Vielleicht erinnern
sich manche von Ihnen daran: Vor zwei Jahren erregte der Besuch einer Gruppe chinesischer
Spirituale bei einer Papstaudienz in Rom etwas Aufsehen. Die Priester hatten – mit
Genehmigung der chinesischen Behörden und auf Einladung der Benediktinerabtei Sankt
Ottilien – eine Fortbildung in europäischen Klöstern absolviert. Der kurze Abstecher
nach Rom hatte eigentlich nicht auf dem Plan gestanden. Das spontane Treffen zwischen
den Priestern der offiziellen chinesischen Kirche und dem Papst löste ein wenig Unruhe
in Peking aus. Dennoch gibt es nun – zwei Jahre später – eine Fortsetzung des damaligen
Projekts. Diesmal sind es 16 Theologiedozenten, die mit deutscher Unterstützung eine
Pilgerfahrt und Studienreise absolvieren – weit weg von Rom allerdings, im Heiligen
Land. Es ist das erste Mal, dass eine Gruppe von Priestern und Diakonen aus dem kommunistischen
China mit offizieller Genehmigung ins Heilige Land gereist ist. Unsere Korrespondentin
Gabi Fröhlich hat mit den Teilnehmern gesprochen: "Es ist wirklich
unglaublich – ich bin jetzt in Jerusalem! Seit meiner Priesterweihe sind das die glücklichsten
Momente in meinem Leben." - "Hier kann ich das Land, wo Jesus gelebt und gewirkt hat,
berühren. Wenn ich wieder zu Hause bin, kann ich den Leuten erzählen, wie der Himmel
hier aussieht - wie die Luft, wie das Klima ist." Politik und die große Freiheit
stehen auf dieser Studienfahrt nicht im Vordergrund, jedenfalls nicht greifbar. Es
ist eine wirkliche Pilgerreise, und für die wenig verwöhnten Chinesen dazu noch eine
ganz besondere. Fast vier Wochen lang lesen und studieren sie die Bibel an den Orten
des Geschehens. "Wir haben zum Beispiel das Grab des Lazarus in Bethanien besucht
und dort die entsprechende Stelle aus dem Johannesevangelium gelesen. Dabei stand
uns die Szene so deutlich vor Augen, dass die Bibel kein Buch mehr zu sein schien,
sondern ganz lebendig." Für alle 16 Theologiedozenten ist es der erste Besuch
im Heiligen Land – und für viele gleichzeitig die erste Auslandsreise überhaupt. Denn
mit Gründung der Katholisch-Patriotischen Vereinigung übernahm 1957 die kommunistische
Regierung in Peking die Kontrolle über die kirchlichen Institutionen im Land. Ein
Teil der Kirche ging in den Untergrund, die offizielle Kirche hingegen führt ein staatlich
kontrolliertes Dasein. Die Teilnehmer an dieser Studienreise gehören alle zur offiziellen
Kirche, erklärt der Generalsekretär der Katholischen Bibelföderation, Alexander Schweitzer. "Das
wäre auch nicht anders möglich, ohne das Placet der offiziellen Kirche. Wobei die
Realitäten auch von Provinz zu Provinz und von Diözese zu Diözese sehr unterschiedlich
sind. Es gibt Provinzen oder Diözesen, wo die offizielle und die Untergrundkirche
durchaus verwoben sind, wo es nur noch einen Bischof gibt oder ein Bischof von beiden
Gruppen anerkannt wird. Es gibt aber auch Orte, wo da eine ganz strikte Trennung passiert,
wo es auch zwei Bischöfe gibt und viele Spannungen. Wir haben in dieser Gruppe, die
eine offizielle Gruppe ist, durchaus auch Teilnehmer, die sehr gute Kontakte zur Untergrundkirche
unterhalten." Die Bibelföderation hat die Heilig Land-Reise für die Chinesen
zusammen mit der Erzabtei Sankt Ottilien organisiert. Dabei war man sich durchaus
bewusst, dass die Förderung der offiziellen chinesischen Kirche für die so genannte
Untergrundkirche etwas schmerzlich sein muss. Denn schließlich verstehen die Untergrundkatholiken
sich als diejenigen, die über die Jahrzehnte unter Schwierigkeiten treu zu Rom und
der Weltkirche gehalten haben. Erzabt Jeremias bestätigt: "Das ist das Selbstbewusstsein
einer Märtyrerkirche, die sagt: Aber wir haben doch die ganze Zeit gelitten! Wobei
man sagen muss, auch die alten Bischöfe der offiziellen Kirche waren allesamt im Gefängnis
und haben sehr viel mitgemacht. Die offizielle Kirche wird ja auch gegängelt und kontrolliert.
Es wäre also ganz falsch, da einfach so schwarz und weiß zu sehen." Die chinesischen
Studienteilnehmer empfinden die Kontakte zur westlichen Kirche darum auch als natürlich.
Der Leiter der Gruppe, Josef Qua Jin Chai: "Wir wissen, dass die Weltkirche sehr
an der Kirche in China interessiert ist. Das ist schön, denn es ist ein Zeichen der
Einheit. Wie Sie wissen, sind wir Chinesen mit 1,3 Milliarden Menschen ein sehr großes
Volk. Rund 50 Millionen davon sind Christen. Die katholische Kirche hat 97 Diözesen
und fast 2000 junge Priester. Wir haben 12 Priesterseminare, etwa 1200 Seminaristen
und mehr als 3000 Schwestern. … Die Kirche in China wächst sehr
schnell, jedes Jahr gibt es mehr als 10.000 neue Katholiken. Wir jungen Priester haben
eine große Verantwortung, wir wissen, dass die Zukunft der Kirche in unseren Händen
liegt." Wie lebendig das Leben in den chinesischen Pfarreien ist, das zeigt
die Schilderung von Bosco Mu Shan Ling: "Die meisten Katholiken in China sind sehr
fromm – in meinem Dorf zum Beispiel gehen sonntags alle zur Messe – wenn eine ist.
Ist keine Eucharistiefeier möglich, dann gibt es stattdessen drei Gebetszeiten: Morgengebet,
mittags Kreuzweg und abends Rosenkranz und Vesper. Und alle gehen hin. Auch an normalen
Wochentagen kommen die Dorfbewohner zum Morgen- und zum Abendgebet in die Kirche,
und zwar auch die jungen Leute. Der Glaube ist in meiner Region sehr lebendig." Das
rasante Wachstum sowohl der katholischen als auch der evangelischen Gemeinden in China
ist umso erstaunlicher wenn man bedenkt, dass während der Kulturrevolution in den
60-ger und 70-ger Jahren das Ausüben jeglicher Religion verboten war. Unter den Geistlichen
fehlt deshalb praktisch eine komplette Generation. Die Ausbilder sind relativ jung
– gerade dort wollen Sankt Ottilien und die Bibelföderation darum ansetzen. "Man
muss sich dessen bewusst sein, dass das Niveau der Ausbildung in den chinesischen
Priesterseminaren – denn dort findet die theologische ja Ausbildung statt, es gibt
leider keine Angebote an Universitäten - durchaus noch steigerungsfähig ist."
Die
Theologiedozenten selbst hoffen, "Pioniere" chinesischer Heilig Land-Wallfahrten zu
sein. Schließlich haben die Volksrepublik und Israel sich gerade erst darauf verständigt,
den bilateralen Tourismus zu fördern. Auch für das Studienprojekt für chinesische
Priester soll es nach Wunsch der Teilnehmer und der Organisatoren eine Fortsetzung
geben. Nach Ansicht von Erzabt Jeremias zeigt die jetzige Fahrt, dass die Öffnungen
im chinesischen System schon viel zahlreicher sind als man gemeinhin vermutet: "Da
wird immer mehr möglich. Es ist ja schon fast banal zu sagen, dass China sich rasant
entwickelt – niemand weiß, was morgen sein wird. Es kann sein, dass solche Fahrten
bald alltäglich sind." (rv)