Papst Benedikt XVI. und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel haben mit Blick
auf den kommenden G8-Gipfel der Industrienationen in Heiligendamm im letzten Dezember
Briefe ausgetauscht. Der Vatikan machte heute den Inhalt der beiden Schreiben bekannt.
Danach bestärkt der Papst die Kanzlerin in dem Vorhaben, das Thema der Armut vor allem
mit Blick auf Afrika auf dem Gipfel vorrangig zu behandeln.
„Für die armen
Länder“, so schreibt Benedikt wörtlich, „sollten auf verläßliche und dauerhafte Weise
günstige Handelsbedingungen geschaffen und gewährleistet werden, die vor allem einen
breiten und vorbehaltlosen Zugang zu den Märkten einschließen.“ Weitere Forderungen:
Ein völliger „Erlaß der Auslandsschulden der stark verschuldeten armen Länder und
der am wenigsten entwickelten Länder“. Erfüllug der so genannten „Millenniumsziele“.
„Investitionen“ in die Entwicklung von billigen Medikamenten gegen Aids und Malaria.
Des weiteren müssen sich die entwickelten Länder auch der von ihnen übernommenen Verpflichtungen
im Bereich der Entwicklungshilfe bewußt sein und diese vollständig erfüllen. Eindämmung
des Handels mit Waffen und Rohstoffen. Kampf gegen Korruption und „Kapitalflucht aus
armen Ländern“. All das sei natürlich Aufgabe der internationalen Gemeinschaft überhaupt
- aber die G8 und die EU, deren Ratspräsidentschaft Deutschland derzeit innehat, sollten
hier doch „eine Führungsrolle übernehmen“, wünscht sich Benedikt. Der Vatikan veröffentlicht
auch ein ausführliches Antwortschreiben Angela Merkels vom 2. Februar, in dem sie
sich zu den vom Papst aufgeführten Zielen bekennt. Vielleicht nicht der Briefwechsel,
aber doch seine Veröffentlichung ist etwas, für das es in der neueren Geschichte der
Päpste kaum Beispiele gibt. Vatikan-Sprecher Pater Federico Lombardi SJ hat ihn in
einem Statement als Beleg dafür bezeichnet, dass der Papst „nicht eurozentrisch“ ist.
(rv
23.04.2007 sk)
Hier die Schreiben des Papstes und der Bundeskanzlerin im
vollen Wortlaut:
Ihrer Exzellenz Dr. Angela MERKEL Bundeskanzlerin
der Bundesrepublik Deutschland
Am 17. Juli 2006 haben Sie zum Abschluß des
Gipfeltreffens in St. Petersburg angekündigt, daß die Gruppe der sieben führenden
Wirtschaftsnationen plus Rußland (G8) unter Ihrer Präsidentschaft das Thema der weltweiten
Armut weiterhin auf der Tagesordnung halten wird. Zudem ließ die Regierung der Bundesrepublik
Deutschland am vergangenen 18. Oktober verlauten, daß die Hilfe für Afrika beim Gipfeltreffen
in Heiligendamm ein vorrangiges Thema sein wird. Ich schreibe Ihnen daher, um
den Dank der Katholischen Kirche sowie auch meine persönliche Wertschätzung für diese
Ankündigungen zum Ausdruck zu bringen. So begrüße ich es, daß das Thema „Armut“
nun auf der Tagesordnung der G8 steht, wobei ausdrücklich auf Afrika Bezug genommen
wird. In der Tat sollte dieser Thematik zum Nutzen der armen wie auch der reichen
Staaten höchste Aufmerksamkeit und Priorität zukommen. Die Tatsache, daß die deutsche
Präsidentschaft der G8 mit der Präsidentschaft der Europäischen Union zusammenfällt,
bietet eine einzigartige Chance, dieses Thema anzugehen. Ich bin zuversichtlich, daß
Deutschland die ihm so zufallende Führungsrolle bei diesem Fragenkomplex, der von
weltweiter Bedeutung ist und uns alle betrifft, in positiver Weise einnehmen wird. Bei
unserer Begegnung am vergangenen 28. August haben Sie mir versichert, daß Deutschland
die Sorge des Heiligen Stuhls ob der Unfähigkeit der reichen Länder teilt, den ärmsten
Staaten, besonders jenen in Afrika, finanzielle und den Handel betreffende Bedingungen
anzubieten, die ermöglichen, ihre nachhaltige Entwicklung zu fördern. Der Heilige
Stuhl hat wiederholt betont, daß die Regierungen der ärmeren Länder ihrerseits in
der Verantwortung stehen im Hinblick auf good governance und auf die Beseitigung der
Armut, daß hierbei aber eine aktive Zusammenarbeit von Seiten der internationalen
Partner unverzichtbar ist. Dabei handelt es sich nicht um eine Sonderaufgabe oder
um Zugeständnisse, die aufgrund dringender nationaler Interessen aufgeschoben werden
könnten. Es besteht vielmehr eine schwere und unbedingte moralische Verpflichtung,
die auf der Zusammengehörigkeit der Menschheitsfamilie sowie auf der gemeinsamen Würde
und Bestimmung der armen und der reichen Länder gründet, die durch den Prozeß der
Globalisierung immer enger zusammenwachsen. Für die armen Länder sollten auf verläßliche
und dauerhafte Weise günstige Handelsbedingungen geschaffen und gewährleistet werden,
die vor allem einen breiten und vorbehaltlosen Zugang zu den Märkten einschließen. Es
müssen auch Vorkehrungen für einen schnellen, vollständigen und vorbehaltlosen Erlaß
der Auslandsschulden der stark verschuldeten armen Länder (heavily indebted poor countries
– HIPC) und der am wenigsten entwickelten Länder (least developed countries – LDC)
getroffen werden. Ebenso sollen Maßnahmen ergriffen werden, damit diese Länder nicht
erneut in eine Situation untragbarer Schuldenlast geraten. Des Weiteren müssen
sich die entwickelten Länder auch der von ihnen übernommenen Verpflichtungen im Bereich
der Entwicklungshilfe bewußt sein und diese vollständig erfüllen. Darüber hinaus
bedarf es umfangreicher Investitionen auf dem Feld der Forschung und Entwicklung von
Medikamenten zur Behandlung von AIDS, Tuberkulose, Malaria und anderen Tropenkrankheiten.
In dieser Hinsicht stellt sich den entwickelten Ländern die vordringliche wissenschaftliche
Aufgabe, endlich einen Impfstoff gegen die Malaria zu entwickeln. Ebenso besteht die
Notwendigkeit, medizinische und pharmazeutische Technologie sowie Erfahrungswissen
aus dem Bereich der Gesundheitsfürsorge zur Verfügung zu stellen, ohne dafür rechtliche
oder wirtschaftliche Verpflichtungen einzufordern. Schließlich muß die internationale
Staatengemeinschaft sich weiter um eine bedeutende Verringerung sowohl des legalen
als auch des illegalen Waffenhandels, des illegalen Handels mit wertvollen Rohstoffen
und der Kapitalflucht aus armen Ländern bemühen und sich für die Beseitigung von Praktiken
der Geldwäsche und der Korruption von Beamten in armen Ländern einsetzen. Obschon
diese Herausforderungen von allen Mitgliedern der internationalen Staatengemeinschaft
anzunehmen sind, sollten die G8 und die Europäische Union hier eine Führungsrolle
übernehmen. Angehörige verschiedener Religionen und Kulturen auf der ganzen Welt
sind überzeugt, daß die Erreichung des Ziels, bis zum Jahr 2015 die extreme Armut
zu beseitigen, eine der wichtigsten Aufgaben unserer Zeit darstellt. Sie teilen darüber
hinaus die Überzeugung, daß dieses Ziel in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem
Weltfrieden und der weltweiten Sicherheit steht. Ihr Blick richtet sich jetzt auf
die in der nächsten Zeit der deutschen Regierung übertragene Führung, bei der sichergestellt
werden soll, daß die G8 und die Europäische Union die notwendigen Maßnahmen ergreifen,
um die Armut zu überwinden. Die Gläubigen sind bereit, ihren Beitrag zu diesen Bemühungen
zu leisten, und unterstützen solidarisch Ihren Einsatz. Indem ich den Segen Gottes
für die Arbeit der G8 und der Europäischen Union unter deutscher Präsidentschaft erbitte,
nehme ich die Gelegenheit wahr, Ihnen, Frau Bundeskanzlerin, erneut meine ganz vorzügliche
Hochachtung zum Ausdruck zu bringen.
Aus dem Vatikan, am 16. Dezember 2006
Berlin,
2, Februar 2007
Seiner Heiligkeit Papst Benedikt XVI Vatikanstaat
Eure
Heiligkeit,
mit großer Freude habe ich Ihren Brief vom 16. Dezember 2006 gelesen,
in dem Sie Ihre guten Wünsche übermitteln und Ihre Anliegen für unsere EU- und G8-
Präsidentschaft darlegen. Besonders freue ich mich, dass Sie als Oberhaupt der katholischen
Kirche die Anliegen der deutschen EU- und der G8-Präsidentschaft unterstützen. Dass
mir gerade Ihr Zuspruch dabei besonders am Herzen liegt, darf ich an dieser Stelle
kurz anmerken.
Wir wollen die deutsche G8-Präsidentschaft und die EU-Ratspräsidentschaft
nutzen, um bei Armutsbekämpfung und Erreichung: der Millenniumsziele voranzukommen.
Dabei legen wir einen Schwerpunkt auf die Entwicklungspotentiale und Herausforderungen
des afrikanischen Kontinents. Hierbei geht es in der G8- Präsidentschaft um die wirtschaftliche
Entwicklung des Kontinents und Fragen der Regierungsführung sowie um Aspekte von Frieden
und Sicherheit. Mir liegt sehr daran, dass die Beziehungen der G8 zu Afrika im Sinne
einer Reformpartnerschaft ausgebaut werden. Neben verstärkten Eigenanstrengungen der
afrikanischen Staaten ist dabei ein größeres Engagement der internationalen Gemeinschaft
von Bedeutung.
Der Kampf gegen HIV/Aids sowie die Stärkung von Gesundheitssystemen
sind wichtige Schwerpunkte vor allem der G8-Präsidentschaft. Unser Ziel ist es, die
Strategien in der HIV/Aids-Bekämpfung so zu ändern, dass sie besonders die Situation
von Frauen und Mädchen berücksichtigen. All diese Bemühungen bleiben aber nur Stückwerk,
wenn nicht langfristig die Gesundheitssysteme ausgebaut werden.
Die von Ihnen
genannten Herausforderungen zu Transparenz auf den Finanz- und Rohstoffmärkten werden
wir im G8-Rahmen verstärkt aufgreifen. Dazu gehört vor allem die Förderung und der
Ausbau der bereits etablierten Extraction Industry Transparency-Initiative (EITI),
die unsere ganze Unterstützung erfährt.
Die von Ihnen angesprochenen Entschuldungsinitiativen
sind ein wichtiger Faktor in der Armutsbekämpfung. Die Maßnahmen, die während der
G8-Gipfel in Köln (1999) und Gleneagles (2005) beschlossen wurden, haben den entschuldeten
Ländern finanzielle Spielräume ermöglicht, die sie für die Armutsbekämpfung in ihrem
Land nutzen können. Um den multilateralen Schuldenerlass von Gleneagles für ärmste
hoch verschuldete Entwicklungsländer umzusetzen, hat die Bundesregierung eine deutsche
Beteiligung in Höhe von insgesamt rund 3,6 Mrd. € zugesagt. Auch die Einrichtung eines
Rahmenwerkes für die Schuldentragfähigkeit (Debt Sustainability Framework) wird durch
die Bundesregierung unterstützt. Dieses Rahmenwerk ist ein wichtiges Instrument, um
das Risiko einer erneuten Überschuldung der ärmsten Staaten zu begrenzen. Mittlerweile
konnten die entschuldeten Länder ihre Ausgaben zur Armutsbekämpfung von 7 % im Jahr
1999 auf 9 % des BIP im Jahr 2005 steigern Mittel, die beispielsweise in Schulen und
Gesundheitseinrichtungen eingesetzt werden können.
Im Handelsbereich haben
wir uns vorgenommen, die so genannten Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zwischen der
EU und den Ländern Afrikas, der Karibik und des Pazifischen Raumes zu einem entwicklungsförderlichen
Abschluss bringen.
Darüber hinaus werden wir unsere EU- und G8-Prasidentschaft
dazu nutzen, den Dialog mit den Schwellenländern voranzubringen. Schwellenländer wie
Brasilien, China, Indien, Mexiko und Südafrika werden für die Lösung globaler Probleme
wie Energieversorgung, Klimawandel und den Umgang mit Rohstoffen immer wichtiger.
Deshalb haben wir uns das ehrgeizige Ziel gesetzt, mit diesen Ländern auch über schwierige
Fragen zu sprechen. Denn nur wenn alle starken Akteure auf dieser Welt ihre Verantwortung
wahrnehmen, können wir zu mehr Gerechtigkeit und Frieden gelangen.
Ich denke,
dass wir mit den dargestellten thematischen Schwerpunkten Impulse für eine nachhaltige
Entwicklung geben und so einen Beitrag zur gerechten Gestaltung der Globalisierung
weltweit leisten können.