Die Befreiungstheologie und die Glaubenskongregation
Befreiungstheologie heißt eine Denkströmung, die in den 1960er und 1970er Jahren in
Lateinamerika entstanden ist. In ihrem Mittelpunkt steht die „Option für die Armen“.
Sie reagierte auf die politische und soziale Situation, auf Massenarmut und Korruption.
Der Lateinamerikanische Bischofsrat CELAM erklärte 1968 die „Option für die Armen“
zum Maßstab seines Handelns. In den folgenden Jahrzehnten entstanden Tausende sozialpolitisch
engagierter Basisgemeinden. Zu den bekanntesten Vertretern zählen die Brüder Leonardo
und Clodovis Boff, der nicaraguanische Ex-Kulturminister Ernesto Cardenal, der 1980
ermordete salvadorianische Erzbischof Oscar Romero, der verstorbene brasilianische
Bischof Dom Helder Camara und der Peruaner Gustavo Gutierrez. Dessen Buch „Teologia
de la liberacion“ von 1971 gab der Bewegung ihren Namen. Der Vatikan kritisiert
vor allem, dass die Befreiungstheologen in ihrer Gesellschaftsanalyse auch marxistische
Deutungsmuster gebrauchen. Die Befreiungstheologie ist im Ursprung eine Theologie
der Armen selbst. Die Basisgemeinden feierten Gottesdienst ohne Amtsträger. Ihre Vertreter
verstehen sich nicht als Erfinder einer neuen Theologie sondern als Sprachrohr der
Unterdrückten. Diese entdeckten in der Bibel ihr ureigenstes Thema wieder, die Befreiung
aus jeder Form der Sklaverei, und leiteten daraus politische Folgerungen ab. Seit
dem Scheitern des Kommunismus in Europa hat das Medien-Interesse an der Befreiungstheologie
weltweit abgenommen. Dennoch entwickelte sie sich weiter. Impulse finden sich unter
anderem in der feministischen und in der indigenen Theologie sowie in ökumenischen
Initiativen. Auch in Afrika und Asien wirkt die Befreiungstheologie nach. Der deutsche
Fundamentaltheologe Elmar Klinger sieht in ihr weltweit die einzige Strömung, in der
die Anliegen des Zweiten Vatikanums tatsächlich verwirklicht sind.
Die
Glaubenskongregation wacht über die Einhaltung der kirchlichen Lehre. Die sei mit
einer marxistischen Denkrichtung der Befreiungstheologie nicht vereinbar. Das stellte
die wichtigste Kurienbehörde unter ihrem Präfekten Kardinal Joseph Ratzinger 1984
und 1986 in zwei Instruktionen fest. Sie warnte davor, diese missverstehe die Idee
des Reichs Gottes, vergöttere die Politik und verrate den Glauben des Volkes zu Gunsten
revolutionärer Projekte. Mehrere Theologen, darunter Leonardo Boff, erhielten Lehr-
und Publikationsverbot. Papst Johannes Paul II. ernannte umgekehrt zahlreiche Bischöfe,
die dieser politisch links gerichteten Theologie fern stehen. Aus kirchenrechtlichen
Gründen maßregelte der Papst darüber hinaus jene katholischen Geistlichen, die - etwa
in Nicaragua - als Minister in linken Regierungen mitwirkten. Noch unter Joseph
Ratzinger hatte die Glaubenskongregation im Jahr 2001 eine theologische Überprüfung
der Schriften des Jesuiten Jon Sobrino begonnen, weil diese „Ungenauigkeiten und Irrtümer“
enthielten. 2004 übersandte die Vatikan-Behörde durch den Generaloberen der Jesuiten,
Peter-Hans Kolvenbach, eine Liste bemängelter Aussagen an den Autor, auf die Sobrino
2005 mit Änderungen antwortete. Diese beträfen aber nicht die Substanz der strittigen
Thesen, befand die Kongregation 2005. Die heute veröffentlichte Erklärung trägt die
Unterschrift von Präfekt William Levada und das Datum vom 26. November 2006. Der Papst
habe das Schreiben am 13. Oktober approbiert. (rv/kna 14.03.2007 bp)