2007-01-29 15:17:37

Feature: Ökumene im Heiligen Land


RealAudioMP3 Im Nahen Osten ticken die Uhren anders als im Westen – auch in der Ökumene. So wurde die Gebetswoche für die Einheit der Christen in Jerusalem erst am Sonntag abgeschlossen. Auch inhaltlich hinken die Kirchen dort ein gutes Stück hinter den ökumenischen Errungenschaften in anderen Teilen der Welt her. Mehr als 40 Kirchen und kirchliche Gemeinschaften drängen sich in der heiligen Stadt. Gabi Fröhlich berichtet von einem Miteinander, das in Jerusalem so vielfältig wie nirgendwo sonst ist, und dabei ganz eigenen Gesetzmäßigkeiten folgt:
Eine ökumenische Gebetszeit, gestaltet von einer palästinensischen Jugendgruppe in einer der heiligsten Stätten der Christenheit: dem Abendmahlssaal auf dem Zionsberg. Einmal pro Jahr genehmigen die israelischen Behörden einen christlichen Gottesdienst in dem ansonsten nur für Besichtigungen geöffneten Saal. Der Raum passt perfekt zum Anlass: Hier, wo die Kirche am Pfingsttag ihren Ursprung genommen haben soll, sind jetzt Hunderte aus aller Welt und verschiedensten Konfessionen zusammengeströmt. Genau hier soll Christus gebetet haben: Dass sie eins seien. Und im gemeinsam in vielen Sprachen gebeteten Vaterunser wurde etwas davon spürbar.
Die pfingstliche Atmosphäre im Abendmahlssaal ließ vergessen, dass nicht alle Gottesdienste während der Gebetswoche so harmonisch waren wie dieser. Zum ersten Mal überhaupt stand dieses Jahr z.B. die einflussreiche griechisch-orthodoxe Kirche mit einer Gebetszeit auf dem Programm, und zwar mit einer Vesper in der Grabeskirche. Das war zwar an sich schon eine kleine Revolution - die aber dadurch relativiert wurde, dass den Gästen aus den anderen Kirchen das Mitbeten offiziell untersagt war. Der evangelische Propst Uwe Gräbe spricht von widersprüchlichen Gefühlen bei dieser Feier:
„Es war ein orthodoxes Abendgebet, bei dem wir anderen Kirchen gar nicht wahrgenommen worden sind. Wir haben dabei gestanden, aber sie haben das Abendgebet so gefeiert, als wäre da niemand, als wäre da Luft.“
Trotz dieser strengen Trennung wurde die ökumenische Feier von vielen orthodoxen Mönchen anschließend misstrauisch kommentiert. Der griechisch-orthodoxe Priester Pater Alexander versucht zu erklären, worauf es seiner Kirche ankommt: „Nicht wirklich zusammen zu beten, weil wir getrennt sind. Wir dürfen die Geschichte, die uns trennt, nicht einfach überspringen.“
Die Grabeskirche war nicht zum ersten Mal Zeugin der schwierigen Ökumene im Heiligen Land: Griechische-Orthodoxe, katholische Lateiner, Armenier und Kopten haben jahrhundertealte Anrechte in der Basilika. Dabei kommt es bis in unsere Tage immer wieder zu Handgreiflichkeiten. Dennoch wehrt sich der für die Katholiken zuständige Franziskanerkustos Pierbattista Pizzaballa gegen die Behauptung, dass die Konfessionen in der Grabeskirche heillos zerstritten seien. „Es ist absolut nicht wahr, dass wir nicht miteinander klar kämen. Im Gegenteil treffen sich die Sakristane und die Gemeinschaften in der Grabeskirche regelmäßig, trinken miteinander Kaffee, essen miteinander, spielen miteinander – und streiten auch mal miteinander. Das gehört zum Zusammenleben.“ Nicht Glaubensunterschiede sind es nach Ansicht von Pizzaballa, die immer wieder Sand ins ökumenische Getriebe streuen, sondern die kulturelle Verschiedenheit: „Das spüren wir zum Beispiel in der Liturgie. Was für uns ein bewegender Gottesdienst mit großartigem Orgelspiel ist, erscheint den Orthodoxen und Kopten als reines Theater, als eine Katastrophe. Für einen Kopten ist der Klang der Orgel grauenhaft. Was hingegen uns nicht besonders sauber erscheint, ist für sie ganz in Ordnung. Oder was uns wie eine monotone, nicht enden wollende Aneinanderreihung von „Kyrie eleison“ vorkommt, ist für sie eine wundervolle Liturgie.“ Im engen Miteinander, so der Franziskaner, kommen diese kulturellen Unterschiede und Empfindlichkeiten deutlich zum Vorschein. „Trotz alledem gibt es aber einen Dialog - nur ist es eben nicht ein Dialog über Glaubensprinzipien sondern das, was ich einen „Mietshaus-Dialog“ nenne. Wir leben miteinander unter einem Dach, deshalb geht es bei uns um konkrete Fragen. Was manchmal viel schwerer ist. Denn über das „filioque“ kann man unterschiedlicher Ansicht sein, aber es berührt dein Leben nicht wirklich. Der Streit über die elektrischen Anlagen hingegen schon. Gleichzeitig müssen wir uns anstrengen, eine Lösung zu finden, denn sonst hat keiner von uns Licht. Das scheint banal zu sein, ist es aber gar nicht. Denn diese banalen Fragen zwingen uns, miteinander klarzukommen und gemeinsame Lösungen zu finden.“ Das Miteinander der Kirchen in Jerusalem hat so etwas ähnlich Buntes und Verwirrendes wie ein arabischer Basar. Von den westlichen Kirchenvertretern erfordert das ein radikales Umdenken: „Wir Westler, vor allem diejenigen aus dem Norden Europas, sind in der Regel unfähig, unsere Vorstellungen von Kultur abzulegen und offen zu werden für eine andere Lebensart. Wir sind hier aber nicht im Westen, wir sind im Orient. Wir Westkirchen haben eine große Strecke in der Ökumene zurückgelegt, andere sind vielleicht noch nicht so weit. Das müssen wir respektieren. Wir können nicht von den anderen verlangen, dass sie alles so machen wie wir es uns vorstellen.“ Das hat auch der evangelische Propst Uwe Gräbe erfahren: „Bei der Ökumene in Deutschland gehe es um das gemeinsame Abendmahl – hier um gemeinsames Beten überhaupt. Wenn man als Deutscher etwas traurig geworden ist, weil es zwischen Evangelischen und Katholiken nicht so recht vorangehen will, und dann eine Weile hier ist - dann freut man sich doch über das, was wir in Deutschland erreicht haben“








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