„Jesus von Nazareth“
– das erste Buch von Joseph Ratzinger als Papst kommt morgen, zum 80. Geburtstag des
Autors, in den Handel. 450 Seiten stark, widmet es sich dem, was Jesus dem Christen
immer sagte und auch heute sagt. Der Wiener Erzbischof Kardinal Schönborn stellte
das Buch am vergangenen Freitag für den Papst vor. Gudrun Sailer sprach mit dem Ratzinger-Schüler
Schönborn und fragte ihn zunächst, welchen Zugang Papst Benedikt wählte, um sich der
Gestalt Jesus Christus anzunähern.
„Wenn Benedikt XVI. sehr persönlich
über Jesus von Nazareth meditiert, ist das kein privater Akt. Aber es ist etwas Persönliches.
Eigentlich ist das gar nichts Verwunderliches, denn der Papst ist nicht der Chef eines
multinationalen Konzerns, sondern Nachfolger des Petrus. Petrus war der erste der
gesagt hat: du bist der Christus, der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes, und
auf diesem Bekenntnis steht bis heute die Kirche. Wenn der Nachfolger des Petrus darüber
meditiert, wer eigentlich Jesus ist, was er ihm persönlich zu sagen hat, dann tut
er sein Kerngeschäft, seine zentrale Aufgabe als Nachfolge des Petrus.“
Papst
Benedikt hält im Vorwort ausdrücklich fest, dass dies kein päpstliches Lehrschreiben
ist. Er lädt also die kritische Vernunft zu einer Debatte ein. Inwiefern ist das bezeichnend
für diesen Papst?
„Er hat sich auch als Professor, wo ich ihn erlebt habe,
immer sehr debattenfreudig gezeigt, er hat ein ganz großes Vertrauen in die Kraft
der Argumente. Darum lässt er sich auch gründlich ein auf die historische Kritik an
Jesus, stimmt das überhaupt, was man in der Bibel über ihn erzählt, ist das nicht
Pfaffenlug und Kirchenschwindel, muss man das nicht alles enthüllen wie das gewisse
Autoren mit großen finanziellen Erfolg machen – da stellt er sich ganz ungeniert der
strengen strikten Argumentation. Und diese Argumentation ist für ihn auch möglich,
und er vertraut darauf, dass die Argumente nachvollziehbar sind. Das ersetzt nicht
den Glauben, aber es zeigt zumindest eines für ihn, so ganz nebulös ist das Bild dieser
Jesus nicht, wie es in den Evangelien steht – das ist sehr glaubwürdig.“
Das
Buch erscheint zum 80. Geburtstag Papst Benedikts, und wenige Tage später jährt sich
der Pontifikatsbeginn für Benedikt zum zweiten Mal. Sie sprachen vorhin von Konzentration
auf das Kerngeschäft, sehen Sie das als Leitmotiv dieser zwei Jahre?
„In
einer Zeit, die sehr diffus ist, in der sehr viel Verwirrung herrscht, auch viel suchen,
ist es wichtig dass die Christen sich auf das besinnen, was der Kern des Evangeliums
ist. Das tut Benedikt in sehr entschiedener Weise, sehr ruhig, sehr unaufgeregt, aber
doch sehr überzeugend. Er vertraut darauf, dass man sich nicht um alles kümmern muss,
nicht zu allem gleich Stellung nehmen muss, überall sein Wort dazutun muss, sondern
wenn er spricht, will er von dem sprechen, was wirklich Kerngeschäft ist.“
Manche
Beobachter haben gemeint, Joseph Ratzinger habe nach der Papstwahl eine erstaunliche
Metamorphose durchlaufen, aus dem strengen Glaubenshüter wurde ein sanftmütiger Weltseelsorger,
aus dem Bewahrer ein leiser Revolutionär. Wie sehen Sie diese angebliche Metamorphose?
Ist es nicht doch eher Kontinuität, die wir hier am Werk sehen?
„Es ist
etwas naiv zu erwarten, dass der Papst wenn er sein Frühstücksei isst, ich weiß nicht
ob er das tut, irgendwas Neues erfindet. ER hat die Aufgabe, zu bewahren, sagen wir
nicht von Vornherein um Gottes willen, das ist was Schlimmes. In einer Zeit, in der
sich alles so schnell ändert, ist es wichtig, auch Kontinuität zu haben. Ein sicher
unverdächtiger Zeuge, Peter Sloterdijk, hat vor kurzem gesagt, im Rückblick auf die
68-er Jahre und was sie alles abgebaut haben, heute, sagt er, sind wir dankbar für
jedes Molekül stabiler Struktur. Und eine solche ist sicher die katholische Kirche.
Dass ei dabei trotzdem unglaublich innovativ ist und war, sehen Sie zum Beispiel an
der unleugbaren Tatsache, dass es pausenlos neue kreative Initiativen in der Kirche
gibt, neue Gemeinschaften, neue apostolische missionarische Initiativen, diese Kirche
hat eine große Vitalität, aber auch eine große Kraft des Bewahrens. Und ich denke,
für beides steht der Papst.“ (rv 15.04.2007 gs)