Brasilien – die meisten
denken an Zuckerhut und Samba. Die Wahrheit ist: Brasilien ist ein Land der Gegensätze,
Reichtum und Armut prallen hier wie nirgendwo aufeinander - trotz steigender Wirtschaftskraft
als Schwellenland hat das Land mit vielen sozialen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten
zu kämpfen. Unser Korrespondent Pater Max Cappabianca OP zur Situation der Kirche
in dem Land:
„Die Befreiungstheologie ist am Ende“. Ein falsches Urteil, denn
trotz wiederholter vatikanischer Interventionen gegen Theologen wie Leonardo Boff
oder dem Sektenproblem: Die Kirche versteht sich weiterhin als Anwältin der Armen.
Bischöfe, Priester, Katechisten und Laien – sie alle kämpfen für eine gerechtere Welt
aus christlichen Werten. Anders als in Europa sind hier die Härten des kapitalistischen
Systems nicht gemildert durch einen funktionierenden Sozialstaat. Das erklärt, warum
in der Vergangenheit auch militante kommunistische Bewegungen so viel Erfolg haben
konnten. Die Kirche war schon immer auf Seiten der Armen, sagt der aus der Schweiz
stammende Bischof Cristian Kropf. Der Sankt Gallener ist seit über vierzig Jahren
in Brasilien, vor 27 Jahren wurde er erster Bischof von Jequié im Nordosten Brasiliens.
„In
Brasilien hat sich die Kirche sehr stark eingesetzt - im Rechtsbereich, aber auch
durch Hinwirken auf Strukturveränderungen. Das Ziel war mehr Gerechtigkeit, gegen
Ausbeutung der Arbeiter. Brasilien hat der brasilianischen Bischofskonferenz einiges
zu verdanken, vor allem in der Zeit des Militärregimes, wo die Kirche noch das Sprachrohr
war von Leuten, die nicht mehr offen die Zustände kritisieren konnten, weil sie ansonsten
eingesperrt worden wären. Bischöfe konnten sie nicht so gut einsperren!“
Inzwischen
ist auch Brasilien auf dem Weg der Demokratisierung – aber Veränderungen müssen tiefer
greifen, meint der Bischof.
„Ich sage: Zu einer solchen Gesellschaft kommt
man nicht mit einer Revolution, nicht durch Proteste gegen die Globalisierung, gegen
Kapitalismus, gegen Neoliberalismus! Der Weg dazu ist der Weg der Bildung, der Ausbildung,
der persönlichen Bildung! Ich dränge immer drauf, dass wir nur ein besseres Brasilien
haben durch bessere Brasilianer, dass wir nur eine bessere Welt haben mit besseren
Menschen!“
Am meisten hat die Kirche mit den Sekten zu kämpfen. Der Katholikenanteil
ist von 90 auf mittlerweile unter 70 Prozent gesunken. Ein „Instant-Glauben“ wird
in den Sekten geboten, Opium für das Volk, oft verbunden mit handfesten wirtschaftlichen
Interessen. Zwar wenden sich die Menschen mittlerweile auch wieder ab - über 30 Prozent
der Sektenanhänger sagen, sie fühlten sich betrogen. Doch das Problem bleibt, weil
die Kirche es oft nicht schafft, die Menschen an sich zu binden. Bischof Krapf:
„Brasilien hat eine große Reserve an Glauben... manchmal allerdings nicht rational
genug, es fehlt an religiöser Bildung. Das hat zum Teil mit einer defizitären Schulbildung
zu tun. Andererseits ist der Kirchenbesuch relativ schlecht, allerdings wird er besser.
In unserer Gegend haben wir fast in jeder Pfarrei Kirchen gebaut - und die sind voll.
Andererseits geht die katholische Kirche rein zahlenmäßig zurück, und man muß schon
sagen, die meisten Katholiken nehmen wenig an der Messe teil.“
Dennoch
hat die Kirche für die Zukunft eine wichtige Aufgabe, meint Bischof Krapf. Die „Option
für die Armen“, das Leben mit den Unterdrückten teilen – das sei entscheidend. Und
dafür müssten auch die Strukturen gestärkt werden:
„Manchmal werde ich
gefragt, warum ich soviel Wert auf die Priesterausbildung lege - ich sollte doch mehr
in sozialer Richtung tun. Die erste Antwort ist, dass ich mit der Ausbildung eines
Priesters, der wirklich seine Pflicht erfüllt, auch in materieller Hinsicht und in
sozialer Hinsicht mehr leistet, als wenn ich das Geld, das die teure Ausbildung eines
Priesters kostet, direkt an die Armen verteilen würde. Die Regierung verteilt ja bereits
die Almosen, aber das ist nicht die Lösung. Die Menschen brauchen keine Almosen, die
Leute brauchen Arbeit!“
Und das geht nicht nur die Kirche in Brasilien
an, sondern auf der ganzen Welt! Entscheidend sei, so Dom Cristiano:
„…dass
wirklich die Menschheit irgendwie dazu kommen muss, dass die Reichen etwas von Ihren
Privilegien hergeben. Das ist - sagen wir mal - das christliche Rezept. Das kommunistische
Rezept ist, die Armen zu organisieren und sich das zu nehmen, was ihnen eigentlich
gehört: Gott hat die Welt nicht für ein paar privilegierte Klassen geschaffen. Aber
da lautet doch die Frage, wie kommt man dazu?“ (rv 10.05.2007)