2007-04-07 16:11:00

2. April: Predigt zum Todestag Johannes Paul II.


Zu Beginn der Karwoche hat Benedikt XVI. seines Vorgängers gedacht. Am zweiten Todestag Johannes Pauls II. feierte der Papst eine Gedenkmesse auf dem Petersplatz. In Karol Wojtyla habe die Welt einen Menschen gesehen, den Gott "nach und nach seinem Christus ähnlich gemacht" habe.
Wir dokumentieren hier die Predigt in unserer eigenen Übersetzung:



Verehrte Mitbrüder im Bischofs- und Priesteramt,
liebe Schwestern und Brüder!


Es sind jetzt zwei Jahre her, dass unser geliebter Papst Johannes Paul II. aus dieser Welt geschieden ist und zum Haus des Vaters gegangen ist. Mit dieser Feier wollen wir in erster Linie unseren Dank an Gott erneuern, dass er ihn uns geschenkt hat, 27 Jahre lang, Vater und sicherer Führer im Glauben, eifriger Hirte und mutiger Prophet der Hoffnung, unermüdlicher Zeuge und leidenschaftlicher Diener der Liebe Gottes. Gleichzeitig bringen wir zum Gedenken seiner Seele das eucharistische Opfer da, in der unauslöschlichen Erinnerung an die Große Hingabe, mit der er die Heiligen Geheimnisse feierte und das Sakrament des Altars anbetete, das Zentrum seines Lebens und seines unermüdlichen apostolischen Dienstes.


Ich möchte euch allen, die ihr diese Heilige Messe mitfeiern wollt, danken. Einen besonderen Gruß richte ich an Kardinal Stanislaw Dziwisz, den Erzbischof von Krakau. Ich kann nachempfinden, welche Gefühle ihn in diesem Moment überkommen. Ich grüße die anderen Kardinäle, die Bischöfe, die Priester, die Ordensmänner und -frauen; die Pilger, die eigens aus Polen angereist sind, die vielen Jugendlichen, die Johannes Paul II. so sehr liebte, und die zahlreichen Gläubigen, die aus allen Teilen Italiens und der Welt sich heute hier auf dem Petersplatz eingefunden haben.


Der zweite Jahrestag des Todes des geliebten Papstes fällt in eine besondere Zeit der inneren Sammlung und des Gebets: Wir haben gestern, mit dem Palmsonntag, die Heilige Woche begonnen. Die Liturgie lässt uns die letzen Tage des irdischen Lebens Jesu nachempfinden. Heute führt uns die Liturgie nach Bethanien, wo genau „sechs Tage vor dem Osterfest“ - so bemerkt es der Evangelist Johannes - Lazarus, Martha und Maria den Meister zum Mahl laden. Das Evangelium berichtet von einem zutiefst österlichen Klima: Das Mahl in Bethanien ist das Vorspiel zum Tod Jesu. Mit dem Zeichen der Salbung ehrt Maria ihren Meister; er akzeptiert diese Salbung in Vorschau auf sein Begräbnis (vgl. Joh 12,7). Aber dieses Essen ist auch die Ankündigung seiner Auferstehung - durch die Anwesenheit des wiedererweckten Lazarus, beredter Zeuge der Macht Christi über den Tod. Über diese herausragende österliche Deutung hinaus, birgt die Erzählung vom Mahl in Bethanien ein herzzerreißendes Echo, voll an Zuneigung und Hingabe; eine Mischung aus Freude und Schmerz: festliche Freude über den Besuch Jesu und seiner Jünger, über die Auferweckung des Lazarus, über das nahe Osterfest; gleichzeitig tiefste Bitterkeit, weil dieses Osterfest das letzte sein könnte, wie es die Machenschaften der Juden befürchten ließen, die den Tod Jesu wollten und die drohten auch Lazarus zu beseitigen.


Es gibt eine Geste in diesem Evangelienabschnitt, die unsere Aufmerksamkeit erregt, die uns auch jetzt auf einzigartige Weise zu Herzen geht: Maria von Bethanien nimmt an einer bestimmten Stelle „ein Pfund echtes, kostbares Nardenöl, salbte Jesus die Füße und trocknete sie mit ihrem Haar“ (Joh 12,3). Das ist eines dieser Details aus dem Leben Jesu, die Johannes im Herzen bewahrt hat und unerschöpfliche Ausdruckskraft besitzen. Dieses Detail spricht von der Liebe zu Christus, eine unermesslich große Liebe, verschwenderisch wie das über seine Füße vergossene kostbare Öl. Eine symptomatische Handlung, die Judas Iskariot geradezu empört: Die Logik der Liebe widerspricht der des Profits.


Für uns - im Gebet und in der Erinnerung an meinen verehrten Vorgänger vereint - ist die Geste Marias reich an Widerhall und geistlichen Impulsen. Sie erinnert an das klare Zeugnis Johannes Pauls II von einer Liebe zu Christus ohne Vorbehalte. Der „Duft“ seiner Liebe „erfüllte das Haus“, und das ist die ganze Kirche. Sicher, wir, die wir ihm nahe waren, haben davon profitiert und dafür danken wir Gott. Diesen Duft konnten aber auch die genießen, die ihn aus der Ferne kannten. Denn die Liebe von Papst Wojtyla ist in alle Regionen der Welt ausgeströmt, so stark und intensiv war sie. Die Achtung, der Respekt und die Zuneigung, die Gläubige und Nichtgläubige zu seinem Tod geäußert haben - geben sie davon nicht beredt Zeugnis? Der Heilige Augustinus schreibt in seinem Kommentar zu diesem Vers des Johannesevangeliums: „Das Haus erfüllte sich mit Duft, d.h. die Welt erfüllte sich mit der guten Nachricht. Die gute Geruch ist die gute Nachricht… Dank guter Christen wird der Name des Herrn gelobt“ (in Io.evang.tr. 50,7). Es ist wirklich wahr: der intensive und fruchtbare Hirtendienst und noch mehr der Leidensweg des Todeskampfes und dann der friedvolle Tod unseres geliebten Papstes haben den Menschen unserer Zeit gezeigt, dass Christus wirklich sein ,ein und alles’ war.


Dass dieses Zeugnis Frucht bringen kann, wir wissen es, geht vom Kreuz aus. Im Leben Karol Wojtylas war das Wort ,Kreuz’ nicht nur ein Wort. Von Kindheit und Jugend an kannte er Schmerz und Tod. Als Priester und Bischof und vor allem als Papst nahm er diesen letzten Auftrag des auferstandenen Christus an Simon Petrus am Ufer des Sees von Galiläa sehr ernst: „Folge mir nach… Du aber folge mir nach!“ (Joh 21,19.22). Vor allem durch das langsame aber unversöhnliche Voranschreiten der Krankheit, die ihn nach und nach allem beraubt hat, ist sein Dasein zur vollkommenen Hingabe an Christus geworden, die leibhaftige Botschaft seines Leidens in der glaubensvollen Hoffnung auf die Auferstehung.


Sein Pontifikat verlief unter dem Zeichen des „Überflusses“, der freigiebigen Hingabe ohne Vorbehalte. Was bewegte ihn, wenn nicht die mystische Liebe zu Christus, ihn, der ihn am 16. Oktober 1978 mit den Worten rufen ließ: „Magister adest et vocat te - Der Meister ist hier und er ruft dich.“ Am 2. April 2005 kehrte der Meister zurück, dieses Mal ohne Mittelsmänner, er antwortete prompt mit seinem furchtlosen Herz und murmelte: „Lasst mich zum Herrn gehen“ (vgl. S. Dziwisz, Una vita con Karol, S. 223).


Seit langem hatte er sich auf diese letzte Begegnung mit Jesus vorbereitet, wie es auch die verschiedenen Absätze seines Testaments dokumentieren. Während der langen Aufenthalte in der Privatkapelle sprach er mit ihm, gab sich vollkommen seinem Willen hin und vertraute sich Maria an, wiederholte das Totus tuus. Wie sein göttlicher Meister hat er seinen Todeskampf betend vollbracht. Am letzten Tag seines Lebens, der Vigil zum Sonntag der Göttlichen Barmherzigkeit, bat er darum, dass ihm eben gerade das Johannesevangelium vorgelesen werde. Mithilfe der Personen, die ihm beistanden, wollte er an den täglichen Gebeten und dem Stundengebet teilnehmen, wollte anbeten und meditieren. Er starb betend. Ja, er ist wirklich im Herrn entschlafen.


„Das Haus wurde vom Duft des Öls erfüllt“ (Joh 12,3). Kehren wir zurück zu dieser so eindrucksvollen Bemerkung des Evangelisten Johannes. Der Duft des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe des Papstes erfüllte sein Haus, erfüllte die Piazza San Pietro, erfüllte die Kirche und verbreitete sich in der ganzen Welt. Das, was sich nach seinem Tod ereignet hat, war für den, der glaubt, die Nachwirkung dieses „Duftes“, der alle nah und fern erreicht hatte, und sie zu einem Menschen hinzog, den Gott nach und nach seinem Christus ähnlich gemacht hatte. Deshalb können wir für ihn die Worte des ersten Gottesknechtslieds anwenden, die wir in der ersten Lesung gehört haben: ; Das ist mein Knecht, den ich stütze; das ist mein Erwählter, an ihm habe ich Gefallen gefunden. Ich habe meinen Geist auf ihn gelegt, er bringt den Völkern das Recht…“ (Jes 42,1). „Diener Gottes“: das ist er gewesen und so nennt ihn die Kirche jetzt, während sein Seligsprechungsprozess zügig voranschreitet; gerade heute Morgen ist das diözesane Verfahren über sein Leben, seine Tugend und den Ruf der Heiligkeit abgeschlossen worden. „Diener Gottes“: für ihn ein besonders passender Titel. Der Herr hat ihn als Priester in seinen Dienst berufen und ihm dann immer weitere Horizonte eröffnet: von seiner Diözese bis zur Weltkirche. Diese universale Dimension hat im Augenblick seines Todes ihre größte Ausdehnung erreicht, ein Ereignis, das die ganze Welt mit einer nie da gewesenen Anteilnahme miterlebt hat.


Liebe Schwestern und Brüder, der Antwortpsalm hat uns Worte voll Vertrauen auf die Lippen gelegt. Es scheint uns, also hörten wir sie in der Gemeinschaft der Heiligen aus dem Mund des geliebten Johannes Paul II., der aus dem Haus des Vaters - dessen sind wir sicher - nicht aufhört, den Weg seiner Kirche zu begleiten: „‚Hoffe auf Gott, und sei stark! Hab festen Mut und hoffe auf den Herrn!’“ (Ps 27,13-14). Ja, haben wir festen Mut, liebe Brüder und Schwestern, unser Herz glühe vor Hoffnung! Mit dieser Aufforderung im Herzen feiern wir nun Eucharistie, während wir schon das Licht der Auferstehung Christi erblicken, das nach dem dramatischen Dunkel des Karfreitags in der Osternacht aufstrahlen wird. Das Totus tuus des geliebten Papstes sporne uns an, ihm nachzufolgen und uns selbst Christus hinzugeben - durch die Fürsprache Mariens, sie, die Heilige Jungfrau helfe uns. Ihren mütterlichen Händen vertrauen wir unseren Vater, Bruder und Freund an, damit er in Gott ruhe und sich am Frieden erfreue. Amen.
(Übersetzung: Birgit Pottler)








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