Mehr als 100 Menschen
sind in Guinea seit Januar bei Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten ums
Leben gekommen. Nach den wochenlangen Protesten der Bevölkerung gegen die Regierung
hat der Präsident von Guinea, Lansana Conté, am Montag das Kriegsrecht ausgerufen.
Das bedeutet unter anderem: Die gesamte Macht liegt bei den Militärs und dem Präsidenten;
die Bevölkerung hat Ausgangssperre, nur für vier Stunden am Tag dürfen die Menschen
ihre Wohnung verlassen. Wir haben vor Ort den Nuntiaturrat Lucio Sembrano erreichen
können. "Momentan herrscht Stille“, so Sembrano: "Insbesondere die vandalistischen
Ausschreitungen, die wir in den letzten Tagen erleben mussten, haben ausgesetzt. Das
Problem ist, dass hauptsächlich junge Soldaten auf den Straßen patrouillieren. Um
die Menschen wegzuschicken, schießen sie einfach in die Luft. Sie haben keine Erfahrung
und können nicht abschätzen, was sie damit bewirken: Mehrere Menschen liegen bereits
im Krankenhaus; ein alter Mensch ist gestorben, weil die Kugeln zurückprallen, also
aus der Luft wieder runterkommen und die Menschen verletzten.“ Die Gewerkschaften,
die den Protest gegen den als Diktator regierenden Conté vorangetrieben hatten, initiierten
bereits vor rund drei Wochen einen Generalstreik, um die Regierung in die Knie zu
zwingen. Die Kompromisslösung, die der Präsident zur Beschwichtigung anbot, entpuppte
sich als Farce, so Sembrano: "Der Präsident hatte versprochen, einen Premierminister
einzusetzen, der in der Lage sei, die Anliegen der unterschiedlichen Konfliktparteien
in einem Kompromiss zusammenzuführen. Er hat diese Hoffnung enttäuscht, indem er einen
seiner Vertrauten ernannte. Das brachte nicht nur die Opposition, sondern die gesamte
Bevölkerung auf die Barrikaden. Die Menschen wollen, dass der Präsident sein Amt und
seine Macht niederlegt. Das erscheint derzeit aussichtslos: Der Präsident hat die
Unterstützung des Militärs." Guinea gilt als das korrupteste Land des ganzen
afrikanischen Kontinents. Die Wirtschaft des Landes liegt am Boden, die Inflation
steigt stetig an. (rv 15.02.2007 sis)