"Es ist die
Verantwortung der Christen in dieser Stunde…“(12. September 2006) Laien
haben für Benedikt XVI. eine besondere Sendung. Hergeleitet aus Taufe und Firmung.
Diese Sendung ist zunächst einmal allen Christen gemeinsam: "Zeuge für Jesus Christus
sein bedeutet vor allem auch: Zeuge für eine Weise des Lebens sein. In einer Welt
voller Verwirrung müssen wir wieder Zeugnis geben von den Maßstäben, die Leben zu
Leben machen.“ (12. September 2006) Das ist es, was Laien tun sollen: Im täglichen
Leben ihren Mann und ihre Frau stehen. "Die Verkündigung der Frohbotschaft an
Millionen von Mitbürgern, die Christus und seine Kirche noch nicht kennen; die Katechese
für Kinder und Erwachsene in unseren Pfarrgemeinden; die karitativen Dienste; die
Medienarbeit sowie das gesellschaftliche Engagement für einen umfassenden Schutz des
menschlichen Lebens, für die soziale Gerechtigkeit und in christlichen Kulturinitiativen.“
(18. November 2006) Ethische Fragen, Lebensschutz, Jugendarbeit - die Männer
und Frauen aus dem Volk sollen nicht schweigen: "Wie wichtig die aktive Mitarbeit
der Laien für das Leben der Kirche ist, erfahren wir in unserer säkularen Kultur immer
mehr. All den Laien, die die Kirche aus der Kraft der Taufe lebendig mittragen, möchte
ich von Herzen danken. Gerade weil das aktive Zeugnis der Laien so wichtig ist, ist
auch wichtig, dass die spezifischen Sendungsprofile nicht vermischt werden.“ (10.
November 2006) Da ist es also wieder, salopp gesagt, das "Schuster, bleib bei
Deinen Leisten“. Laien haben die eine Aufgabe, Priester die andere. Doch Benedikt
gibt zu, weiß das auch aus unzähligen Zuschriften, die er schon in seinem in dieser
Hinsicht wohl undankbaren Posten als Chef der Glaubenskongregation erhalten hat: Das
Thema Laien ist in Deutschland "emotional belastet“. Umso nüchterner schärft er den
deutschen Oberhirten ein: "Die Predigt in der Heiligen Messe ist ein an das Weiheamt
gebundener Auftrag; wenn eine ausreichende Zahl von Priestern und Diakonen anwesend
ist, steht ihnen die Ausspendung der heiligen Kommunion zu. … Nur das Sakrament der
Weihe befähigt den Empfänger in persona Christi zu sprechen und zu handeln. Dies,
verehrte Mitbrüder, gilt es, mit aller Geduld und Lehrweisheit immer wieder einzuschärfen
und daraus die notwendigen Konsequenzen zu ziehen.“ (10. November 2006) Davon
dass Laien in der katholischen Kirche zu kurz kommen, will Benedikt XVI. nichts wissen.
Das machte er den deutschen Bischöfen unmissverständlich klar: "Wenn manchmal gesagt
wird, die Laien könnten sich in der Kirche nicht genug einbringen, so liegt eine verengende
Fixierung auf die Mitarbeit in kirchlichen Leitungsgremien, auf hauptamtliche Stellen
in kirchlich finanzierten Strukturen oder auf die Ausübung bestimmter liturgischer
Funktionen zugrunde.“ (18. November 2006) All das ist Benedikt wichtig, aber
eine Verengung auf Leitungs- und Liturgiefunktion hält er für eine falsche Verkürzung.
Das Laienapostolat ist für ihn ein weites Feld, offen und dringend notwendig. "An
Aufgaben für engagierte katholische Laien fehlt es fürwahr nicht, aber vielleicht
mangelt uns heute manchmal der missionarische Geist, die Kreativität und der Mut,
um auch neue Pfade zu beschreiten.“ (18. November 2006) Wohin diese Pfade führen,
wagt wohl auch der Papst selbst jetzt noch nicht zu sagen. Die deutschen Bischöfe,
die deutschen Laien erst recht, werden darüber unterschiedlicher Ansicht sein. Aber
- das hat Benedikt in seinen ersten Amtsjahren gezeigt - er wird zu gegebener Zeit
reagieren. Denken wir an die Kabinettssitzung zum Fall Milingo und die Überlegungen
zur Zölibatsverpflichtung oder auch an politisch brisante Eisen wie den China-Gipfel
im Vatikan.
Nüchtern gesagt: In Punkto Laien hat sich nichts verändert.
Aber das war auch nicht zu erwarten. Am Beispiel der Priesterweihe für Frauen erklärte
Benedikt warum. Hier ein Ausschnitt aus dem Fernsehinterview vor der Bayernreise: "Sie
wissen, dass wir uns durch den Glauben, durch die Konstitution des Apostelkollegiums
bestimmt und nicht dazu ermächtigt fühlen, Frauen die Priesterweihe zu erteilen. Aber
man sollte auch nicht meinen, in der Kirche ist nur jemand etwas, der ein Priester
ist.“ Benedikt verweist gerne auf die Kirchengeschichte: "Von den Schwestern
der Kirchenväter angefangen bis ins Mittelalter, wo große Frauen eine sehr bestimmende
Rolle ausgeübt haben. Und in die Neuzeit herein: Denken wir an Hildegard von Bingen,
die kraftvoll protestiert hat gegen Bischöfe und Papst. Und Katharina von Siena und
Birgitta von Schweden. So in die Neuzeit herein müssen die Frauen und müssen wir ja
auch immer wieder mit ihnen zusammen den richtigen Platz für sie suchen.“ In
den Kongregationen seien sie sehr gegenwärtig, meint der Papst. Ohne jetzt den Personalplan
und die konkrete Aufgabenverteilung zu kennen, sei gesagt: Im Vatikan sind 15 Prozent
der Angestellten Frauen. Was für ihn vor allem gegen das Frauenpriestertum spricht:
das Kirchenrecht. "Jurisdiktion, also die Möglichkeit rechtlich bindender Entscheidungen,
ist nach dem Kirchenrecht an Weihe gebunden. Insofern gibt es dann da auch wieder
Grenzen. Aber ich glaube, die Frauen selber werden mit ihrem Schwung und ihrer Kraft,
mit ihrem Übergewicht sozusagen, mit ihrer 'geistlichen Potenz' sich ihren Platz zu
verschaffen wissen. Und wir sollten versuchen, auf Gott zu hören, dass wir den auch
nicht behindern, sondern uns freuen, dass das Weibliche in der Kirche, wie es sich
gehört – von der Muttergottes und von Maria Magdalena an – seine kraftvolle Stelle
erhält." (5. August 2006)
Vielleicht ist man geneigt, genauer
hinzuhören, und eben weil man schon weiß, dass sich nichts ändert - die liebevollen
Ermunterungen einfach besser herauszuhören. So wie bei der Münchner Vesper im Liebfrauendom: "Liebe
Eltern! Ich möchte Euch herzlich einladen, Euren Kindern glauben zu helfen und sie
auf ihrem Weg zur ersten Kommunion, der danach ja weiter geht, auf ihrem Weg zu Jesus
und mit Jesus zu begleiten. Bitte, geht mit Euren Kindern in die Kirche zur sonntäglichen
Eucharistiefeier. Ihr werdet sehen: Das ist keine verlorene Zeit, das hält die Familie
richtig zusammen und gibt ihr ihren Mittelpunkt. Der Sonntag wird schöner, die ganze
Woche wird schöner, wenn Ihr gemeinsam den Gottesdienst besucht. Und bitte, betet
auch zu Hause miteinander: beim Essen, vor dem Schlafengehen. Das Beten führt uns
nicht nur zu Gott, sondern auch zueinander. Es ist eine Kraft des Friedens und der
Freude. Das Leben in der Familie wird festlicher und größer, wenn Gott dabei ist und
seine Nähe im Gebet erlebt wird.“ (10. September 2006)
"Mein
Wunsch ist es, dass alle meine Landsleute in Bayern und in Deutschland insgesamt sichaktiv an der Weitergabe der grundlegenden Werte des christlichen Glaubensan die Bürger von morgen beteiligen, der uns alle trägt und der nicht abgrenzt,
sondern der öffnet und die Menschen aus den verschiedenen Völkern, Kulturen und Religionen
zueinander bringt.“ (9. September 2006) Und mit diesem Wunsch Benedikts sind
wir beim nächsten Thema. Religionen zueinander bringen, für Benedikt heißt das zunächst
einmal. Konfessionen zueinander bringen. Sein - ökumenisches Credo: "Damit die
Welt glaube, müssen wir eins sein: Der Ernst dieses Auftrags muss unseren Dialog beseelen.“
(12. September 2006) Benedikt XVI. will ein Ökumenepapst sein. Von lutherischer
Seite wird ihm Einseitigkeit vorgeworfen, Orthodoxen-Freundlichkeit. Doch sein Anliegen
ist schlicht die Einheit. Das sagt er als Deutscher: "Da ich selbst aus diesem
Land komme, weiß ich um die Tragik, welche die Glaubensspaltung über viele Menschen
und über viele Familien gebracht hat. Auch deshalb habe ich gleich nach meiner Wahl
zum Bischof von Rom als Nachfolger des Apostels Petrus den festen Vorsatz geäußert,
die Wiedererlangung der vollen und sichtbaren Einheit der Christen zu einer Priorität
meines Pontifikats zu erheben.“ (19. August 2005) Der Papst und die deutsche
Ökumene. Hier sind zwei Ereignisse wichtig. Das Treffen in Köln während des Weltjugendtages
2005 und die Vesper im Regensburger Dom im September 2006. Am ökumenischen Schaffen
also solches lässt er keinen Zweifel. Im Gegenteil, betont sogar, dass sich die christlichen
Gemeinschaften gegenseitig bereichern können. "Ich weiß sehr wohl, dass viele
Christen in Deutschland – und nicht nur hier – sich weitere konkrete Schritte der
Annäherung erwarten, und auch ich erwarte sie. In der Tat, es ist das Gebot des Herrn,
aber auch ein Gebot der Stunde, den Dialog auf allen Ebenen des kirchlichen Lebens
entschieden weiterzuführen“ (19. August 2005) Was Benedikt nicht vorgibt: Wie
der Dialog verlaufen soll. Da bleibt er seiner Linie treu und überlässt die Einzelfragen,
denen die je nach Ebene dafür zuständig sind: den Theologen, den Bischöfen, den Pfarrern,
den aktiven Laien vor Ort. Gemeinsame Aufgabe der Christen: gemeinsam Zeugnis geben.
Das Thema gibt der Papst vor: die aktuellen gesellschaftlichen Fragen, Friedensengagement,
die Caritas, den Einsatz für das Leben. Christen sollen "den lebendigen Gott wieder
in unserem Leben und in unserer Zeit und Gesellschaft neu zu entdecken“. "Unsere
Spaltungen stehen im Kontrast zum Willen Jesu und machen uns vor den Menschen unglaubwürdig.
Ich denke, dass wir uns darum mit ganz neuer Energie und Anstrengung bemühen sollten,
in diesen großen ethischen Herausforderungen unserer Zeit gemeinsam Zeugnis zu geben.“
(19. August 2005) Die deutsche Kanzlerin gibt ihrem Landsmann Recht. Nach dem
Gespräch mit ihm in der Münchner Residenz sagte Angela Merkel: "Ich persönlich
habe noch einmal zum Ausdruck gebracht, dass ich angesichts der vielen, die auch dem
christlichen Glauben nicht mehr verbunden sind, glaube, dass es ganz wichtig ist,
dass wir Wege der Ökumene finden, ohne das Trennende unter den Tisch zu kehren.“ Einheit
ist nicht gleich Verschmelzung. Benedikt selbst sagt, er ist gegen einen "Rückkehr-Ökumenismus“,
hält nichts davon, eigene Überzeugungen, die eigene Geschichte zu verleugnen. Bei
allem Willen zum Miteinander und der Absage an Streit - falsche Kompromisse sind mit
dem Papst nicht zu machen. Alle Aktionen gründeten im Gebet. "Wer Gott ist,
wissen wir durch Jesus Christus: den einzigen, der Gott ist.
In die Berührung mit Gott kommen wir durch ihn. In der Zeit der multireligiösen Begegnungen
sind wir leicht versucht, dieses zentrale Bekenntnis etwas abzuschwächen oder gar
zu verstecken. Aber damit dienen wir der Begegnung nicht und nicht dem Dialog. Damit
machen wir Gott nur unzugänglicher, für die anderen und für uns selbst. Es ist wichtig,
dass wir unser Gottesbild ganz und nicht nur fragmentiert zur Sprache bringen.“ (12.
September 2006) Das hatte Benedikt schon in der ersten Predigt an die Kardinäle
am Tag nach seiner Wahl betont. Es ist auch die Linie des Päpstlichen Einheitsrats
unter Kardinal Walter Kasper. Wer mit den anderen sprechen will, muss sich zunächst
seiner eigenen Position bewusst sein. Aber alle Christen könne man, so der Papst an
einem Bekenntnis erkennen: Gott ist in Jesus Mensch geworden. "In diesem gemeinsamen
Bekenntnis und in dieser gemeinsamen Aufgabe gibt es keine Trennung zwischen uns.“ Im
Gegenteil, so der Papst: Der gemeinsame Grund müsse immer stärker werden. Seine Kritiker
vermissten nach der ökumenischen Vesper die noch am Flughafen in München angekündigten
konkreten Schritte. Dazu der vatikanische Ökumeneminister Walter Kasper: "Ich
sehe sie im Nachhinein positiv, und zwar deshalb, weil der Papst auf den entscheidenden
Punkt hingewiesen hat. Er hat gesagt, Aktionen und auch Einzelfortschritte nützen
nichts, wenn sozusagen das Zentrum, die Grundlage des Glaubens bricht. Und das ist
ja ein Phänomen, das wir in Deutschland und auch in anderen westlichen Ländern zum
Teil haben. Wir heben bisher gesagt, über Gott, über Jesus Christus, über viele Dinge
gibt es eine Einheit, auf die wir aufbauen können. Aber die zerbröselt ja immer mehr.
Da hat der Papst, was wir dann später einen Fundamental - Ökumenismus genannt haben,
vorgeschlagen. Dass wir uns gemeinsam bemühen, das was uns eigentlich eint, wieder
bewusster zu machen, zu stärken. Denn alle Diskussionen über Rechtfertigungslehre
hängt in der Luft, wenn wir nicht mehr wissen, wer Gott ist. … Ich denke das war ein
ganz wesentlicher Anstoß, den der Papst in dieser Hinsicht uns in dieser ökumenischen
Feier gegeben hat, die übrigens sehr, sehr gut verlaufen ist: Die Worte des evangelischen
Landesbischof Friedrich waren ja ganz auf Konsens und Versöhnung abgestimmt. Es war
wirklich ein schöner und ein würdiger Gottesdienst, an den ich mich gerne erinnere.“
Sind
konkrete Schritte denn überhaupt noch möglich? Jetzt wo es um die Frage des Amtes
oder der Verfasstheit der Kirche geht? Schließlich ist im Vatikan wie in Deutschland
von Windstille die Rede, im Gegensatz zur Großwetterlage eher von einer "Erkaltung
der Atmosphäre“. Der bayerische Landesbischof Johannes Friedrich ist skeptisch: "Die
lehrmäßigen Differenzen werden wir nicht schnell überbrücken. Alles was leicht ging,
haben wir geschafft. Alles was jetzt kommt, ist ausgesprochen schwierig und da brauchen
wir viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte. Was er sich wünscht, sind Zeichen –
auch in der Öffentlichkeit: "Ich denke man muss genau hinsehen, um die kleinen
ökumenischen Zeichen zu merken und zu sehen, die er immer wieder gegeben hat.“ Friedrich
bleibt realistisch - bei allem Vertrauen, das er in seinen Landsmann auf dem Stuhl
Petri setzt: "Ich denke nicht, dass wir eine revolutionäre Veränderung erleben
werden.“ Was er an ihm schätzt: Dass er ein hervorragender Theologe ist. "Ein
ganz ernsthafter Theologe, der keine ökumenischen Schummeleien duldet, der Ökumene
will, aber sagt, das kann nicht auf Kosten der Wahrheit gehen. Und da kann ich ihm
nur Recht geben.“ Zustimmung auch von Bundeskanzlerin Merkel. Protestantisch
gebildet, theologisch sozusagen erblich vorbelastet: "Wir müssen gerade auch im
Dialog mit den Kulturen die Fragen unseres eigenen Selbstverständnisses der Christenheit
immer wieder deutlich werden lassen.“
Bleiben wir noch kurz bei der
Bayernreise Benedikts. Von der erhofft sich der bayerische Landesbischof Johannes
Friedrich mehr: "Ich hoffe, dass die starke mediale Präsenz nicht nur ein Strohfeuer
ist, sondern dass doch vielleicht durch die sehr christuszentrierten Ansprachen des
Papstes, die sie alle waren – in dem Sinn waren sie als höchstes Lob, das ich sagen
kann, sehr gut evangelisch – dass da etwas bei den Menschen angekommen ist, sondern
nicht nur bei den Katholiken, sondern auch bei den Evangelischen, dass das auch bei
den Nichtkatholiken seine Wirkung haben wird.“