Papst Benedikt XVI.
besucht die „Fazenda da Esperanza“ (Hof der Hoffnung). 1979 von dem deutschen Franziskaner
Hans Stapel gegründet, will sie ein Gegenentwurf sein zur Banden- und Drogenkriminalität
der brasilianischen Gesellschaft. Hier finden Jugendliche einen Ort, die von der Droge
loskommen wollen und nach einem ersten Entzug lernen, wieder mit ihrem Leben umzugehen.
Papst Benedikt besucht heute die Fazenda. Pater Max Cappabianca hat vor Ort mit dem
aus dem Bistum Paderborn stammenden Franziskaner Frey Hans Stapel gesprochen.
Was
bedeutet dieser Besuch für die Menschen hier? „Das ist schwer zu sagen. Ich
hab` den Eindruck, jeden Tag begreifen sie mehr, was das ist, denn für viele ist der
Papst einfach unvorstellbar. Jetzt sehen sie die vielen Fernsehleute, die kommen:
Sie merken, das ist etwas sehr Wichtiges. Viele haben geweint vor Freude, als sie
hörten, dass der Papst kommt. Einer sagte mir, als ich ihn fragte, warum weinst du:
,Ich war ein Leben lang nur ein schwarzes Schaf, nie war ich etwas wert, ich habe
alles falsch gemacht in meinem Leben - und jetzt kommt der Papst und besucht mich.’
Das ist unvorstellbar! Es ist einfach so etwas Gewaltiges, denn er ist das erste Mal
in Brasilien, das erste Mal in Lateinamerika, und er hat tausend Einladungen. Und
er kommt hierhin zu den Ausgeschlossenen, zu denen, die viele einfach nicht sehen
wollen und beschimpfen. Und jetzt kommt der Papst und besucht sie und nimmt im Grunde
diese Haltung des Vaters ein, der den verlorenen Sohn umarmt und ihm die Würde wieder
schenkt! Das ist etwas Gewaltiges! Ich bin stolz auf den Papst, dass er das tut.“ Was
wird von diesem Treffen bleiben? „Zunächst einmal all das, was wir jetzt machen!
Der Papst nimmt nicht die Kirche mit, die Häuser, die Straße. Endlich haben wir Asphalt,
wir haben jetzt Telefon hinbekommen und Internet, das Licht und alles. Der Staat setzt
sich wirklich ein: Sie wollen alles tun für den Papst! Ich sage immer, das ist der
beste Bürgermeister, den wir hatten. Wir haben jetzt so viele Dinge, und das bleibt
alles: Das ist materiell betrachtet schon mal positiv. Was aber vom Geistigen her
bleiben wird, ist noch viel mehr: Er wird die Jugendlichen tief treffen, es ist zum
Beispiel noch nie so eine Beständigkeit da gewesen. Es geht keiner weg von den Fazendas,
wir haben so viele Nachfragen wie nie zuvor, alle Fazendas sind überfüllt, es kommen
ganz viele Anfragen. Das ist doch toll, dass die Leute aus der Droge raus wollen,
die diese Hölle erfahren, die oft kriminell sind und jetzt auf einmal sagen, ich will
ein neues Leben beginnen, weil sie getroffen sind von dem, was sie hier sehen. Die
Medien bringen dieses neue Leben weiter, nutzen ihre Macht für etwas so Positives.
Das ist gewaltig, was der Papst hier erreicht!“ Es ist eine große Botschaft
für die Menschen die hier sind, aber trotzdem hat der Besuch ja auch eine Bedeutung
über Brasilien hinaus: Was, glauben Sie, will der Papst mit seinem Besuch hier der
Welt sagen? „Er will ihnen zeigen, dass dieser Weg, den wir hier mit den Ausgeschlossenen
und mit den Marginalisierten leben, dass der auch für alle gilt. Denn das Wort, das
wir hier leben, ist ja das Evangelium und das Wort Gottes. Und das ist ja für alle
gesagt: Gott hat den Himmel verlassen und hat unter uns gelebt, um uns einen Weg zu
zeigen. Und wenn wir die Worte leben, die im Evangelium sind und sie ernst nehmen,
dann haben wir eine Antwort auf alle Probleme. Ich komme jetzt gerade von
einer Afrikareise zurück, ich habe dort unsere Fazenda besucht, und als ich dieses
große Elend sah und die Menschen, die am Verhungern sind, die wirklich nichts haben,
da habe ich mich gefragt, warum es eine solche Situation überhaupt gibt. Und mir kam
gleich das Wort vom Evangelium in den Sinn, wo Jesus sagt, wenn jemand zwei Mäntel
hat, der gebe dem, der keinen hat. Und ich habe mir gedacht, wenn nur wir Christen
das leben würden, dann wäre das Problem gelöst. Wie viele Dinge gibt es,
die wir nicht brauchen und in unseren Häusern liegen! Wie viel Schmuck ist eingeschlossen
und man muss nur Angst haben, dass er geklaut wird. Man kann ihn kaum gebrauchen.
Könnte damit nicht so viel Hunger gestillt werden?! Oder dann habe ich die
vielen Aidskranken getroffen, habe die Prostitution gesehen. Ich habe mich gefragt,
warum gibt es soviel Elend. Wieder kam mir der Satz aus dem Evangelium in den Sinn,
wer eine Frau anschaut mit dem Wunsch, sie zu besitzen, der bricht die Ehe. Wenn wir
diese Sätze ernst nehmen würden, dann würden wir nicht so viele Probleme haben! Gerade
was die Aidskranken angeht, die sterben ja da wie Fliegen. Oder wenn ich
an die Straßenkinder denke, ich habe viele von ihnen getroffen. Das Evangelium sagt:
Wer ein Kind aufnimmt, nimmt mich auf. Glauben wir wirklich, dass in jedem Kind Jesus
ist? Wenn wir das wirklich glauben würden, gäbe es keine Straßenkinder! Als ich dann
zurückkam, habe ich gleich an unsere Kinder gedacht: Wir haben ein Haus gehabt für
die Kinder aidskranker Eltern, die bei uns sterben, da habe ich gedacht: Das geht
nicht! Und da habe ich alle unsere Familien gerufen, die zu unserer geistigen Familie
gehören, und habe gesagt: Wir haben noch 16 Kinder, die sind in einem Heim... das
ist nicht gut, wir brauchen eine Familie. Jesus hat dieses Wort gesagt. Und sie haben
gleich alle Kinder adoptiert, und jetzt haben alle eine Familie. Ich bin
davon überzeugt, wenn wir das Evangelium lesen, haben wir die Lösung für alle Probleme
dieser Welt! Und ich hoffe, dass der Papst diese Botschaft allen weitergibt!“
In
ganz Brasilien gibt es inzwischen 32 weitere Fazendas mit mehr als 1.000 Hilfesuchenden.
Auch in anderen Ländern gibt es diese Anlaufstellen, unter anderem in Argentinien,
Paraguay, Mexiko, auf den Philippinen – und auch zwei in Deutschland.