2007-03-18 12:17:03

Zum Fall Sobrino: Interview mit Bischof Müller


RealAudioMP3 Die „Theologie der Befreiung“ – letzte Woche haben wir mit dem Vordenker Gustavo Gutierrez gesprochen, diese Woche haben wir seinen Freund, den Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller um eine abschließende Einschätzung des Falls Jon Sobrinos gebeten. Gudrun Sailer hat sich mit Bischof Müller unterhalten:

Was sagen Sie denn jetzt zu der Warnung des Vatikans vor Teilen des Werkes von Pater Sobrino?

Diese Warnung bezieht sich nicht auf die eigentlich befreiungstheologischen Ansätze – gerade in diesem Schreiben der Notifikation wird ausdrücklich gesagt, dass die vorrangige „Option für die Armen“ ein ganz wesentliches, theologisches Thema ist und auch einen bedeutenden Ansatz darstellen kann, besonders unter den Voraussetzungen in Südamerika oder Afrika.
Es geht in diesen Beiden Büchern – „Christus der Befreier“ und „Der Glaube an Jesus Christus“, um bestimmte Fragen des theologischen Ansatzes und um ganz spezielle Fragen der Christologie. Bei dem Ansatz handelt es sich um die Frage, von woher der Ausgangspunkt der Theologie gewonnen wird. Das ist für die katholische Theologie die Offenbarung. Die zweite Frage bezieht sich auf das explizite Bekenntnis zur Gottheit Jesu Christi. Sicher ist bei Sobrino der Ansatz, oder das Bestreben, Jesus in seiner ganzen Menschlichkeit darzustellen und so versucht er die Nähe zu den Armen und Leidenden herauszustellen. Aber dabei darf nicht die Gottheit Jesu Christi vergessen werden.

Haben Sie sich, Bischof Müller, eigentlich jemals darüber gewundert, dass so eine Notifikation, ein Schreiben der römischen Glaubenskongregation, für Sobrino nicht längst eingetroffen ist?

Ja, ich habe diese beiden Bücher natürlich schon seit längerer Zeit zur Kenntnis genommen und hab doch auch ähnliche Vorbehalte, gerade bezüglich dieser beiden Punkte geäußert. Aber das zeigt eben auch, dass die Glaubenskongregation keine Schnellschüsse macht, sondern das Werk genau studiert und studieren lässt, von vielen kompetenten Theologen.

Wird denn auf der Celam-Generalversammlung von Aparecida der ganze Streit von vor zwanzig Jahren über die Befreiungstheologie von vorne losgehen? Wie schätzen Sie das ein?

Ich hoffe eigentlich nicht, weil dazu kein Anlass vorliegt. Man muss nur bedenken, was Johannes Paul II. bei seinen Reisen nach Südamerika immer wieder betont hat: Dass wir als Kirche nicht einfach auf der Seite der Mächtigen und Reichen stehen können, sondern dass die Kirche der ursprüngliche Anwalt ist, auch der Armen und Zurückgesetzen und dass das auch in der ursprünglichen Intention der Botschaft Jesu liegt. Ich meine, dass das zweite vatikanische Konzil, die Kirchen der Welt von heute, genau diese beiden Aspekte sehr gut zusammengebracht hat: Die Kirche geht vom konkreten Menschen aus – Freude und Hoffnung, Trauer, Not, Leid – alles das macht sich die Kirche zu eigen. Aber sie sagt zugleich, dass in Jesus Christus, dem Sohn Gottes, der unser Menschsein angenommen hat, Gott selbst eine konkrete Antwort gegeben hat, dass der konkrete Mensch im Mittelpunkt des Heilswirkens Gottes steht. Wir als Kirche und als einzelne Christen sind dazu aufgerufen, somit am Reich Gottes in dieser und in jener Welt mit zu arbeiten.

Besteht nicht die Gefahr, dass der Vatikan, wenn er nun die Auswüchse in der Befreiungstheologie rügt, dass er damit den ganzen Einsatz für die Armen in Lateinamerika und sonst wo gleichzeitig mitbeschädigt?

Es muss natürlich möglich sein, sowohl das Gute als auch das weniger Gute zu benennen – „Prüfet alles, das Gute behaltet“! Denn was wäre letztlich gewonnen, wenn Jesus nur ein Mensch wäre, dadurch wäre er nicht der Erlöser und dadurch würde die Welt vielleicht ein bisschen besser werden – aber es soll ja darum gehen, dass die Menschen voll und ganz das Heil Gottes erfahren dürfen.

(rv 17.03.2007 gs/sis)









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