2007-04-23 10:27:16

Vatikan: Papst schreibt an Merkel


Papst Benedikt XVI. und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel haben mit Blick auf den kommenden G8-Gipfel der Industrienationen in Heiligendamm im letzten Dezember Briefe ausgetauscht. Der Vatikan machte heute den Inhalt der beiden Schreiben bekannt. Danach bestärkt der Papst die Kanzlerin in dem Vorhaben, das Thema der Armut vor allem mit Blick auf Afrika auf dem Gipfel vorrangig zu behandeln.

„Für die armen Länder“, so schreibt Benedikt wörtlich, „sollten auf verläßliche und dauerhafte Weise günstige Handelsbedingungen geschaffen und gewährleistet werden, die vor allem einen breiten und vorbehaltlosen Zugang zu den Märkten einschließen.“ Weitere Forderungen: Ein völliger „Erlaß der Auslandsschulden der stark verschuldeten armen Länder und der am wenigsten entwickelten Länder“. Erfüllug der so genannten „Millenniumsziele“. „Investitionen“ in die Entwicklung von billigen Medikamenten gegen Aids und Malaria. Des weiteren müssen sich die entwickelten Länder auch der von ihnen übernommenen Verpflichtungen im Bereich der Entwicklungshilfe bewußt sein und diese vollständig erfüllen. Eindämmung des Handels mit Waffen und Rohstoffen. Kampf gegen Korruption und „Kapitalflucht aus armen Ländern“. All das sei natürlich Aufgabe der internationalen Gemeinschaft überhaupt - aber die G8 und die EU, deren Ratspräsidentschaft Deutschland derzeit innehat, sollten hier doch „eine Führungsrolle übernehmen“, wünscht sich Benedikt. Der Vatikan veröffentlicht auch ein ausführliches Antwortschreiben Angela Merkels vom 2. Februar, in dem sie sich zu den vom Papst aufgeführten Zielen bekennt. Vielleicht nicht der Briefwechsel, aber doch seine Veröffentlichung ist etwas, für das es in der neueren Geschichte der Päpste kaum Beispiele gibt. Vatikan-Sprecher Pater Federico Lombardi SJ hat ihn in einem Statement als Beleg dafür bezeichnet, dass der Papst „nicht eurozentrisch“ ist.

(rv 23.04.2007 sk)

Hier die Schreiben des Papstes und der Bundeskanzlerin im vollen Wortlaut:

Ihrer Exzellenz
Dr. Angela MERKEL
Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland

Am 17. Juli 2006 haben Sie zum Abschluß des Gipfeltreffens in St. Petersburg angekündigt, daß die Gruppe der sieben führenden Wirtschaftsnationen plus Rußland (G8) unter Ihrer Präsidentschaft das Thema der weltweiten Armut weiterhin auf der Tagesordnung halten wird. Zudem ließ die Regierung der Bundesrepublik Deutschland am vergangenen 18. Oktober verlauten, daß die Hilfe für Afrika beim Gipfeltreffen in Heiligendamm ein vorrangiges Thema sein wird.
Ich schreibe Ihnen daher, um den Dank der Katholischen Kirche sowie auch meine persönliche Wertschätzung für diese Ankündigungen zum Ausdruck zu bringen.
So begrüße ich es, daß das Thema „Armut“ nun auf der Tagesordnung der G8 steht, wobei ausdrücklich auf Afrika Bezug genommen wird. In der Tat sollte dieser Thematik zum Nutzen der armen wie auch der reichen Staaten höchste Aufmerksamkeit und Priorität zukommen. Die Tatsache, daß die deutsche Präsidentschaft der G8 mit der Präsidentschaft der Europäischen Union zusammenfällt, bietet eine einzigartige Chance, dieses Thema anzugehen. Ich bin zuversichtlich, daß Deutschland die ihm so zufallende Führungsrolle bei diesem Fragenkomplex, der von weltweiter Bedeutung ist und uns alle betrifft, in positiver Weise einnehmen wird.
Bei unserer Begegnung am vergangenen 28. August haben Sie mir versichert, daß Deutschland die Sorge des Heiligen Stuhls ob der Unfähigkeit der reichen Länder teilt, den ärmsten Staaten, besonders jenen in Afrika, finanzielle und den Handel betreffende Bedingungen anzubieten, die ermöglichen, ihre nachhaltige Entwicklung zu fördern.
Der Heilige Stuhl hat wiederholt betont, daß die Regierungen der ärmeren Länder ihrerseits in der Verantwortung stehen im Hinblick auf good governance und auf die Beseitigung der Armut, daß hierbei aber eine aktive Zusammenarbeit von Seiten der internationalen Partner unverzichtbar ist. Dabei handelt es sich nicht um eine Sonderaufgabe oder um Zugeständnisse, die aufgrund dringender nationaler Interessen aufgeschoben werden könnten. Es besteht vielmehr eine schwere und unbedingte moralische Verpflichtung, die auf der Zusammengehörigkeit der Menschheitsfamilie sowie auf der gemeinsamen Würde und Bestimmung der armen und der reichen Länder gründet, die durch den Prozeß der Globalisierung immer enger zusammenwachsen.
Für die armen Länder sollten auf verläßliche und dauerhafte Weise günstige Handelsbedingungen geschaffen und gewährleistet werden, die vor allem einen breiten und vorbehaltlosen Zugang zu den Märkten einschließen.
Es müssen auch Vorkehrungen für einen schnellen, vollständigen und vorbehaltlosen Erlaß der Auslandsschulden der stark verschuldeten armen Länder (heavily indebted poor countries – HIPC) und der am wenigsten entwickelten Länder (least developed countries – LDC) getroffen werden. Ebenso sollen Maßnahmen ergriffen werden, damit diese Länder nicht erneut in eine Situation untragbarer Schuldenlast geraten.
Des Weiteren müssen sich die entwickelten Länder auch der von ihnen übernommenen Verpflichtungen im Bereich der Entwicklungshilfe bewußt sein und diese vollständig erfüllen.
Darüber hinaus bedarf es umfangreicher Investitionen auf dem Feld der Forschung und Entwicklung von Medikamenten zur Behandlung von AIDS, Tuberkulose, Malaria und anderen Tropenkrankheiten. In dieser Hinsicht stellt sich den entwickelten Ländern die vordringliche wissenschaftliche Aufgabe, endlich einen Impfstoff gegen die Malaria zu entwickeln. Ebenso besteht die Notwendigkeit, medizinische und pharmazeutische Technologie sowie Erfahrungswissen aus dem Bereich der Gesundheitsfürsorge zur Verfügung zu stellen, ohne dafür rechtliche oder wirtschaftliche Verpflichtungen einzufordern.
Schließlich muß die internationale Staatengemeinschaft sich weiter um eine bedeutende Verringerung sowohl des legalen als auch des illegalen Waffenhandels, des illegalen Handels mit wertvollen Rohstoffen und der Kapitalflucht aus armen Ländern bemühen und sich für die Beseitigung von Praktiken der Geldwäsche und der Korruption von Beamten in armen Ländern einsetzen.
Obschon diese Herausforderungen von allen Mitgliedern der internationalen Staatengemeinschaft anzunehmen sind, sollten die G8 und die Europäische Union hier eine Führungsrolle übernehmen.
Angehörige verschiedener Religionen und Kulturen auf der ganzen Welt sind überzeugt, daß die Erreichung des Ziels, bis zum Jahr 2015 die extreme Armut zu beseitigen, eine der wichtigsten Aufgaben unserer Zeit darstellt. Sie teilen darüber hinaus die Überzeugung, daß dieses Ziel in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem Weltfrieden und der weltweiten Sicherheit steht. Ihr Blick richtet sich jetzt auf die in der nächsten Zeit der deutschen Regierung übertragene Führung, bei der sichergestellt werden soll, daß die G8 und die Europäische Union die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um die Armut zu überwinden. Die Gläubigen sind bereit, ihren Beitrag zu diesen Bemühungen zu leisten, und unterstützen solidarisch Ihren Einsatz.
Indem ich den Segen Gottes für die Arbeit der G8 und der Europäischen Union unter deutscher Präsidentschaft erbitte, nehme ich die Gelegenheit wahr, Ihnen, Frau Bundeskanzlerin, erneut meine ganz vorzügliche Hochachtung zum Ausdruck zu bringen.

Aus dem Vatikan, am 16. Dezember 2006





Berlin, 2, Februar 2007

Seiner Heiligkeit
Papst Benedikt XVI
Vatikanstaat

Eure Heiligkeit,

mit großer Freude habe ich Ihren Brief vom 16. Dezember 2006 gelesen, in dem Sie Ihre guten Wünsche übermitteln und Ihre Anliegen für unsere EU- und G8- Präsidentschaft darlegen. Besonders freue ich mich, dass Sie als Oberhaupt der katholischen Kirche die Anliegen der deutschen EU- und der G8-Präsidentschaft unterstützen. Dass mir gerade Ihr Zuspruch dabei besonders am Herzen liegt, darf ich an dieser Stelle kurz anmerken.

Wir wollen die deutsche G8-Präsidentschaft und die EU-Ratspräsidentschaft nutzen, um bei Armutsbekämpfung und Erreichung: der Millenniumsziele voranzukommen. Dabei legen wir einen Schwerpunkt auf die Entwicklungspotentiale und Herausforderungen des afrikanischen Kontinents. Hierbei geht es in der G8- Präsidentschaft um die wirtschaftliche Entwicklung des Kontinents und Fragen der Regierungsführung sowie um Aspekte von Frieden und Sicherheit. Mir liegt sehr daran, dass die Beziehungen der G8 zu Afrika im Sinne einer Reformpartnerschaft ausgebaut werden. Neben verstärkten Eigenanstrengungen der afrikanischen Staaten ist dabei ein größeres Engagement der internationalen Gemeinschaft von Bedeutung.

Der Kampf gegen HIV/Aids sowie die Stärkung von Gesundheitssystemen sind wichtige Schwerpunkte vor allem der G8-Präsidentschaft. Unser Ziel ist es, die Strategien in der HIV/Aids-Bekämpfung so zu ändern, dass sie besonders die Situation von Frauen und Mädchen berücksichtigen. All diese Bemühungen bleiben aber nur Stückwerk, wenn nicht langfristig die Gesundheitssysteme ausgebaut werden.

Die von Ihnen genannten Herausforderungen zu Transparenz auf den Finanz- und Rohstoffmärkten werden wir im G8-Rahmen verstärkt aufgreifen. Dazu gehört vor allem die Förderung und der Ausbau der bereits etablierten Extraction Industry Transparency-Initiative (EITI), die unsere ganze Unterstützung erfährt.

Die von Ihnen angesprochenen Entschuldungsinitiativen sind ein wichtiger Faktor in der Armutsbekämpfung. Die Maßnahmen, die während der G8-Gipfel in Köln (1999) und Gleneagles (2005) beschlossen wurden, haben den entschuldeten Ländern finanzielle Spielräume ermöglicht, die sie für die Armutsbekämpfung in ihrem Land nutzen können. Um den multilateralen Schuldenerlass von Gleneagles für ärmste hoch verschuldete Entwicklungsländer umzusetzen, hat die Bundesregierung eine deutsche Beteiligung in Höhe von insgesamt rund 3,6 Mrd. € zugesagt. Auch die Einrichtung eines Rahmenwerkes für die Schuldentragfähigkeit (Debt Sustainability Framework) wird durch die Bundesregierung unterstützt. Dieses Rahmenwerk ist ein wichtiges Instrument, um das Risiko einer erneuten Überschuldung der ärmsten Staaten zu begrenzen. Mittlerweile konnten die entschuldeten Länder ihre Ausgaben zur Armutsbekämpfung von 7 % im Jahr 1999 auf 9 % des BIP im Jahr 2005 steigern Mittel, die beispielsweise in Schulen und Gesundheitseinrichtungen eingesetzt werden können.

Im Handelsbereich haben wir uns vorgenommen, die so genannten Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zwischen der EU und den Ländern Afrikas, der Karibik und des Pazifischen Raumes zu einem entwicklungsförderlichen Abschluss bringen.

Darüber hinaus werden wir unsere EU- und G8-Prasidentschaft dazu nutzen, den Dialog mit den Schwellenländern voranzubringen. Schwellenländer wie Brasilien, China, Indien, Mexiko und Südafrika werden für die Lösung globaler Probleme wie Energieversorgung, Klimawandel und den Umgang mit Rohstoffen immer wichtiger. Deshalb haben wir uns das ehrgeizige Ziel gesetzt, mit diesen Ländern auch über schwierige Fragen zu sprechen. Denn nur wenn alle starken Akteure auf dieser Welt ihre Verantwortung wahrnehmen, können wir zu mehr Gerechtigkeit und Frieden gelangen.

Ich denke, dass wir mit den dargestellten thematischen Schwerpunkten Impulse für eine nachhaltige Entwicklung geben und so einen Beitrag zur gerechten Gestaltung der Globalisierung weltweit leisten können.

Nochmals aber danke ich Ihnen für Ihr Schreiben.

Mit freundlichen Grüßen

Angela Merkel







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