D: Kirche fordert Bleiberecht mit "Lebensperspektive"
Kompromiss – so lautet die Lösung der deutschen großen Koalition in Sachen „Bleiberecht“
für Ausländer. Knapp 180.000 Menschen sind von dieser Gesetzesänderung betroffen.
Sie fallen in die Kategorie der „langjährig Geduldeten“. Gut, dass diese Debatte zu
einem Ende gekommen ist, erklärt der Vorsitzende der Kommission für Migration in der
deutschen Bischofskonferenz, Weihbischof Josef Voß. Die Kirche habe schon lange eine
Regelung angemahnt. Das Positive an diesem Kompromiss, so Voß:
„Dieses Bleiberecht
ist großzügiger als die von den Innenministern vorgesehene Regelung. Die Frist ist
verlängert bis zum Jahr 2009. Bis zu diesem Zeitpunkt bekommen die langjährig Geduldeten
eine befristete Aufenthaltserlaubnis und haben damit auch unbegrenzten Zugang zum
Arbeitsmarkt. Das ist für diese Betroffenen ein großer Fortschritt, weil sie die Chance
haben, ein vernünftiges Arbeitsverhältnis einzugehen.“
Der „Geduldete“
muss Deutschkenntnisse vorweisen, einen Arbeitsplatz in Aussicht haben und straffrei
sein. Außerdem darf er nicht zum Kreis der Terrorverdächtigen gehören. Das sind die
Vorraussetzungen. Wer alleinstehend ist und mindestens acht Jahre in Deutschland lebt,
erhält er eine befristete Aufenthaltsgenehmigung. Bei Familien mit minderjährigen
Kindern reichen sechs Jahre Deutschlanderfahrung. Mit dieser Einschränkung ist die
Kirche unzufrieden, erklärt Weihbischof Voß:
„Diese starre Stichtagsregelung
wird sicherlich manchen humanitären Situationen nicht gerecht. Dafür wird es schwierig.“
Außerdem
fallen leistungsschwache Personen aus dem Raster:
„Es ist nicht als Ausnahme
vorgesehen, dass Alte, Kranke oder pflegebedürftige Menschen in diesen Genuss kommen,
denn vorausgesetzt wird, dass die Betroffenen für sich selber sorgen können und damit
nicht auf öffentliche Sozialleistungen angewiesen sind.“
Diese Menschen
werden einer indirekten Diskriminierung ausgesetzt, erklärt der Weihbischof. Und ein
drittes Problem sieht die Kirche darin, so Voß: „dass in dieser
Zeit bis 2009 keinerlei Familiennachzug möglich ist, der ist kategorisch ausgeschlossen.
Und das erschwert natürlich eine Integrationsmöglichkeit und widerspricht unserem
dauernden Peditum, dass wir die den Schutz und die Einheit der Familie garantiert
sehen möchten.“
Damit ist die Mängelliste aus kirchlicher
Sicht noch nicht abgeschlossen. Es kann nicht sein, dass „Geduldete“ kein Elterngeld
bekommen, also von Sozialleistungen ausgeschlossen sind. Es ist unverantwortlich,
so Voß, dass ganze Gruppen einfach unberücksichtigt bleiben:
„zum Beispiel
im Hinblick auf Geduldete aus dem Irak. Denn darunter sind eben auch viele Christen,
die in der derzeitigen Situation gar nicht dorthin zurückkehren können, zumal die
Christen im Irak zunehmend in eine schwierige Sicherheitslage kommen.“
Der
Kompromiss macht den Weg frei für die Änderung des deutschen Zuwanderungsgesetzes
von 2005. Die Änderung des Bleiberechts war dabei Mittel zum Zweck, um eine Angleichung
des deutschen Zuwanderungsgesetzes an die europäischen Standards zu ermöglichen.
„so
dass in diesen Bereichen sicherlich noch Nachholbedarf ist, insbesondere, weil die
Kirchen diese Punkte immer angemahnt haben. Angemahnt haben, dass ein großzügiges
Bleiberecht notwenig ist, vor allen Dingen für Familien mit Kindern, die bei uns aufgewachsen
sind, beziehungsweise bei uns geboren sind – die brauchen eine Lebensperspektive.“
(rv 16.03.2007 sis)