EU: Pöttering fordert Stärkung des Parlamentarismus
Hans-Gerd Pöttering
ist neuer Präsident des EU-Parlaments in Straßburg. Der bekennende Katholik aus dem
niedersächsischen Bad Iburg gehört zur konservativen EVP-Fraktion. Mit Blick auf die
neu angelaufene Diskussion um den Verfassungsvertrag fordert Pöttering eine Stärkung
des Parlamentarismus in Europa. Wir haben mit Pötering gesprochen und ihn gefragt:
Reicht eine stark gekürzte und entschärfte Fassung, oder sollte doch ein neuer Text
in Betracht gezogen werden, wie ihn die polnische Regierung vorlegen will?
„Mir
ist nicht bekannt, dass die polnische Regierung einen Text vorgelegt hat. Sie hat
das angekündigt. Aber ich bin dagegen, auf der Grundlage neuer Texte zu arbeiten,
denn dann können ja 27 Regierungen Texte unterbreiten und alle gehen in eine andere
Richtung, und das wäre das Chaos für Europa, sondern ich bin zutiefst davon überzeugt
und vertrete damit auch die Meinung des europäischen Parlaments, was ja auch meine
Verantwortlichkeit ist, dass wir verhandeln auf der Grundlage des vorliegenden Verfassungsvertrages
und da sind – wenn wir gutwillig sind und alle Parteien gutwillig sind – hinreichende
Möglichkeiten, den Vertragstext etwas schlanker zu machen, aber die Substanz zu bewahren.
Und zur Substanz gehört, dass wir die notwendigen Reformen verwirklichen, zum Beispiel
das Europäische Parlament mit dem Ministerrat in der Gesetzgebung auf Hundert Prozent
der Gesetzgebung, dass wir einen europäischen Außenminister bekommen, dass wir Transparenz
und Offenheit im Ministerrat haben, dass wir auch die nationalen Parlamente stärker
einbinden und – wo wir als Parlament darauf bestehen – dass wir auch die Werte, die
sich aus dem Teil zwei der Verfassung ergeben, rechtlich verbindlich machen, denn
diese europäische Union hat nur eine Zukunft, wenn sie auch zusammengehalten wird
durch uns verbindenden Rechte. Deswegen werden wir auf der Grundlage des vorliegenden
Verfassungsvertrages die Verhandlungen führen müssen. Ich halte nichts davon, wenn
nun jedes Land seinen Vorschlag macht und ich möchte auch alle Regierungen daran erinnern,
dass ja die Regierungen die Verträge unterschrieben haben. Das heißt die frühere Regierung
Polens hat den Verfassungsvertrag unterschrieben, und wenn wir mit jeder neuen Regierung
völlig von vorne anfangen, dann schaffen wir Chaos in der europäischen Union. Und
deswegen bitte ich alle um guten Willen auf der Grundlage des gegenwärtigen Vertragstextes
Lösungen zu finden. Die deutsche Regierung als Ratspräsidentschaft hat dabei die volle
Unterstützung des Europäischen Parlamentes und ihres Präsidenten.“
Nach
dem Papstbesuch in der Türkei. Hat Ankara Ihrer Meinung nach größere Chancen auf die
EU-Mitgliedschaft?
„Der Besuch des Heiligen Vaters in der Türkei war ja
sehr erfolgreich, insbesondere auch die Begegnung mit dem Patriarchen Bartholomaios.
Das war ein sehr beeindruckender Besuch. Aber dieser Besuch hat keine unmittelbare
Wirkung im Hinblick auf die Mitgliedschaft der Türkei in der der Europäischen Union.
Es wird verhandelt mit der Türkei, es bleiben Probleme, zum Beispiel im Verhältnis
zur Anerkennung Zyperns. Die Türkei ist auf einem langen Weg, ihr Wertesystem das
der Europäischen Union anzugleichen. Wir sollten der Türkei diese Chance geben. Es
wird jetzt verhandelt, die Frage der Mitgliedschaft stellt sich zu diesem Zeitpunkt
nicht. Wir sind Freund der Türkei, wir sind Partner der Türkei, wir wollen gute Beziehungen.
Und auf dieser Basis sollten wir jetzt die Verhandlungen führen.“
Im
EU-Parlament gibt es jetzt eine neue rechtsradikale Fraktion. Wie sollte man Ihrer
Meinung nach damit umgehen? Soll man sie eher einbinden oder doch lieber ausgrenzen?
„Ich
bedauere, dass es zur Bildung einer Fraktion der Rechtsextremen gekommen ist. Aber
sie nutzen die Satzung des Europäischen Parlaments, unsere Geschäftsordnung. Meine
Empfehlung an das Europäische Parlament ist, dass wir die Auseinandersetzung politisch
suchen, das heißt, dass wir uns mit deren Thesen, mit deren Auffassungen auseinandersetzen,
um so hoffentlich die Bürgerinnen und Bürger für unsere Überzeugungen zu gewinnen,
das heißt für die Würde des Menschen, für die Menschenrechte, gegen die Diskriminierung,
dass wir jeden Menschen in seinem Wert anerkennen. Das ist eigentlich das Prinzip
Europas.“ Es heißt, Sie wollten den Papst einladen.
„Wir
hatten ja schon einmal den Besuch eines Papstes im europäischen Parlament im Jahre
1988, als Papst Johannes Paul II. vor dem Europäischen Parlament gesprochen hat. Ein
Schwerpunkt meiner Arbeit und meines Programms, das ich am 13. Februar im Europäischen
Parlament vorstellen werde, ist der Dialog der Kulturen, und ich möchte kulturelle
und religiöse Persönlichkeiten ins europäische Parlament einladen, aber dazu brauche
ich die Unterstützung der Fraktionsvorsitzenden. Das kann der Parlamentspräsident
nicht allein entscheiden. Ich werde zu einem angemessenen Zeitpunkt der Konferenz
der Präsidenten, das sind die Fraktionsvorsitzenden, einen Vorschlag unterbreiten.
Und dazu wird sicher auch der Vorschlag gehören, Papst Benedikt XVI. ins Europäische
Parlament einzuladen.“