverfälschter Geist der Wahrhaftigkeit und der Ehrlichkeit geschaffen werden.“ So
die Worte Benedikts beim Treffen mit den brasilianischen Bischöfen. Kirchenvertreter
und Gläubige hatten sich klare Worte vom Besuch des Papstes erhofft, sie haben sie
bekommen. Papst Benedikt hat Kirche und Politik zur Verantwortung für die Armen gerufen. „Wer
eine führende Rolle in der Gesellschaft übernimmt, muss sich darum bemühen, die sozialen
Konsequenzen der eigenen Entscheidungen vorauszusehen, die direkten und indirekten,
die kurzfristigen und die langfristigen. Er muss für das höchstmögliche Gemeinwohl
arbeiten, anstatt seine persönlichen Profit zu suchen.“ Kurz nach 16 Uhr Ortszeit
in Sao Paolo, also 21 Uhr unserer Zeit, erreichte Papst Benedikt XVI. die Kathedrale
im Herzen der Altstadt Sao Paolos. Der Dom ist eine der fünf größten gotischen Kirchen
weltweit. Dort empfing ihn der Episkopat Brasiliens, rund 430 Bischöfe und Kardinäle
waren gekommen, die Bischofskonferenz Brasiliens ist die drittgrößte der Erde. Benedikt
XVI. sprach von „uns Bischöfen“ und wandte sich an „die lieben Brüder im Episkopat“.
Eine kollegiale Ansprache also, die nicht frei war von Ermahnungen und konkreten Aufträgen: „Wo
man Gott und seinen Willen nicht kennt, wo es den Glauben an Jesus Christus und seine
Gegenwart in den Feiern der Sakramente nicht gibt, fehlt das Wesentliche auch für
die Lösung der dringenden sozialen und politischen Probleme.“ Kirche und Gesellschaft
stünden vor großen Problemen; der Papst griff die zentralen Fragen vergangener Ansprachen
wieder auf, erhob bildlich gesprochen den Zeigefinger zum Schutz der Ehe, der Menschenwürde
und des priesterlichen Zölibats. „Wenn im Schoß der Kirche der Wert des priesterlichen
Auftrags als vollkommene Hingabe an Gott mittels des apostolischen Zölibats in Frage
gestellt wird, der die vollkommene Bereitschaft zum Dienst an den Seelen bedeuten
soll, und man den ideologischen, politischen - auch parteipolitischen - Fragen den
Vorzug gibt, dann beginnt die Struktur der Weihe an Gott ihre tiefste Bedeutung zu
verlieren.“ Die Zahl der Katholiken in Brasilien sinkt, prozentual betrachtet ist
das Land schon nicht mehr das katholischste weltweit. Dazu der Papst: „Es scheint
klar, dass die erste Ursache - unter anderen - dieses Problems auf das Fehlen einer
Evangelisierung zurückzuführen ist, in der Christus und seine Kirche im Zentrum jeder
Erklärung steht.“ Es gibt kein zurück hinter die „Option der Armen“, der Papst
müsse das gerade jetzt in Brasilien deutlich machen, hatte der Wiener Pastoraltheologe
Michael Zulehner gefordert. Den Begriff, der schließlich in die Befreiungstheologie
eingegangen war, hatte Benedikt nicht auf den Lippen. Aber: „Wenn die Menschen,
denen ihr begegnet, in Armut leben, muss man ihnen helfen, so wie es die ersten christlichen
Gemeinden gemacht haben, man muss Solidarität leben, damit sie sich wirklich geliebt
fühlen. Die arme Bevölkerung an den Stadträndern oder auf dem Land muss die Nähe der
Kirche spüren, sei es in der Hilfe der dringendsten Notwendigkeiten, sei es in der
Verteidigung ihrer Rechte und der gemeinsamen Anstrengung für eine Gesellschaft, die
auf Gerechtigkeit und Frieden gründet.“ Erziehung im Glauben sei unabdingbar, das
gelte aber auch für die persönlichen wie sozialen Tugenden des Christen. Bischöfen
wie Katecheten legte er den Katechismus der Katholischen Kirche und sein Kompendium
ans Herz. Dann erhob er wieder den Zeigefinger, wieder ohne Namen oder konkrete Konfliktfälle
der Vergangenheit zu nennen. Benedikt sagte schlicht und fast nebenbei: „Vor allem,
weil Glauben, Leben und Feier der Heiligen Liturgie als Quelle des Glaubens und des
Lebens untrennbar voneinander sind, braucht es eine korrektere Anwendung der Prinzipien
des II. Vatikanischen Konzils. … Den Gehorsam der Bischöfe … gegenüber den liturgischen
Normen wiederentdecken und wertschätzen bedeutet von der Kirche selbst Zeugnis geben,
der einen und universalen, die in der Liebe leitet.“ Mehr Qualität im Glauben forderte
Benedikt. Der Bischof habe Autorität und Pflicht, den Glauben zu bewahren, könne zur
Auslegung mit Theologen zusammenarbeiten. „Es reicht nicht, die Realität vom Glauben
ausgehend zu betrachten; es ist nötig, mit dem Evangelium in der Hand zu arbeiten
und von Herzen verbunden mit dem authentischen Erbe der Apostolischen Tradition, ohne
Interpretationen, die von rationalistischen Ideologien motiviert sind.“ Ein Wort
zur Ökumene, die stets „Suche nach Einheit“ sei, die Ermahnung zur Zusammenarbeit
bei der Verteidigung der Grundwerte in einer relativistischen und konsumorientierten
Kultur. Der Papst zitierte an einer Popolorium Progressio, die erste Sozialenzyklika
zur Entwicklungsproblematik und formulierte treu dieser Tradition und angesichts der
gespaltenen Realität der brasilianischen Gesellschaft seinen Schlussappell: „Eine
Vision der Wirtschaft und der sozialen Probleme, die von der Soziallehre der katholischen
Kirche ausgeht, lässt die Dinge immer aus Sicht der Menschenwürde sehen, die das schlichte
Spiel der ökonomischen Fakten übersteigt. Man muss also unermüdlich für die Bildung
der Politiker arbeiten, wie auch für die aller Brasilianer, die eine bestimmte Entscheidungsmacht,
sei sie nun groß oder klein, haben, und ganz allgemein für die aller Mitglieder der
Gesellschaft, so dass sie ihre eigene Verantwortung voll und ganz wahrnehmen und der
Wirtschaft ein menschliches und solidarisches Gesicht geben.“ (rv 11.05.2007 bp)
Brasilianische
Presseschau 11. Mai 2007
Die Zeitungen Brasiliens schreiben heute ausführlich
über die Begegnung Papst Benedikts XVI. mit den Jugendlichen. Schlagzeilen sind „Papst
plädiert für Keuschheit - 40.000 Jugendliche applaudieren“ (Jornal da Tarde) oder
„Jubel der Fans – Papst ermuntert Jugendliche zur Treue“ (Diario de Sao Paulo). Grundtenor
der Presse: Den Papst feiern die Jugendlichen wie einen Fußball- oder Pop-Star. Die
Katholische Kirche zeigt sich von ihrer jungen, charismatischen Seite.
Außerdem
berichten die Zeitungen über die Begegnung mit Staatspräsident Lula und das ökumenische
und interreligiöse Treffen. Der „Folha de Sao Paulo“ schreibt, dass Lula noch für
die laufende Amtszeit einen Staat-Kirche-Vertrag in Aussicht gestellt habe. Die politische
Bedeutung der Papstappelle zum Schutz des Regenwaldes, für die indigene Bevölkerung
und gegen Geldgier und Korruption unterstrichen die meisten Zeitungen des Landes.
Schließlich
hatten fast alle Zeitungen mehrseitige Sonderbeilagen zur Papstmesse auf dem „Campo
de Marte“ sowie zum Leben des heute heilig gesprochenen Franziskanerpaters „Frei Galvao“. (rva
/kann 11.05.2007)
Deutsche Presseschau Das
Thema Abtreibung beherrscht die Berichterstattung deutschsprachiger Tageszeitungen
zur Papstreise. Ansonsten wird klar gestellt, dass der Papst auch diesmal nicht von
seiner bekannten Meinung zu Sexualität und traditionellen Werten abrückt.
Der
Standard beschäftigt sich mit der Abtreibungsdebatte und titelt: „Brasiliens Gesundheitsminister
stellt sich gegen Papst“ und zu dem Treffen mit den Jugendlichen „Benedikt XVI. warnt
Brasiliens Jugend vor Drogen und Sex vor der Ehe“. Auch die Neue Zürcher Zeitung
nimmt die gleichen Themen auf „Missionarische Papstreise nach Brasilien: Kreuzzug
gegen die Entkriminalisierung der Abtreibung“ und „Papst mit erhobenem Zeigefinger
vor Brasiliens Jugend - Werbung für traditionelle Werte“ Die Abtreibungsproblematik
beschäftigt auch die Frankfurter Allgemeine: „Papst droht wegen Legalisierung von
Abtreibungen“ lesen wir als Überschrift. Zur Rede an die Jugendlichen zitiert die
FAZ Papst Benedikt: "Lebt das Leben intensiv!"
„Papst patzt bei Pressekonferenz“
schreibt die Business News. Benedikt XVI habe unvorsichtig auf Fragen zu den Exkommunikation
- Drohungen geantwortet.
„Wie im vergangenen Jahr in Regensburg scheint der
Papst nicht zu merken, welche Lawine er lostritt. Doch in der päpstlichen Umgebung
hat man mittlerweile ein geschärftes Gespür für solche Klippen. Kaum hat sich der
Papst zurückgezogen, betritt Vatikansprecher Federico Lombardi die Szene. Der Leiter
von Radio Vatikan hat schon Erfahrung in heiklen Medienmissionen des „Zurückruderns“
und des „Geraderückens“ päpstlicher Worte. „Der Papst denkt nicht daran, jemanden
zu exkommunizieren“, sagte Lombardi immer wieder.“ (rv 11.05.2007 gw) Aparecida:
Größter Marienwallfahrtsort Brasiliens
Aparecida - ein kleines Örtchen,
knapp 200 Kilometer von Sao Paulo entfernt - ist das eigentliche Ziel der fünften
Pastoralreise Benedikts XVI. Hier eröffnet der Papst die fünfte Konferenz der Bischöfe
Lateinamerikas und der Karibik. Für die Brasilianer ist Aparecida aber vor allem ein
Ort der Gnade: Es ist der größte Wallfahrtsort des Landes. Pater Max Cappabianca war
für uns vor Ort:
Das Herz des Heiligtums ist eine Schwarze Madonna – „Nossa
Senhora de Aparecida“ oder einfach „Nossa Mae“. Zur „ihrer Mutter“ strömen Jahr für
Jahr fast acht Millionen Gläubige aus ganz Brasilien – doppelt so viele wie in Lourdes.
Es sind einfache Menschen, die hier Trost und Stärkung suchen, besonders Indios und
die Nachkommen afrikanischer Sklaven.
Seit gut 100 Jahren wird die Wallfahrt
von Redemptoristenpatres geleitet. Pater Luis Carlos de Oliveira ist einer von ihnen,
er arbeitet als Beichtvater und Seelsorger an der Basilika. In Aparecida kann man
die Seele Brasiliens erleben, sagt Pater Luis:
„Hier wird wirklich gefeiert.
Denn dafür kommen die Menschen. Besonders am Sonntag, da haben wir ganz viele Messen.
Im Januar haben wird gedacht, dass keiner kommt, das ist die Ferienzeit hier. Aber
in den Tagen waren wirklich unglaublich viele Menschen hier: Beichten ohne Ende: Das
war ziemlich hart!“
40.000 Menschen fasst die Basilika an der seit 50 Jahren
gebaut wird. Geweiht wurde sie 1980 durch Papst Johannes Paul II. Vier Jahre später
erklärte die Brasilianische Bischofskonferenz die Kirche zum Nationalheiligtum. Das
portugiesische Wort "Aparecida" bedeutet übersetzt "Die Erschienene" – denn: 1717
sollen Fischer die Schwarze Madonna aus einem Fluss gezogen haben. Zunächst den Rumpf,
dann auch noch den Kopf. Nach diesem Fund machten die Fischer reichen Fang, nachdem
sie zuvor stundenlang leer ausgegangen waren.
Pater Luis bewahrt in der Sakristei
eine Kopie der Statue auf – sie wird für die zahlreichen Prozessionen gebraucht:
„Das
ist Frau der Apokalypse, hier der Mond. Interessant ist das Kleid. Man sagt, dass
das die Kleidung der Leute im 17. Jahrhundert ist. Dann die Blumen in den Haaren,
ein Diadem. Was sehr interessant ist:“
Die Statue ist einfach geschnitzt –
„Nossa Mae“ hat ein gütiges Gesicht:
„Schauen Sie hier: Sie hat lange Haare.
Der Körper ist dunkel wie bei den Indios, und das Gesicht ist hell. Das Original zeigt
noch besser, dass sie lächelt.“
1979 dann der Schock für die Gläubigen: Ein
Angriff auf die Madonna…
„Jemand hat damals versucht, die Figur zu klauen –
und sie ist in 170 Teile zerbrochen. Gerade das ist intakt geblieben, auch das Gesicht
ein bisschen. Das ist ein sehr starkes Zeichen gewesen. Papst Johannes Paul II. hat
gesagt, als er im Juli 1980 gekommen ist: die Muttergottes betet weiter für uns.“
Dass
die Fürsprache der Muttergottes wirkmächtig ist, sieht man an den Votivgaben in Wachs,
die man in Aparecida erstehen kann: nachgebildete Körperteile: Herzen, Mägen, Brüste.
Für die Gebete der Pilger stehen riesige Kerzen, die in einer Kapelle der Basilika
brennen.
Es ist ein sehr „weibliches“ oder „mütterliches“ Heiligtum: zahlreiche
Frauen beten hier, auch am Kirchenbau kann man das ablesen. P. Luis zeigt einen „Frauen-Fries“
an einer Empore der Basilika und weist besonders auf die Gestalt ganz rechts hin:
Es ist Dorothy Stang, die amerikanische Ordensfrau, die von interessierten Kreisen
umgebracht wurde, weil sie sich für die Ureinwohner des Regenwalds im Amazonas eingesetzt
hat:
„Ja sie ist die letzte, das Mosaik war eigentlich schon fertig. Dann
haben wir gesagt: Schnell, warum fügst Du sie nicht noch hinzu? Und so kam sie dann
gleich nach ihrem Tod noch dahin! Hier sind nur Frauengestalten, Teresa von Avila,
aber eben auch Heilige unserer modernen Zeit.“
Aparecida – ein Ort der Gnade
und der Gottesbegegnung für die Menschen Brasiliens: Es war ein persönlicher Wunsch
Benedikts XVI., dass die für das Leben der lateinamerikanischen Kirche so wichtige
Konferenz hier stattfindet: Unter dem Schutz von „Nossa Mae”, „Unserer Lieben Frau
von Aparecida“. (rv 11.05.2007 mc)
Papstprogramm in den kommenden
Tagen
Nach dem Großgottesdienst und dem Bad in der singenden brasilianischen
Menge stand ein Mittagessen im privaten Kreis auf dem Programm. Gegen 15 Uhr 40 Ortszeit
in Sao Paolo, also 20 Uhr 40 unserer Zeit, verabschiedet sich Benedikt XVI. vom Kloster
Sao Bento. Im Papamobil geht es zur Kathedrale im Herzen der Altstadt Sao Paolos.
Der Dom ist einer der fünf größten gotischen Kirchen weltweit. Dort trifft der Papst
mit den Bischöfen Brasiliens zusammen, rund 430 werden kommen. Die Bischofskonferenz
des größten katholischen Landes ist die drittgrößte der Erde. Danach geht’s zurück
zum Campo Marte, dem Ort des Gottesdienstes am Morgen. Vom Stadtflughafen Sao Paolos
wird der Papst im Hubschrauber ins rund 170 Kilometer entfernte Aparecida geflogen.
Dort will er drogenabhängige Jugendliche auf der Fazenda de Esperanza besuchen, bevor
er am Sonntag im doppelten Sinn ans Ziel der Reise kommt: Am größten Marienwallfahrtsort
Brasiliens wird Benedikt XVI. die fünfte Generalkonferenz der Bischöfe Lateinamerikas
und der Karibik eröffnen. (rv 11.05.2007 bp)
"Der
Papst liebt euch" - Messe und Heiligsprechung in Sao Paolo
Viel
Beifall, Gesang, Sonne und Farbenfreude bei der Papstmesse auf dem Marsfeld, vor der
beieindruckenden Skyline der Millionenstadt Sao Paolo. Obwohl kein staatlicher Feiertag
war, kam weit über eine halbe Million Menschen, um mit Papst "Bento" zu feiern. "Es
lebe der Papst!" rief anfeuernd ein Priester, der gleichzeitig eine Art Moderatorenrolle
ausfüllte. Es war für den Gast aus Rom seine wohl größte Veranstaltung auf dieser
Lateinamerika-Reise - und ein richtiggehendes Bad in der Menge, in vielem an die Auftritte
Johannes Pauls II. erinnernd. Roter Faden durch die Eucharistiefeier war das Jesuswort:
Vater, ich danke Dir, dass du es den Weisen und Verständigen verborgen, den Unmündigen
aber geoffenbart hast. Eine Art Hohelied auf die Bescheidenheit. Gemünzt war das auf
den Mann, der heute der brasilianischen und der Welt-Kirche als Heiliger vorgestellt
wurde: Frei Antonio de Sant Anna Galvao, Brasiliens erster einheimischer Heiliger.
Dem deutschstämmigen neuen Erzbischof von Sao Paolo, Odilo Scherer, war der Stolz
auf diesen neuen Heiligen anzumerken: Sao Paolo sei nicht nur eine vibrierende Metropole,
sondern auch ein Ort der Heiligkeit. Für alle Gläubigen auf dem Marsfeld, aber
auch die Fernsehzuschauer war es dann wohl ein ergreifender Augenblick, als der Papst
unter einem überlebensgroßen Porträt Frei Galvaos die Heiligsprechungsformel sprach:
zum ersten Mal für einen hundertprozentigen Brasilianer, eine Premiere für das Land
mit den meisten Katholiken der Welt. Benedikt XVI. wirkte wach und ausgeruht, angetan
vom Enthusiasmus um ihn herum, manchmal etwas irritiert von für ihn unerwarteten Wendungen
der Liturgie. "Der Papst liebt euch!" rief er in seiner Predigt aus - "er liebt euch,
weil Christus euch liebt!" Das war einer der wenigen Momente, in denen die in flüssigem
Portugiesisch vorgetragene Predigt von Beifall unterbrochen wurde. Viele der Menschen
hatten schon seit Mitternacht auf den Heiligen Vater gewartet - dem Papst gelang es,
sie mit seiner Freundlichkeit für sich einzunehmen. (rv 11.05.2007 sk)
Heiligsprechung
von Frei Galvao
Frei Galvao ist heilig gesprochen worden. Bei strahlendem
Wetter sind Christen aus ganz Brasilien und anderen lateinamerikanischen Ländern auf
den „Campo de Marte“ – dem „Marsfeld“ - von São Paulo gekommen. Schon seit den frühen
Morgenstunden herrschte auf dem mitten in der Million-Metropole gelegenen Flugfeld
ausgelassen fröhliche Stimmung. Bunte Fahnen, Transparente und Sprechchöre „Bento
16“ begrüßten den Papst. Die Prozession des Papstes zum Altar führte zu einem großen
weißen Kreuz; im Hintergrund bildet die Skyline der Metropole mit ihren zahlreichen
Hochhäusern einen Kontrast dazu. Der Gottesdienst findet unter freiem Himmel statt.
Neben dem weißen Kreuz sitzen die brasilianischen Bischöfe. Hinter ihnen steht das
Porträt von Frei Galvao. Nach Medien-Einschätzungen sollen auf dem „Marsfeld“ rund
500.000 Menschen anwesend sein. Der neue Erzbischof und Metropolit von São Paulo,
Odilo Scherer, begrüßte den Papst und erläuterte die Bedeutung des neuen Heiligen.
Nach der Heiligsprechung wurden einige Reliquien des neuen Heiligen zum Altar gebracht.
Es ist eine doppelte „Premiere“: Der Franziskaner ist der erste in Brasilien geborene
Heilige und es ist die erste Heiligsprechung, die der Papst im Ausland durchgeführt. Nach
dem Großgottesdienst reist der 80-Jährige am Nachmittag (Ortszeit) zur zweiten Station
seiner Reise in den Marienwallfahrtsort Aparecida weiter. Dort eröffnet das katholische
Kirchenoberhaupt am Sonntag die Vollversammlung der lateinamerikanischen Bischöfe. (rv
11.05.2007 mg)
Wer ist Frei Galvao?
Papst
Benedikt XVI. spricht am Freitag in Sao Paulo den Franziskanerpater Frei Galvao heilig.
Der erste in Brasilien geborene Heilige. Wer ist dieser Mann? Pater Max Cappabianca
OP weiß mehr:
„Mosteiro da Luz“ – so heißt das Nonnenkloster, das der brasilianische
Volksheilige selber erbaut hat und indem er jetzt begraben ist. Er war nicht nur Architekt
des Klosters, sondern er legte auch selber als Maurer mit Hand an: Deswegen ist er
jetzt Patron der Bauarbeiter. Geboren ist Frei Antonio 1739, und lebte er in einer
Zeit, die geprägt war von Kolonialismus und Sklaverei. Er war sich – obwohl hoch gebildet
– nicht zu schade, sich für die Armen und Versklavten einzusetzen. Als einmal ein
Soldat ungerechterweise hingerichtet werden sollte, protestierte Frei Galvao beim
Gouverneur. Der Franziskaner wurde daraufhin verbannt, der Soldat erhängt. Doch das
Volk, darunter auch bewaffnete Großgrundbesitzer und ihre Sklaven, belagerten das
Haus des Gouverneurs, bis dieser die Verbannung zurücknahm. Die Brasilianer sehen
bis heute in Frei Galvao einen Mann, der auf „ihrer Seite“ steht. Die Postulatorin
des Heiligsprechungsprozesses Sr. Celia Cadorin hat eingehend die Vita Frei Galvaos
studiert – sie ist immer wieder erschüttert vom Lebenszeugnis dieses Mannes:
“Der
Senat von Sao Paulo hat ihn im Jahr 1798 als Mann des Friedens und der Liebe bezeichnet.
Des Friedens, weil alle bei ihm beichten wollten, er hatte die Gabe, in den Herzen
zu lesen. Dazu kamen die Menschen von weither. Und zur Liebe: Er war nachts unterwegs,
um die Schulden der Sklaven zu bezahlen, die dieses Klosters erbaut haben. Deswegen
ist er für mich – jetzt da ich sein Leben, seine Schriften, sein Zeugnis studiert
habe – wirklich ein Mann der Zärtlichkeit Gottes.”
Und das zeigt sich bis
heute, denn: Frei Galvao wirkt als Wundertäter in auswegslosen Situationen. Zahlreiche
Krankenheilungen soll er bewirkt haben. Schon zu Lebzeiten half er sich, wenn er nicht
gleich zu einem Schwerkranken oder einer Gebärenden kommen konnte, indem er ein Gebet
auf ein Papierzettel schrieb, diesen in drei Stücke schnitt und zu „Pillen“ zusammenrollte.
Die Verwandten nahmen dann diese „Pilulas“ mit, um sie den Kranken zum Essen zu geben.
Auch die beiden Wunder, die letztlich zur Selig- und Heiligsprechung führten – zuletzt
die Heilung eines totkranken Babys 1999 – , werden den in ganz Brasilien bekannten
Pilulas zugeschrieben. Spezialität Frei Galvaos: Schwierige Schwangerschaften, und
so sieht man ganz besonders viele junge Frauen in der Klosterkirche des „Mosteiro
da Luz“ beten, in der er begraben ist. Frei Galvao – beziehungsweise Antonio de
Sant'Ana Galvao, so sein vollständiger Name – ist ein Heiliger auch für unsere Zeit,
davon ist Sr. Celia Cadorin überzeugt:
„Er hat wirklich unglaubliche Anziehungskraft
auf junge Menschen, weil er zeigt: Das schönste ist, heilig zu sein! Heilig sein hört
niemals auf! Die Helden des Football, aus dem Musikgeschäft oder so etwas, das geht
vorbei. Der Heilige: Der bleibt immer!“
Auch heute noch kann man die „Pilulas“
von Frei Galvao im „Mosteiro da Luz“ in Sao Paulo von den Schwestern bekommen, über
5000 werden täglich ausgegeben: Tendenz steigend! (rv 11.05.2007 mc)
Brasilien:
Papst, "Ehe nicht lächerlich machen"
Zum ersten Mal in der Kirchengeschichte
hat Papst Benedikt XVI. einen Brasilianer heiliggesprochen. Zu der Messe in Sao Paulo
kamen am Freitag mehr als 500.000 Menschen zusammen. Brasilien hatte den Tag zum Feiertag
erklärt. Christen könnten der Welt Versöhnung bringen, seien dazu aufgerufen, der
Welt das Leben und die Liebe zu bringen, so Benedikt XVI beim Gottesdienst in Sao
Paolo. Der Papst appellierte auf dem Campo Marte sowohl an den Glauben als auch an
das gesellschaftliche Leben, betonte einmal mehr den Schutz der Ehe. Zu beginn
der Predigt versuchte Benedikt XVI. erneut, das Vorurteil der Europazentriertheit
zu zerstreuen: „Ich freue mich, das durch die Medien meine Worte und meine Botschaften
der Zuneigung in jedes Haus und in jedes Herz gelangen können. Seid gewiss: Der Papst
liebt euch, er liebt euch, weil Jesus Christus euch liebt.“ Höhepunkt der Großmesse
auf dem Stadtflughafen: die Heiligsprechung von Frei Galvao. Man müsse für alles
Gute danken, dass der Heilige Geist durch den brasilianischen Franziskaner bewirkt
habe. Er habe mit seiner steten Bereitschaft zum Dienst am Volk uns Beispiel gegeben.
Frei Galvao, so der Papst, war „gelobter Ratgeber, brachte den Gemütern und den Familien
Frieden und brachte vor allem zu den Armen und Kranken Almosen. Er war ein sehr gesuchter
Beichtvater, denn er war gewissenhaft, weise und besonnen. So wie einer, der wahrhaft
liebt und nicht will, dass der Geliebte beleidigt wird; die Umkehr der Sünder war
die große Leidenschaft unseres Heiligen.“ Die Eucharistiefrömmigkeit Galvaos erlaubte
es dem Papst, erneut die Eucharistie als Herzstück der Kirche zu betrachten. „Das
Leben der Kirche ist wesentlich eucharistisch. Der Herr hat uns in seiner liebenden
Vorsehung ein sichtbares Zeichen seiner Gegenwart gelassen. … In der heiligen Eucharistie
ist alles geistliche Gut der Kirche enthalten, das heißt, Christus selbst ist unser
Ostern, das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ist und vom Heiligen Geist belebt
wurde, damit es den Menschen Leben schenkt. Dieses barmherzige und unaussprechliche
Zeichen der Liebe Gottes für die Menschheit nimmt im Herz der Christen einen bevorzugten
Platz ein.“ Auch das Beispiel Frei Galvaos habe es gezeigt, die Gläubigen sollten
sich auf den Empfang der Eucharistie besonders vorbereiten. „Die Gläubigen ihrerseits
müssen versuchen, das Heiligste Sakrament mit Liebe und Hingabe zu empfangen und anzubeten,
müssen den Herren gläubig empfangen wollen, und sie sollen wissen, dass sie immer,
wann es nötig ist, das Sakrament der Versöhnung erstreben sollen, um die Seele von
jeder schweren Schuld zu reinigen. …Mit dem Herrn in der höchsten Gemeinschaft der
Eucharistie vereint und mit ihm und unserem Nächsten versöhnt, werden wir so Friedensbringer
sein, Träger dieses Friedens, den die Welt nicht geben kann. Können die Männer und
Frauen dieser Welt den Frieden finden, wenn sie nicht wissen, wie nötig es ist, sie
mit Gott, mit dem nächsten und mit sich selbst zu versöhnen? Nur wer mit Gott und
sich selbst versöhnt sei, könne sich mit anderen versöhnen. Nur so könnten sich die
Christen und die Kirche den großen aktuellen Herausforderungen stellen. Sie müssten
buchstäblich ihr Leben geben, ob sie nun zölibatär lebten oder verheiratet seien.
Benedikt sprach von einer hedonistischen Welt und betonte insbesondere den Schutz
der Ehe: „Die Welt braucht Leben voll Klarheit, eindeutige Seelen und reine Geister,
die sich weigern, als bloßes Lustobjekt betrachtet zu werden. Man muss Nein sagen
zu jenen Medien, die die Heiligkeit der Ehe und die voreheliche Jungfräulichkeit ins
Lächerliche ziehen.“ Alle Herausforderungen vertraute der Papst Maria an, sie sei
„die beste Verteidigung gegen alle Übel, die das moderne Leben quälen“; Marienverehrung
sei die Garantie für „mütterlichen Schutz in der Stunde der Versuchung“. (rv 11.05.2007
bp)
Papst unterstützt Regenwald-Projekt
Im
Kloster Sao Bento in Sao Paulo hat Papst Benedikt am Donnerstag mit dem Vorstand der
brasilianischen Bischofskonferenz, kurz CNBB, zu Mittag gegessen.
„Seit Beginn
meines Pontifikats hegte ich den Wunsch, den größten katholischen Kontinent in Lateinamerika
zu besuchen. Natürlich sind Brasilien und Mexiko auch in Rom auf dem Petersplatz immer
noch stark vertreten, erzählt der Papst. Manchmal höre er die Mexikaner schreien:
„Padre, venga!"
Und deshalb sei er nun sehr zufrieden, dass er nach Brasilien
kommen konnte.
Die Heiligsprechung von Frei Galvao sei ein wichtiger Punkt
auf der Tagesordnung erklärte der Papst: Er sei die katholische Seele Brasiliens.
An zweiter Stelle, die fünfte Bischofskonferenz der Bischöfe Lateinamerikas und der
Karibik, die Papst Benedikt am Sonntag in Aparecida eröffnen wird.
Die brasilianischen
Bischöfe hatten sich Anfang Mai in Campinas auf einer Tagung gemeinsam auf die Konferenz
in Aparecida vorbereitet. Am Freitag 16.00 Uhr brasilianischer Zeit, als 21.00 Uhr
unserer Zeit, wird Papst Benedikt der gesamten brasilianischen Bischofskonferenz in
der Kathedrale von Sao Paulo begegnen:
"Ich freue mich sehr", so Benedikt,"dass
ich die drittgrößte Bischofskonferenz auf der ganzen Welt treffen darf. Ich hoffe,
dass es eine Begegnung sein wird, die uns inspirieren wird, einen missionarischen
Anstoß gibt und unsere Freude und unser Glaube in Jesus Christus zum Ausdruck bringen
wird."
Zum Abschluss bedankte sich Papst Benedikt bei den Benediktinern, die
im Kloster Sao Bento für Speis, Trank und Logie sorgen.
Hier spüre man: "Das
Charisma des Heiligen Benedikts lebt!" Mit großer Befriedigung habe er davon gehört,
dass eine neue philosophische Fakultät eröffnet worden sei:
„In diesem Moment,
wo wir uns der aggressiven Laizität stellen müssen, der die ganze intellektuelle Welt
für sich beanspruchen will…“
Benedikt XVI. überraschte schließlich die brasilianischen
Bischöfe mit seinem Gastgeschenk: 200.000 Dollar stellte er den Bischöfen für Projekte
im Amazonasgebiet zur Verfügung.
(rv)
Kirche und Jugend in Brasilien
„Kirche
und Jugend“ – dem Papst ist das gute Verhältnis ein Herzensanliegen. Nicht ohne Grund
ist der erste Höhepunkt der Reise eine Begegnung mit Jugendlichen aus Brasilien und
ganz Lateinamerika im Fußballstadion von Sao Paulo. Unser Korrespondent Pater Max
Cappabianca OP weiß mehr über die Jugendlichen in Brasilien:
Brasilien ist
ein junges Land! 185 Millionen Einwohnern hat das Land – seit 1960 hat sich die Bevölkerung
mehr als verdreifacht: Die Mehrheit der Bevölkerung ist unter 25 Jahren alt. Doch
die Jugend leidet ganz besonders unter den Problemen der Gesellschaft. Vor allem die
Arbeitslosigkeit führt zu Drogenproblemen und Kriminalität. Verstärkt wird das Problem
durch die Landflucht: 84 Prozent der Brasilianer leben in Städten. Das zerstört soziale
Bindungen –fehlende Orientierung und Perspektivlosigkeit sind die gravierenden Folgen.
Die brasilianische Kirche hat das Problem erkannt, sie will nun auch eine klare „Option
für die Jugend“. Bei der vor wenigen Tagen zu Ende gegangenen Tagung der brasilianischen
Bischofskonferenz ist vorgeschlagen worden, den Weltjugendtag 2011 in Brasilien auszurichten:
Es wäre ein Ereignis mit Symbolkraft! Moysés Louro De Azevedo Filho ist der Gründer
der charismatischen Jugendbewegung „Schalom“. Sie wirkt beim Treffen mit dem Papst
im Fußballstadion von Pacaembu mit. Moyses Louro hat große Erwartungen an den Papst:
„Wir wissen, dass es eine echte Herausforderung ist, als Jugendlicher heute
Christ zu sein. Wir wissen, dass es schwierig ist, aber es ist möglich. Der Papst
soll uns Mut machen! Damit wir Jugendliche nicht nur von der Jugend leben, sondern
die Hoffnung auch anderen Menschen in unserm Land und ganz Lateinamerika weitergeben
können, denn diese Begegnung heute Abend ist wichtig, nicht nur für Brasilien, sondern
für ganz Lateinamerika.“
Das Dokument der Bischofskonferenz wurde zusammen
mit Jugendlichen erarbeitet. Die Kirche will nicht Seelsorge „an Jugendlichen“, sondern
mit den Jugendlichen treiben. Was können Jugendliche für die Zukunft der Kirche beitragen?
Moyses Louro:
„Ich denke die Vitalität! Ich glaube, dass die katholische Jugend
in Brasilien in einer ganz besonderen Situation lebt, denn es gibt viele neue Gemeinschaften,
die in Brasilien entstanden sind, die diese Erfahrung des Glaubens und der Freude
erfahren haben. Auch diese Erfahrung der Radikalität des Glaubens: Damit wir in dieser
Gesellschaft leben können, braucht es Entschiedenheit. Wenn man den Mut hat, sich
zu entscheiden, gewinnt man ein freudiges Herz, ein Herz voller Vitalität: Und das
wollen wir dem Papst, der Kirche und der Welt weitergeben.“
Die Situation in
Brasilien ist ganz anders als in Europa. Und doch in manchem ist man sich näher als
man denkt – und von den Erfahrungen in Brasilien kann auch der „alte Kontinent“ profitieren:
„Das
gilt auch für die säkularisierte Gesellschaft. Wenn ich manchmal nach Europa fahre
oder auch in unseren großen Ballungszentren in Brasilien, dort sehe ich, dass so viele
Jugendliche der Kirche fern stehen. Und wir, die wir das Glück haben, Glauben erfahren
zu haben, stehen in der Pflicht, diesen Glauben an den Nächsten weiterzugeben.“
Der
Papst ist zwar schon 80 Jahre alt – für die Jugendlichen steht er aber trotzdem auf
ihrer Seite.
„Ich glaube, dass erste was die Jugend vom Papst erwartet, ist,
dass er als Jünger Christi und mit dem Herzen eines Hirten zu uns spricht. Dass er
den Jugendlichen als ein im Herzen junggebliebener begegnet, der er ist, damit er
unsern Glauben stärken kann.“ Die Gemeinschaft Schalom ist 1982 in Fortaleza entstanden.
Hauptziel ist die Evangelisation von Jugendlichen, die Sehnsucht haben, den lebendigen
Jesus Christus zu erfahren. Mittlerweile gibt es die Gemeinschaft auf der ganzen Welt,
unter anderem auch in Österreich, (rv 10.05.2007 mc)
Das schreibt die
Presse
Begeisterter Empfang in Sao Paulo und die Abtreibungsdiskussion:
Zwischen diesen beiden Polen bewegen sich die Schlagzeilen der brasilianischen Presse.
Die „Folha de Sao Paulo“ beispielsweise titelt „Der Papst unterstützt die Exkommunikation
der Abtreibungspolitiker“, ähnlich auch der "Jornal da Tarde“: "In Brasilien bekräftigt
der Papst christliche Werte und verurteilt die Abtreibung".
Warum soviel Gewicht
auf der Abtreibungsfrage? Der Grund ist die Pressekonferenz des Papstes während des
Fluges nach Lateinamerika, auf der Benedikt die Exkommunikation von Politikern gebilligt
hatte, die der Lockerung der Abtreibungsgesetze zustimmen. Eine zurzeit in Mexiko
aktuelle Diskussion, die auch in Brasilien Bedeutung gewinnen könnte, so die „Folha
de Sao Paolo“.
"Der Papst will einen neuen katholischen Impuls auf dem Kontinent",
titelt die Qualitätszeitung "O Estado de Sao Paulo". Seine Reise diene der Suche nach
Lösungen angesichts vielfältiger Herausforderungen. Es sei eine schwierige Aufgabe,
die Herzen einer brasilianischen Jugend zu erreichen, die unter tödlicher Gewalt,
Arbeitslosigkeit und fehlender Bildung leide.
Der in der Millionenstadt Belo
Horizonte erscheinende "Estado de Minas" unterstreicht, wie wichtig dem Papst bei
seiner Reise neben den religiösen Aufgaben die Förderung menschlicher Solidarität
sei. Benedikt XVI. bitte "die Katholiken unseres Landes und ganz Lateinamerikas, sich
für die Überwindung der starken sozialen Ungleichheit einzusetzen", heißt es.
Mehrere
Zeitungen berichten von einem „Heiligen Krieg“ zwischen den beiden Sendern „Globo“
– dem offiziellen Medienpartner des Vatikan – und dem evangelikalen Fernsehkanal „Record“.
Während „Globo“ enthusiastisch über den Empfang des Papstes berichtet, legt „Record“
den Akzent auf die Behinderungen, unter denen die Bevölkerungen zu leiden hat. Ein
Papstbesuch: Fast so aufwändig wie das Endspiel einer Fußballweltmeisterschaft. (rv/
kna 10.05.2007 mc)
Papst an Jugendliche: Ihr seid die Gegenwart!
Das
Jugendtreffen war sein sehnlicher Wunsch. Das stellte Benedikt XVI. im Stadion von
Pacaembu am Abend klar. Dort ist der Papst mit Jugendlichen Brasiliens zusammengetroffen.
Nicht von ungefähr, schließlich ist die Bevölkerung im Schnitt äußerst jung. Rund
30 Prozent der Brasilianer sind keine 15 Jahre alt. Seine Ansprache stellte Benedikt
XVI. unter ein Wort aus dem Matthäusevangelium: „Wenn du vollkommen sein willst,
geh, verkauf deinen Besitz und gib das Geld den Armen; … dann komm und folge mir nach“
(Mt 19,21). Konkrete Aufträge für die Jugendlichen hatte der Papst im Gepäck, Engagement
für die Gesellschaft. Hier Auszüge daraus in unserer eigenen Übersetzung:
Der
Herr würdigt ohne Zweifel euer christliches Leben in den zahlreichen Pfarreien und
kleinen kirchlichen Gemeinschaften, in den Universitäten, Kollegien und Schulen und
vor allem auf den Straßen und in der Arbeitswelt in den Städten wie auf dem Land.
Aber man muss weiter gehen. Wir dürfen nie sagen, es ist genug, denn die Liebe Gottes
ist grenzenlos, und der Herr ruft uns, besser, er fordert von uns, dass wir unsere
Herzen weit machen, damit in ihnen immer mehr Liebe, Güte und Verständnis für unsere
Mitmenschen und für die Probleme ist, die nicht nur das menschliche Zusammenleben
betreffen, sondern auch die Bewahrung und den Schutz der Umwelt, an denen wir alle
Anteil haben. „Unsere Wälder besitzen mehr Leben“: Lasst diese Flamme der Hoffnung,
die eure Nationalhymne auf den Lippen führt, nicht erlöschen. Die Umweltzerstörung
im Amazonasgebiet und die Bedrohung der Würde seiner Bewohner fordern in den verschiedenen
Bereichen mehr Einsatz als die Gesellschaft zu bringen bereit ist.
Wer die
Gebote beachtet, ist auf dem Weg Gottes. Aber es genügt nicht, sie zu kennen. Zeugnis
geben ist mehr wert als Wissenschaft, anders gesagt, ist angewandte Wissenschaft.
Die Gebote werden nicht von außen aufgesetzt, vermindern nicht unsere Freiheit. Im
Gegenteil: Sie sind kräftiger innerer Ansporn, der uns dazu bringt, in eine bestimmte
Richtung zu agieren. Sie lassen uns nicht still stehen. Wir müssen voran gehen. Wir
werden dazu angetrieben, etwas zu tun um uns selbst zu verwirklichen. Sich durch die
Tat zu verwirklichen bedeutet in der Tat sich real zu machen. Wir sind zu einem großen
Teil von Jugend an das, was wir sein wollen. Wir sind sozusagen Werk unserer Hände.
Ihr
Jugendlichen Brasiliens und Lateinamerikas, habt ihr schon entdeckt, was gut ist?
Befolgt ihr die Gebote des Herrn? Habt ihr entdeckt, dass dies der wahre und einzige
Weg zum Glück ist? Die Jahre, die ihr jetzt durchlebt sind Jahre, die eure Zukunft
vorbereiten. Das „Morgen“ hängt sehr davon ab, wie ihr das „Heute“ der Jugend lebt.
Das Leben, das vor euch liegt, meine lieben Jugendlichen, möge lang sein; aber es
ist nur ein einziges: Lasst nicht zu, dass es umsonst ist, vergeudet es nicht. Lebt
mit Enthusiasmus, mit Freude, aber vor allem mit Verantwortungsbewusstsein.
Wir
kennen die hohe Sterberate unter Jugendlichen, die Bedrohung durch Gewalt, den zu
tadelnden Anstieg des Drogenkonsums, der die Jugend von heute in ihren Grundfesten
erschüttert. Man sagt deshalb, die Jugend sei orientierungslos. …Ihr seid Jugendliche
der Kirche. Ich schicke euch deshalb aus in die große Mission, den Jungen und Mädchen,
das Evangelium zu bringen, die in dieser Welt umherirren wie Schafe ohne Hirten. Seid
Apostel der Jugendlichen! Ladet sie ein, mit euch zu gehen, um die gleiche Erfahrung
des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe zu machen. Ladet sie ein, Jesus zu begegnen,
damit sie sich wirklich geliebt fühlen, angenommen, mit aller Möglichkeit, sich selbst
zu realisieren.
Ihr seid freie und verantwortungsbewusste Männer und Frauen;
macht aus der Familie ein Zentrum, das Frieden und Freude ausstrahlt; fördert das
Leben von seinem Beginn bis zum seinem natürlichen Ende; sorgt euch um die Alten,
denn sie verdienen Respekt und Bewunderung für das Gute, das sie Euch getan haben.
Der Papst erwartet auch, dass die Jugendlichen sich bemühen, ihre Arbeit zu heiligen,
indem sie sie mit Fachwissen und Hingabe tun, um so zur Entwicklung aller ihrer Brüder
beizutragen und mit dem Licht des Evangeliums alles menschliche Handel zu erfüllen
(vgl. Lumen gentium, 36). Aber vor allem wünscht der Papst, dass sie verstehen, dass
sie Vorkämpfer einer gerechteren und brüderlicheren Gesellschaft sein können, indem
sie ihre Pflichten gegenüber dem Staat erfüllen: die Gesetze achten; sich nicht von
Hass und Gewalt mitreißen lassen; im beruflichen und sozialen Umfeld ein Beispiel
eines christlichen Lebenswandels geben; sich in den sozialen und beruflichen Kontakten
durch Aufrichtigkeit auszeichnen. Die Jugendlichen sollen sich daran erinnern, dass
maßloses Streben nach Reichtum und Macht zur Korruption seiner selbst und der anderen
führt; es gibt nichts, was den Versuch rechtfertigt, mittels Betrug und Täuschung
über andere die Oberhand gewinnen zu wollen, sei es wirtschaftlich oder politisch.
Ihr
seid nicht nur die Zukunft der Kirche und der Menschheit, als ob es um eine Art von
Flucht aus der Gegenwart ginge. Im Gegenteil: Ihr seid die junge Gegenwart der Kirche
und der Menschheit. Ihr seid ihr junges Gesicht. Die Kirche braucht euch, um der Welt
das Antlitz Jesu Christi zu zeigen. Ohne dieses junge Gesicht würde sich die Kirche
verzerrt darstellen.
hr könnt die Vorkämpfer einer neuen Gesellschaft sein,
wenn ihr versucht, ein Leben zu führen, das von den moralischen Grundwerten inspiriert
ist, wenn ihr versucht, euch menschlich und spirituell weiterzubilden; letzteres ist
lebenswichtig. Ein Mann oder eine Frau, die nicht auf die realen Herausforderungen
vorbereitet sind, sind leicht von allen Angriffen des Materialismus und Laizismus
zu überwältigen, die auf allen Ebenen immer stärker werden. (rv 10.05.2007 bp)
Brasiliens
Kirche in Stichworten
Brasilien ist in absoluten – aber nicht prozentualen
– Zahlen das Land mit den meisten Katholiken der Welt. Rund 155 Millionen Menschen
bekennen sich zur katholischen Kirche, Tendenz: sinkend. Das Land leidet unter einem
eklatanten Priestermangel. Ein Priester betreut in Brasilien 7.500 Gläubige, zum Vergleich:
In Italien kommen auf einen Priester 1.000 Gläubige. Viele Katholiken wandern aus
diesem Grund zu christlichen Freikirchen ab. Ebenfalls auffallend ist die Diskrepanz
zwischen jungem Klerus und alten Bischöfen. Brasiliens Bischofskonferenz hat rund
400 Mitglieder, sie ist damit die drittgrößte der Welt nach Italien und den USA. Mit
der Kategorisierung „fortschrittlich“ oder „konservativ“ ist der Kirche in Brasilien
nicht beizukommen, sagen Beobachter wie der Theologe Fernando Altemeyer von der Katholischen
Universität von Sao Paolo. Vielmehr gebe es ein halbes Dutzend Strömungen, darunter
einen tief verwurzelten Katholizismus, der sich auf Volksbräuche und den Marienkult
stützt – nicht unähnlich dem Katholizismus in der bayerischen Heimat des Papstes.
Die Befreiungstheologie hat in Brasilien Altemeyer zufolge rund zehn Millionen Anhänger.
Außerdem gibt es eine kleine, ultrakonservative Minderheit, der zehn bis 20 Bischöfe
nahe stehen. (rv / FAZ 10.05.2007 gs)