Vor wenigen Jahren
hätte, wer Frauen in vatikanischen Funktionen finden wollte, sie fast ausschließlich
in so genannten niederen Diensten suchen müssen: als Haushälterinnen bei Kurienkardinälen,
als Assistentinnen beim vatikanischen Zahnarzt oder als Telefonistinnen. Dass Frauen
in hohe Funktionen an der Kurie berufen werden, ist eine Erscheinung der jüngsten
Vergangenheit.
Gudrun Sailer stellt in ihrem soeben in der „Edition Radio Vatikan“
erschienenen Buch sechzehn Frauen vor, die heute in der einen oder anderen Weise für
Papst und Kirche arbeiten: seit wenigen Jahren oder seit langer Zeit, teils als einfache
Bedienstete, teils als Führungskräfte, teils als Betende, oft als Gelehrte und in
einem Fall als Ehefrau und Mutter.
„Frauen im Vatikan. Begegnungen, Porträts,
Bilder“ von Gudrun Sailer ist im Rahmen der „Edition Radio Vatikan“ im St. Benno-Verlag
erschienen.
(rv 06.03.2007 mc) Das Kollegengespräch mit
Gudrun Sailer zum Nachlesen:
"Frauen im Vatikan"
- das ist ein eher ungewöhnliches Thema. Wie bist du darauf gekommen?
Ich
habe ganz einfach immer wieder mit Frauen im Vatikan zu tun gehabt. Als Interviewpartnerinnen.
Und dann bin ich mit meinen vollen Tonbändern in die Redaktion zurückgekommen, und
war ganz eingenommen und angetan von der Kraft, der Professionalität, der Begeisterung,
die diese Frauen an den Tag legten für ihre Sache, die auch die Sache Gottes ist.
Irgendwie hat sich diese Begeisterung auf unser Radio-Publikum übertragen. Da kamen
Zuschriften: Toll, diese Frau, die Sie da vorgestellt haben. Bitte mehr davon. Und
die Radiobeiträge waren die Basis für die 16 Portraits in meinem Buch. War
es leicht, an diese Frauen "heranzukommen"?
Im Endeffekt
ja. Ich habe ja mit vielen Körben gerechnet, aber nur zwei Frauen wollten partout
nicht mit mir sprechen. Und andere, von denen ich einen Korb erwartet habe, haben
spontan zugesagt. Ich glaube, das hängt auch damit zusammen, dass wir „in derselben
Arche Noah sitzen“, wenn ich die biblische Metapher bemühen darf! Vertrauen war wichtig.
Ich bin keine Journalistin, die Interview-Aussagen absichtlich verdreht, um den großen
Coup zu landen. Ich wirke selbst am Vatikan. Und das hat die Interviewpartnerinnen
beruhigt – einige von ihnen haben ja noch nie zuvor in einem Interview über ihre Tätigkeit
und sich selbst gesprochen. Das Klischee ist ja eher die "Telefonistennonne".
Wenn man allerdings das Buch liest, sieht man, dass unter den Frauen hochqualifizierte
Fachleute sind.
…Und das ist eine Erscheinung der jüngeren Vergangenheit.
Es gab da eine Kehrtwende noch unter Papst Johannes Paul II. vor drei, vier Jahren.
Und seither gibt es erstmals Präsidentinnen päpstlicher Akademien, zwei Theologinnen
am wichtigsten theologischen Beratungsgremium des Heiligen Stuhles und eine Religionssoziologin
als "Nummer drei" in der Ordenskongregation. Aber auch sozusagen auf der weniger sichtbaren
Ebene sind die Frauen mittlerweile stärker vertreten: Es gibt eine Kirchenrechtlerin
an der Glaubenskongregation, eine sehr fähige Sozialarbeiterin, die die einzige Sozialeinrichtung
auf vatikanischem Boden leitet, es gibt Bibliothekarinnen an der Vaticana, Kunsthistorikerinnen
an den vatikanischen Museen und natürlich Journalistinnen beim Radio. Und es gibt
mehrere Hundert Frauen im Vatikan, mit denen ich nicht gesprochen habe, weil ich von
ihrer Existenz nur am Rande weiß. Alles in allem sind heute 15 Prozent der Vatikan-Angestellten
Frauen, weitab vom Klischee der Telefonistinnen-Nonne. Obwohl es auch die gibt, und
sie ihren Job sehr gut macht!
Was sind deine Erfahrungen: Ist das ein ganz
bestimmter "Typ Frau", den man im Vatikan findet? Besonders fromm, oder besonders
durchsetzungsstark?
Mich hat die Vielfalt überrascht. Es gibt sehr zurückhaltende
und sehr entschlossene Frauen im Vatikan. Aber etwas eint sie, das ist der Glaube,
die Zuversicht, auch auf gewisse Weise die Güte, das Wohlwollen, das von ihnen ausgeht.
Es gibt ja so viele Negativmeldungen über Kirche und Menschen, die der Kirche angehören.
Selbstverständlich besteht die Kirche aus Menschen, und Menschen machen Fehler, das
heißt sie sündigen, wie wir als Christen sagen. Aber ich habe gerade hier im Vatikan,
wenn ich das einmal so ausdrücken darf: Ich habe im Vatikan Heilige getroffen. Nicht
nur, aber auch unter den Frauen.
Es gibt innerhalb oder an den Grenzen
der katholischen Kirche Forderungen nach mehr Sichtbarkeit von Frauen in der Kirche,
auch Forderungen nach Frauenpriestertum. Welche Ansichten teilen die von dir befragten
Frauen als eine Art gemeinsame Denklinie?
Es sind keine Kämpferinnen. Weil
sie klug genug sind zu wissen, dass Kämpfen nirgendwohin führt. Keine der Vatikan-Frauen
wollte einen weiblichen Priester sehen oder eine Frau als Kardinal, was noch mal eine
andere Frage ist, denn das Amt des Kardinals geht nicht auf Jesus zurück, sondern
auf die Kirche. Im Prinzip könnte also, verkürzt gesagt, das Amt des Kardinals auch
Laien offen stehen, wie das bis ins 19. Jahrhundert der Fall war. Und wo Laien Verantwortung
bekommen, steht diese Verantwortung auch Frauen offen. Wie gesagt: Keine der Frauen,
die heute im Vatikan arbeitet, kann sich eine „Kardinälin“ so recht vorstellen. Aber
Fakt ist: viele wichtige Frauen hatten überhaupt kein Amt in der Kirche, wie Birgitta
von Schweden oder Caterina von Siena, und waren dennoch wichtiger als die meisten
Kardinäle, wichtiger sogar als mancher Papst, wie mir die Oberin der Nonnen in den
vatikanischen Gärten gesagt hat. Mir scheint da auch eine der Vatikan-Frauen bezeichnend
zu sein: Ingrid Stampa, die Vertraute von Papst Benedikt. Eine sehr kluge Frau, die
sich selbst sehr zurücknimmt. Sie arbeitet formal im Staatssekretariat, aber wirklich
wichtig ist sie als Papst Benedikts Ratgeberin. Die Frauen sind
ja doch in der Minderheit. Hast du den Eindruck, dass die von dir Portraitierten gerne
im Vatikan arbeiten? Haben die Frauen es nicht schwerer?
Viele der Frauen
erleben es aufgrund ihres Glaubens, ihrer Hingabe, in der Tat als Erfüllung, im Vatikan
zu arbeiten. Aber natürlich gibt es vereinzelt auch Hindernisse für die Frauen. Hindernisse
in manchen Köpfen, die auf gewisse Art generationenbedingt sind, meiner Einschätzung
nach. Wie gesagt, wir sind Menschen… Aber klipp und klar: Der Vatikan ist nicht frauenfeindlich. Glaubst
du, dass sich im Vatikan in Zukunft etwas im Verhältnis zu den Frauen ändern wird?
Ja
– und sie bewegt sich doch…! 15 Prozent der Papst-Belegschaft sind heute Frauen. Das
ist sehr viel mehr, als die meisten Leute draußen annehmen. Beim Small-Talk mit Menschen,
denen ich davon erzählte, dass ich gerade ein Buch über „Frauen im Vatikan“ schreibe,
war oft die erste Frage: "Wie, die gibt es?" Interessant ist da auch die Aussage von
Barbara Hallensleben, Mitglied in der Internationalen Theologischen Kommission. Sie
sagte mir: „Es wird ganz einfach mehr Frauen im Vatikan geben. Ich bin 50 Jahre alt
und beobachte das seit vielen Jahren: Immer mehr Frauen studierten Theologie, blieben
an den Universitäten, häuften immer mehr Wissen und Fähigkeiten an. Selbstverständlich
werden sie an verantwortungsvolle Stellen gelangen. Frauen im Vatikan - das ist ein
natürlicher Prozess. Ein Prozess, der seine Barrieren hat und seine Verunsicherungen
hervorruft – aber er IST.“