Nicht nur im nahen
Portugal – sondern auch im fernen Mexiko schlugen in den letzten Wochen die Wellen
zwischen Abtreibungsgegnern und Abtreibungsbefürwortern hoch. An diesem Dienstag will
das Parlament des Regierungsbezirks Mexiko-Stadt über das Gesetz zur Legalisierung
des Schwangerschaftsabbruchs bis zur 12. Woche entscheiden. Auch Mexikos Bischöfe
beschäftigte das Thema auf ihrer Vollversammlung letzte Woche. Ein Beitrag unserer
Korrespondentin Brigitte Schmitt:
Als seine Mutter mit ihm schwanger war
erlitt sie einen schweren Unfall und der Arzt riet ihr, das Ungeborene abzutreiben....
In lockerem Ton erzählt der mexikanische Komiker Roberto Gómez Bolaños wie sein Dasein
in dieser Welt vor 80 Jahren auf der Kippe stand. Doch dann antwortet die Mutter:
Niemals! Dank dieser Entscheidung seiner Mutter für das Leben ist Chespirito nun in
ganz Lateinamerika bekannt .Videoclips wie dieser, meterhohe Werbetafeln entlang der
Stadtautobahn in Mexiko, Handzettel und Gebetsvigil. Die verschiedenen Pro-Vita- Aktivisten
zogen das ganze Werberegister. Die Bewegung will vor allem eins: An das Gewissen der
Mexikaner und vor allem der Politiker appellieren. „Ganz gleich welcher Religion
du angehörst: Töte nicht! fordern die Lebensschützer. Treiben wir nicht das Leben
ab, sondern abortieren wir das Gesetz.“ Mit einem Pistolenschuss verleihen sie
ihrer Botschaft Nachdruck. Um die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs ging
es auch beim Bischofstreffen letzte Woche. Die Haltung der Kirche ist unumstößlich.
Die Bischöfe bleiben beim Nein ungeachtet harscher Kritik von Frauenverbänden, Politikern
und der katholischen Laienorganisation „Recht auf Selbstbestimmung“. Auf den Vorwurf,
die Kirche soll bei ihren Leisten bleiben, konterte der Bischof von Matamoros, Faustino
Armendariz Jimenez: „Unsere Aufgabe ist es, mit den Bürgern, mit dem Volk zu sein
und das Volk hat ein Recht, die Stimme zu erheben.“ Sie lassen sich beim Lebensschutz
nicht den Mund verbieten. Doch Armendariz Jimenez, dessen Bistum im Norden Mexikos
ständig die Folgen von Bandenkriegen im Drogenmilieu sieht, sprach eine noch größere
Sorge an: die täglich steigende Gewalt: „In Mexiko ist mit Sorge zu beobachten,
was Papst Johannes Paul II. als ,soziale Sünden’ gebrandmarkt hat: der Drogenhandel,
die Geldwäsche, die Korruption, der Terror der Gewalt, die wir überall im Land aus
nächster Nähe erleben.“ Der Grund dafür ist für die Bischöfe klar: Die Katholiken
begehen den größten Fehler dieser Zeit. Sie leben den Glauben nicht vor, den sie bekennen. In
dieser Diskrepanz sehen die Bischöfe Mexikos ihre Herausforderung für die nächsten
drei Jahre. Rund 80 Prozent der Bevölkerung bekennen sich zum katholischen Glauben,
sagen die Statistiken. Dennoch befürwortet mindestens die Hälfte der Mexikaner jüngsten
Umfragen zufolge die Freigabe der Abtreibung. Selbst Papst Benedikt hielt es für nötig,
den Lebensschützern in Mexiko den Rücken zu stärken. Doch Katholik zu sein ist
in Mexiko eher Formsache. Immer mehr kehren der Institution den Rücken, immer weniger
gehen in die Kirche. Individualismus und Materialismus verdrängen die christlichen
Werte. Die Bischöfe sind sich dieser Krise bewusst, ohne dass sie ein sicheres
Gegenmittel wüssten. So bekennt der Weihbischof von Acapulco, Juan Navarro Castellanos:
„Alle sagen, wir brauchen einen Zauberstab, um die Leute zu motivieren, sie
anzuleiten, damit sie als Menschen reifen. Das wäre ideal, wenn jeder für sich und
für die Gesellschaft eine klare Vorstellung hätte. Wir alle müssen uns dessen bewusst
werden, wir müssen Verantwortung übernehmen, auch für die anderen. Wir müssen versuchen,
uns gegenseitig zu unterstützen, damit wir alle besser leben können.“ Der Bischofsvorsitzende
Carlos Aguiar Retes will aber trotz des düsteren Szenarios nicht aufgeben. Er hofft,
dass das Treffen der lateinamerikanischen Bischöfe, das der Papst im nächsten Monat
eröffnen wird, Impulse und Handreichungen geben wird. Vor allem dass die Gemeinschaft,
die Einheit wieder Auftrieb erfährt. (rv 23.04.2007 bp/bs)