2007-03-15 10:38:28

Stichwort: Befreiungs-Theologie


Eigentlich: Befreiungstheologien, im Plural. Sehr vielfältiges Phänomen, das es auf allen Kontinenten gab und gibt; es hat nach Ansicht des Papstes in Lateinamerika die Ärmsten der Armen nie wirklich erreicht. Als Leiter der vatikanischen Glaubenskongregation ist Kardinal Ratzinger in den achtziger Jahren dagegen vorgegangen, dass einzelne Befreiungstheologen in Lateinamerika sich aus seiner Sicht zu sehr dem Marxismus annäherten, was zu einer attraktiven, aber explosiven „Umdeutung des Christlichen“ führte. Allgemein stört ihn an der Befreiungstheologie, dass diese „doch sehr intellektuelle Versprechung... einen Verlust an Trost und Wärme der Religion“ gebracht habe. Die Armen hätten sich weniger für eine „politisierte religiöse Gemeinschaft“ und mehr für eine „in ihr Leben hineinreichende Religion“ interessiert, und darum hätten sich viele von ihnen nach dem Scheitern der Befreiungstheologie in Lateinamerika dann in die Arme von Sekten geworfen.

Im Kern kritisiert der jetzige Papst am Denken eines marxistisch orientierten Teils der Befreiungstheologie, dass er das christliche Wort Erlösung politisch versteht. „Der Mensch ist nicht Gott und die Geschichte ist es nicht“; Politik könne nicht erlösen, „und wenn sie diesen Anspruch erhebt, wird sie zur Sklaverei“. Die richtige Antwort auf die durchaus legitimen und wichtigen Fragen der Befreiungstheologie sind für den Papst mehr „Bekehrung in der Kirche“ und auch eine größere „Radikalität des Glaubens“.

Eine Instruktion der vatikanischen Glaubenskongregation unter Leitung von Kardinal Ratzinger zum Thema Befreiungstheologie wies 1984 schon im ersten Satz darauf hin, dass das Evangelium durchaus „eine Botschaft der Freiheit und eine Kraft der Befreiung“ ist. Diese Befreiung bedeutet allerdings in erster Linie „eine Befreiung von der radikalen Knechtschaft der Sünde“, und das vergessen „angesichts der Dringlichkeit der Probleme … manche, (die) … den Akzent einseitig auf die Befreiung von der Versklavung auf irdischem und weltlichem Gebiet … setzen“. Andere bedienen sich wiederum „eines geistigen Instrumentariums, das nur sehr schwer, vielleicht überhaupt nicht, von ideologischen Vorstellungen“ – gemeint sind marxistische – „gereinigt werden kann“. „Zuerst das Brot, später das Wort“ – diese Haltung sei „ein tödlicher Irrtum“, und erst recht sei der „Kampf für Gerechtigkeit und menschliche Freiheit“ aus christlicher Sicht nicht schon „das Wesentliche und das Ganze des Heils“.

Die von Ratzinger unterschriebene Instruktion legt aber Wert darauf, dass sie „in keiner Weise“ jene engagierten Christen verurteilen wolle, „die hochherzig und im authentischen Geist des Evangeliums auf die vorrangige Option für die Armen antworten wollen“ – eine Option, die Bischöfe aus ganz Lateinamerika auf einer gemeinsamen Konferenz feierlich ausgesprochen haben. Es gebe „zahlreiche Priester, Ordensleute und Laien, die sich in wahrhaft evangelischem Geist der Bildung einer gerechten Gesellschaft widmen“, und durchaus auch eine „authentische Theologie der Befreiung…, die im recht verstandenen Wort Gottes verwurzelt ist“. Kardinal Ratzinger hat in einer späteren „Instruktion“ seiner Behörde 1986 versucht, das Wort Befreiung aus christlicher Sicht mit positivem Inhalt zu füllen. Zwischen diesen beiden Dokumenten lag 1985 sein Vorgehen gegen den Befreiungstheologen Leonardo Boff wegen dessen Buch „Kirche – Charisma und Macht“.

Seit seiner Wahl zum Papst hat sich Benedikt XVI. bis zur Notifikation von gestern nicht mehr zum Thema Befreiungstheologie geäußert und das Wort „Befreiung“ überhaupt nur selten in einem aktuellen politischen Zusammenhang erwähnt. Im Mai reist er nach Brasilien.

(Stefan v. Kempis)







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