2007-01-24 09:54:01

Der Papst an die dt. Kirche - Teil 4


RealAudioMP3 "Es ist die Verantwortung der Christen in dieser Stunde…“ (12. September 2006)
Laien haben für Benedikt XVI. eine besondere Sendung. Hergeleitet aus Taufe und Firmung. Diese Sendung ist zunächst einmal allen Christen gemeinsam: "Zeuge für Jesus Christus sein bedeutet vor allem auch: Zeuge für eine Weise des Lebens sein. In einer Welt voller Verwirrung müssen wir wieder Zeugnis geben von den Maßstäben, die Leben zu Leben machen.“ (12. September 2006)
Das ist es, was Laien tun sollen: Im täglichen Leben ihren Mann und ihre Frau stehen.
"Die Verkündigung der Frohbotschaft an Millionen von Mitbürgern, die Christus und seine Kirche noch nicht kennen; die Katechese für Kinder und Erwachsene in unseren Pfarrgemeinden; die karitativen Dienste; die Medienarbeit sowie das gesellschaftliche Engagement für einen umfassenden Schutz des menschlichen Lebens, für die soziale Gerechtigkeit und in christlichen Kulturinitiativen.“ (18. November 2006)
Ethische Fragen, Lebensschutz, Jugendarbeit - die Männer und Frauen aus dem Volk sollen nicht schweigen: "Wie wichtig die aktive Mitarbeit der Laien für das Leben der Kirche ist, erfahren wir in unserer säkularen Kultur immer mehr. All den Laien, die die Kirche aus der Kraft der Taufe lebendig mittragen, möchte ich von Herzen danken. Gerade weil das aktive Zeugnis der Laien so wichtig ist, ist auch wichtig, dass die spezifischen Sendungsprofile nicht vermischt werden.“ (10. November 2006)
Da ist es also wieder, salopp gesagt, das "Schuster, bleib bei Deinen Leisten“. Laien haben die eine Aufgabe, Priester die andere. Doch Benedikt gibt zu, weiß das auch aus unzähligen Zuschriften, die er schon in seinem in dieser Hinsicht wohl undankbaren Posten als Chef der Glaubenskongregation erhalten hat: Das Thema Laien ist in Deutschland "emotional belastet“. Umso nüchterner schärft er den deutschen Oberhirten ein: "Die Predigt in der Heiligen Messe ist ein an das Weiheamt gebundener Auftrag; wenn eine ausreichende Zahl von Priestern und Diakonen anwesend ist, steht ihnen die Ausspendung der heiligen Kommunion zu. … Nur das Sakrament der Weihe befähigt den Empfänger in persona Christi zu sprechen und zu handeln. Dies, verehrte Mitbrüder, gilt es, mit aller Geduld und Lehrweisheit immer wieder einzuschärfen und daraus die notwendigen Konsequenzen zu ziehen.“ (10. November 2006)
Davon dass Laien in der katholischen Kirche zu kurz kommen, will Benedikt XVI. nichts wissen. Das machte er den deutschen Bischöfen unmissverständlich klar: "Wenn manchmal gesagt wird, die Laien könnten sich in der Kirche nicht genug einbringen, so liegt eine verengende Fixierung auf die Mitarbeit in kirchlichen Leitungsgremien, auf hauptamtliche Stellen in kirchlich finanzierten Strukturen oder auf die Ausübung bestimmter liturgischer Funktionen zugrunde.“ (18. November 2006)
All das ist Benedikt wichtig, aber eine Verengung auf Leitungs- und Liturgiefunktion hält er für eine falsche Verkürzung. Das Laienapostolat ist für ihn ein weites Feld, offen und dringend notwendig.
"An Aufgaben für engagierte katholische Laien fehlt es fürwahr nicht, aber vielleicht mangelt uns heute manchmal der missionarische Geist, die Kreativität und der Mut, um auch neue Pfade zu beschreiten.“ (18. November 2006)
Wohin diese Pfade führen, wagt wohl auch der Papst selbst jetzt noch nicht zu sagen. Die deutschen Bischöfe, die deutschen Laien erst recht, werden darüber unterschiedlicher Ansicht sein. Aber - das hat Benedikt in seinen ersten Amtsjahren gezeigt - er wird zu gegebener Zeit reagieren. Denken wir an die Kabinettssitzung zum Fall Milingo und die Überlegungen zur Zölibatsverpflichtung oder auch an politisch brisante Eisen wie den China-Gipfel im Vatikan.


Nüchtern gesagt: In Punkto Laien hat sich nichts verändert. Aber das war auch nicht zu erwarten. Am Beispiel der Priesterweihe für Frauen erklärte Benedikt warum. Hier ein Ausschnitt aus dem Fernsehinterview vor der Bayernreise:
"Sie wissen, dass wir uns durch den Glauben, durch die Konstitution des Apostelkollegiums bestimmt und nicht dazu ermächtigt fühlen, Frauen die Priesterweihe zu erteilen. Aber man sollte auch nicht meinen, in der Kirche ist nur jemand etwas, der ein Priester ist.“
Benedikt verweist gerne auf die Kirchengeschichte:
"Von den Schwestern der Kirchenväter angefangen bis ins Mittelalter, wo große Frauen eine sehr bestimmende Rolle ausgeübt haben. Und in die Neuzeit herein: Denken wir an Hildegard von Bingen, die kraftvoll protestiert hat gegen Bischöfe und Papst. Und Katharina von Siena und Birgitta von Schweden. So in die Neuzeit herein müssen die Frauen und müssen wir ja auch immer wieder mit ihnen zusammen den richtigen Platz für sie suchen.“
In den Kongregationen seien sie sehr gegenwärtig, meint der Papst. Ohne jetzt den Personalplan und die konkrete Aufgabenverteilung zu kennen, sei gesagt: Im Vatikan sind 15 Prozent der Angestellten Frauen.
Was für ihn vor allem gegen das Frauenpriestertum spricht: das Kirchenrecht. "Jurisdiktion, also die Möglichkeit rechtlich bindender Entscheidungen, ist nach dem Kirchenrecht an Weihe gebunden. Insofern gibt es dann da auch wieder Grenzen. Aber ich glaube, die Frauen selber werden mit ihrem Schwung und ihrer Kraft, mit ihrem Übergewicht sozusagen, mit ihrer 'geistlichen Potenz' sich ihren Platz zu verschaffen wissen. Und wir sollten versuchen, auf Gott zu hören, dass wir den auch nicht behindern, sondern uns freuen, dass das Weibliche in der Kirche, wie es sich gehört – von der Muttergottes und von Maria Magdalena an – seine kraftvolle Stelle erhält." (5. August 2006)
 

Vielleicht ist man geneigt, genauer hinzuhören, und eben weil man schon weiß, dass sich nichts ändert - die liebevollen Ermunterungen einfach besser herauszuhören. So wie bei der Münchner Vesper im Liebfrauendom:
"Liebe Eltern! Ich möchte Euch herzlich einladen, Euren Kindern glauben zu helfen und sie auf ihrem Weg zur ersten Kommunion, der danach ja weiter geht, auf ihrem Weg zu Jesus und mit Jesus zu begleiten. Bitte, geht mit Euren Kindern in die Kirche zur sonntäglichen Eucharistiefeier. Ihr werdet sehen: Das ist keine verlorene Zeit, das hält die Familie richtig zusammen und gibt ihr ihren Mittelpunkt. Der Sonntag wird schöner, die ganze Woche wird schöner, wenn Ihr gemeinsam den Gottesdienst besucht. Und bitte, betet auch zu Hause miteinander: beim Essen, vor dem Schlafengehen. Das Beten führt uns nicht nur zu Gott, sondern auch zueinander. Es ist eine Kraft des Friedens und der Freude. Das Leben in der Familie wird festlicher und größer, wenn Gott dabei ist und seine Nähe im Gebet erlebt wird.“ (10. September 2006)


 
"Mein Wunsch ist es, dass alle meine Landsleute in Bayern und in Deutschland insgesamt sich aktiv an der Weitergabe der grundlegenden Werte des christlichen Glaubens an die Bürger von morgen beteiligen, der uns alle trägt und der nicht abgrenzt, sondern der öffnet und die Menschen aus den verschiedenen Völkern, Kulturen und Religionen zueinander bringt.“ (9. September 2006)
Und mit diesem Wunsch Benedikts sind wir beim nächsten Thema. Religionen zueinander bringen, für Benedikt heißt das zunächst einmal. Konfessionen zueinander bringen. Sein - ökumenisches Credo: "Damit die Welt glaube, müssen wir eins sein: Der Ernst dieses Auftrags muss unseren Dialog beseelen.“ (12. September 2006)
Benedikt XVI. will ein Ökumenepapst sein. Von lutherischer Seite wird ihm Einseitigkeit vorgeworfen, Orthodoxen-Freundlichkeit. Doch sein Anliegen ist schlicht die Einheit. Das sagt er als Deutscher: "Da ich selbst aus diesem Land komme, weiß ich um die Tragik, welche die Glaubensspaltung über viele Menschen und über viele Familien gebracht hat. Auch deshalb habe ich gleich nach meiner Wahl zum Bischof von Rom als Nachfolger des Apostels Petrus den festen Vorsatz geäußert, die Wiedererlangung der vollen und sichtbaren Einheit der Christen zu einer Priorität meines Pontifikats zu erheben.“ (19. August 2005)
Der Papst und die deutsche Ökumene. Hier sind zwei Ereignisse wichtig. Das Treffen in Köln während des Weltjugendtages 2005 und die Vesper im Regensburger Dom im September 2006.
Am ökumenischen Schaffen also solches lässt er keinen Zweifel. Im Gegenteil, betont sogar, dass sich die christlichen Gemeinschaften gegenseitig bereichern können.
"Ich weiß sehr wohl, dass viele Christen in Deutschland – und nicht nur hier – sich weitere konkrete Schritte der Annäherung erwarten, und auch ich erwarte sie. In der Tat, es ist das Gebot des Herrn, aber auch ein Gebot der Stunde, den Dialog auf allen Ebenen des kirchlichen Lebens entschieden weiterzuführen“ (19. August 2005)
Was Benedikt nicht vorgibt: Wie der Dialog verlaufen soll. Da bleibt er seiner Linie treu und überlässt die Einzelfragen, denen die je nach Ebene dafür zuständig sind: den Theologen, den Bischöfen, den Pfarrern, den aktiven Laien vor Ort.
Gemeinsame Aufgabe der Christen: gemeinsam Zeugnis geben. Das Thema gibt der Papst vor: die aktuellen gesellschaftlichen Fragen, Friedensengagement, die Caritas, den Einsatz für das Leben. Christen sollen "den lebendigen Gott wieder in unserem Leben und in unserer Zeit und Gesellschaft neu zu entdecken“.
"Unsere Spaltungen stehen im Kontrast zum Willen Jesu und machen uns vor den Menschen unglaubwürdig. Ich denke, dass wir uns darum mit ganz neuer Energie und Anstrengung bemühen sollten, in diesen großen ethischen Herausforderungen unserer Zeit gemeinsam Zeugnis zu geben.“ (19. August 2005)
Die deutsche Kanzlerin gibt ihrem Landsmann Recht. Nach dem Gespräch mit ihm in der Münchner Residenz sagte Angela Merkel: "Ich persönlich habe noch einmal zum Ausdruck gebracht, dass ich angesichts der vielen, die auch dem christlichen Glauben nicht mehr verbunden sind, glaube, dass es ganz wichtig ist, dass wir Wege der Ökumene finden, ohne das Trennende unter den Tisch zu kehren.“
 
Einheit ist nicht gleich Verschmelzung. Benedikt selbst sagt, er ist gegen einen "Rückkehr-Ökumenismus“, hält nichts davon, eigene Überzeugungen, die eigene Geschichte zu verleugnen. Bei allem Willen zum Miteinander und der Absage an Streit - falsche Kompromisse sind mit dem Papst nicht zu machen. Alle Aktionen gründeten im Gebet.
"Wer Gott ist, wissen wir durch Jesus Christus: den einzigen, der Gott ist. In die Berührung mit Gott kommen wir durch ihn. In der Zeit der multireligiösen Begegnungen sind wir leicht versucht, dieses zentrale Bekenntnis etwas abzuschwächen oder gar zu verstecken. Aber damit dienen wir der Begegnung nicht und nicht dem Dialog. Damit machen wir Gott nur unzugänglicher, für die anderen und für uns selbst. Es ist wichtig, dass wir unser Gottesbild ganz und nicht nur fragmentiert zur Sprache bringen.“ (12. September 2006)
Das hatte Benedikt schon in der ersten Predigt an die Kardinäle am Tag nach seiner Wahl betont. Es ist auch die Linie des Päpstlichen Einheitsrats unter Kardinal Walter Kasper. Wer mit den anderen sprechen will, muss sich zunächst seiner eigenen Position bewusst sein. Aber alle Christen könne man, so der Papst an einem Bekenntnis erkennen: Gott ist in Jesus Mensch geworden. "In diesem gemeinsamen Bekenntnis und in dieser gemeinsamen Aufgabe gibt es keine Trennung zwischen uns.“
Im Gegenteil, so der Papst: Der gemeinsame Grund müsse immer stärker werden. Seine Kritiker vermissten nach der ökumenischen Vesper die noch am Flughafen in München angekündigten konkreten Schritte.
Dazu der vatikanische Ökumeneminister Walter Kasper: "Ich sehe sie im Nachhinein positiv, und zwar deshalb, weil der Papst auf den entscheidenden Punkt hingewiesen hat. Er hat gesagt, Aktionen und auch Einzelfortschritte nützen nichts, wenn sozusagen das Zentrum, die Grundlage des Glaubens bricht. Und das ist ja ein Phänomen, das wir in Deutschland und auch in anderen westlichen Ländern zum Teil haben. Wir heben bisher gesagt, über Gott, über Jesus Christus, über viele Dinge gibt es eine Einheit, auf die wir aufbauen können. Aber die zerbröselt ja immer mehr. Da hat der Papst, was wir dann später einen Fundamental - Ökumenismus genannt haben, vorgeschlagen. Dass wir uns gemeinsam bemühen, das was uns eigentlich eint, wieder bewusster zu machen, zu stärken. Denn alle Diskussionen über Rechtfertigungslehre hängt in der Luft, wenn wir nicht mehr wissen, wer Gott ist. … Ich denke das war ein ganz wesentlicher Anstoß, den der Papst in dieser Hinsicht uns in dieser ökumenischen Feier gegeben hat, die übrigens sehr, sehr gut verlaufen ist: Die Worte des evangelischen Landesbischof Friedrich waren ja ganz auf Konsens und Versöhnung abgestimmt. Es war wirklich ein schöner und ein würdiger Gottesdienst, an den ich mich gerne erinnere.“

Sind konkrete Schritte denn überhaupt noch möglich? Jetzt wo es um die Frage des Amtes oder der Verfasstheit der Kirche geht? Schließlich ist im Vatikan wie in Deutschland von Windstille die Rede, im Gegensatz zur Großwetterlage eher von einer "Erkaltung der Atmosphäre“. Der bayerische Landesbischof Johannes Friedrich ist skeptisch: "Die lehrmäßigen Differenzen werden wir nicht schnell überbrücken. Alles was leicht ging, haben wir geschafft. Alles was jetzt kommt, ist ausgesprochen schwierig und da brauchen wir viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte.
Was er sich wünscht, sind Zeichen – auch in der Öffentlichkeit: "Ich denke man muss genau hinsehen, um die kleinen ökumenischen Zeichen zu merken und zu sehen, die er immer wieder gegeben hat.“
Friedrich bleibt realistisch - bei allem Vertrauen, das er in seinen Landsmann auf dem Stuhl Petri setzt: "Ich denke nicht, dass wir eine revolutionäre Veränderung erleben werden.“ Was er an ihm schätzt: Dass er ein hervorragender Theologe ist. "Ein ganz ernsthafter Theologe, der keine ökumenischen Schummeleien duldet, der Ökumene will, aber sagt, das kann nicht auf Kosten der Wahrheit gehen. Und da kann ich ihm nur Recht geben.“
Zustimmung auch von Bundeskanzlerin Merkel. Protestantisch gebildet, theologisch sozusagen erblich vorbelastet: "Wir müssen gerade auch im Dialog mit den Kulturen die Fragen unseres eigenen Selbstverständnisses der Christenheit immer wieder deutlich werden lassen.“


Bleiben wir noch kurz bei der Bayernreise Benedikts. Von der erhofft sich der bayerische Landesbischof Johannes Friedrich mehr: "Ich hoffe, dass die starke mediale Präsenz nicht nur ein Strohfeuer ist, sondern dass doch vielleicht durch die sehr christuszentrierten Ansprachen des Papstes, die sie alle waren – in dem Sinn waren sie als höchstes Lob, das ich sagen kann, sehr gut evangelisch – dass da etwas bei den Menschen angekommen ist, sondern nicht nur bei den Katholiken, sondern auch bei den Evangelischen, dass das auch bei den Nichtkatholiken seine Wirkung haben wird.“

 
(rv 23.01.07 bp)







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