2007-03-06 17:17:21

Eine alte Tradition: "Wachdienst" in römischen Kirchen


Die Fastenzeit ist auch in Rom etwas Besonderes. Wer sich in diesen Tagen in der Ewigen Stadt aufhält, der kann dort einen liturgischen Brauch kennen lernen, der in die ersten Jahrhunderte des Christentums zurückreicht: die so genannte Missa stationalis, zu deutsch: den Stationsgottesdienst. Hören Sie dazu Stefan Kempis.

Ein Zeitsprung zurück: Wir sind in Rom, in den ersten Anfängen des Christentums. Es sind die Jahre, in denen die junge Gemeinde gerade aus dem Untergrund aufgetaucht ist, in dem die ersten Kirchen und Basiliken entstehen. Da entwickelt sich eine Tradition, die sich an bestimmte Gotteshäuser heftet: Christen treffen sich dort zum Gebet und anschließend zu einer feierlichen Prozession, zu der sie die Allerheiligenlitanei singen. „Statio“ heissen diese Zusammenkünfte – ein Wort aus der römischen Soldatensprache. Ein Hinweis auch darauf, dass unter den ersten Christen viele Militärs sind. Sie kommen eventuell vom Palatin, wo sie die Paläste der römischen Cäsaren bewachen – dort findet sich heute noch eine Kritzelei, die Soldaten beim Wachdienst in Stein geritzt haben, die Verhöhnung eines christlichen Soldaten durch seine Kameraden; der Gekreuzigte, den ein Legionär anbetet, trägt in der Zeichnung einen Eselskopf, und doch – es ist vielleicht die älteste Kreuzdarstellung überhaupt.
Statio bedeutet nun nichts anderes als Wachtposten oder Wache. So wie der Wachtdienst im Heer damals an einen festen Ort gebunden ist und strengen Regeln unterworfen ist, so sind die entstehenden Stations-Gottesdienste eine Art Wachtdienst der Kirche. Die junge christliche Gemeinde hält Wache – sie lässt alle weltlichen Sorgen und Beschäftigungen hinter sich, um sich ganz der Betrachtung der göttlichen Geheimnisse zu widmen.
Der Kirchenschriftsteller Tertullian weiß um die Herkunft der Stationsgottesdienste – eine Streitschar Gottes seien die Christen, so schreibt er, und darum nennen sie ihre Gottesdienste nach soldatischem Sprachgebrauch Statio, also Wachdienst. Die Prozession mit der Allerheiligenlitanei wäre aus dieser Perspektive eine Art Patrouillengang… Das Militärische findet in diesen Jahren sogar Eingang in die Gebetsformulierungen der Stationsgottesdienste selbst. Als „Umzug der christlichen Miliz“, „militiae christianae“, wird die erste Station in den Tages-Orationen des römischen Missale bezeichnet. Diese erste Station ist bis heute die bekannteste: Es ist der Zug des Papstes am Aschermittwoch zur römischen Basilika Santa Sabina auf dem Aventin-Hügel. Der Papst als eine Art Feldherr, der seine Truppen zu Christus führt… Das Bild ist für diese frühen Jahrzehnte des römischen Christentums gar nicht so falsch. Denn dadurch, dass in dieser Zeit die Zahl der Kirchengebäude in der Ewigen Stadt explosionsartig ansteigt und damit die Zahl der Gottesdienste, geht ein gewisses einigendes Band verloren, eine gewisse Disziplin. Die Wachdienste zu bestimmten Zeiten in bestimmten Kirchen bilden angesichts dieser Zerfaserung ein einigendes Band für die römische Christenschar, das sie zusammenbindet.
Und dann kommt das Pontifikat Gregors des Großen, des Römers, der dem kirchlichen Leben in den Jahren 590 bis 604 eine neue Ordnung gibt. Der Papst, den viele Darstellungen bis heute mit einem Heiligen Geist zusammen abbilden, der ihm in Gestalt einer Taube Dinge ins Ohr flüstert, sorgt für eine einheitliche Regelung der „Stationes“; er setzt ihre Zahl fest und bestimmt, in welchen Kirchen die Gläubigen wann zusammenkommen sollen. Als er die Liturgie der Stationsgottesdienste ausbaut, lässt er sich von den einzelnen Heiligen und Märtyrern inspirieren, die in den Stations-Kirchen begraben sind. Bis heute prägt die Erinnerung an diese Heiligen die Stationsgottesdienste. Ein altes römisches Messbuch, das sich aus dieser Zeit erhalten hat, zeigt uns, dass Gregor der Große in der Fastenzeit und der Osteroktav insgesamt 101 Stationsgottesdienste erlaubte; die Gotteshäuser hingegen, die zu Stationskirchen erklärt wurden, waren 45.
Die Wirren des frühen Mittelalters in Rom, endgültig aber der Abgang der Papst ins Babylonische Exil von Avignon führen praktisch zum Ende der Stationsgottesdienste. Die Tradition reißt ab, wird nur punktuell noch einmal aufgegriffen. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts aber ist es Sixtus V., der nicht nur die Obelisken des alten Rom überall wieder aufrichtet, u.a. auf dem Petersplatz, sondern der zumindest die erste Statio, die Prozession nach Santa Sabina, wieder einführt. Ein Zeitgenosse berichtet: „Seine Heiligkeit, von der Erwägung ausgehend, dass die früheren Päpste persönlich nach der Stationskirche zu ziehen und dort das Hochamt zu singen pflegten, hat beschlossen, jedes Jahr am ersten Tag der Fastenzeit nach Santa Sabina zu ziehen… Er hat darüber eine besondere Bulle erlassen.“ Leider schläft diese Tradition aber im 18. Jahrhundert wieder ein; die Päpste feiern den Aschermittwochsgottesdienst in ihrer eigenen Kapelle.
Die letzte Renaissance der Stationsgottesdienste hat dann den seligen Papst Johannes XXIII. zum Paten. Es ist für die Medien eine Überraschung, als sich der Roncalli-Papst am Aschermittwoch 1959 zum Aventin begibt und dort den Stationsgottesdienst feiert. Das große Medienecho hilft dabei mit, die alte Tradition neu ins Bewußtsein zu rufen – bis heute. Und auch Benedikt XVI. ist in den ersten zwei Jahren seines Pontifikats zu Fuß über den Aventin gezogen, um in Santa Basilika den ersten Stationsgottesdienst zu halten….

(Quelle: zenit)








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