Die Gebetswoche zur Einheit der Christen. Sie begann am Donnerstag, doch - sonst viel
beachtet - im Land der Reformation schaffte sie es nicht bis in die Schlagzeilen.
Im ganzen Land, nicht nur im überwiegend katholischen Bayern ging es nur noch um Gerüchte,
Gezanke, Gezeter. Im Gegensatz zu dem, was zwischen Fürth, Wildbad Kreuth und München
/ Wolfratshausen abging, sind die Treffen der seit Jahrhunderten getrennten Christen
dieser Welt ein Kaffeekränzchen. Eine Gebetswoche schien angebracht. Aber wohl
doch eher zur Einheit der CSU, oder sagen wir zur Einheit der Christen in der CSU. Stoiber
würde nicht mehr zum Wohle des Landes handeln, sein Bleiben schade. Schade, denn die
öffentlichen Debatten, eiligen Dementis und trotzig vorgebrachten Demissionen sind
nun auch nicht zum Wohle des Landes. Oder? Halten wir fest: Mit einem verdienten
Mann - und dass er das ist, bezweifeln nun nicht einmal seine schärfsten Kritiker,
geht man so nicht um. Aus dem Fall Stoiber wurde der Fall Stoibers. In seinem Reich
sind bereits vor gut einem Jahr die Diadochenkämpfe ausgebrochen. Die Erben Alexanders
des Großen hatten wenigstens bis zu dessen Ableben gewartet. Die Herren Beckstein
und Huber scharren - trotz aller Loyalitätsbekundungen - seit Jahren mit den Hufen,
und für beide ist es die letzte Chance, endlich nach eigenem Gutdünken durch die bayerische
Politik - und aufgrund der besonderen CSU-Stellung auch nach Berlin - zu galoppieren.
Unter dem Kutscher Stoiber mussten sie mehr als dessen 13 Regierungsjahre Trapp, wenn
nicht gar Schritt gehen. Seehofer als dritter im Bunde der Diadochensöhne wirft bundespolitisches
Schwergewicht in den Ring. Er will den Kampf. Wenn jedoch jetzt liberale Herren
wie Guido Westerwelle die CSU anmahnen, dass dies nicht die feine christliche Art
sei, miteinander umzugehen, und so gar nicht zum C im Namen passen, muss man zum einen
die FDP-Herren an ihren eigenen Aufstieg und den Umgang mit Parteikollegen erinnern.
Zum anderen wird deutlich. Das C gilt für das Parteiprogramm nicht für Personalfragen.
Da geht es um Machtpolitik und das Recht des Stärkeren. Geben wir zu: Mit dem Rücktritt
vom Amt des Superministers noch bevor er es angenommen hatte, begann Stoiber zu schwächeln.
Das hat er - zumindest nach außen - nicht zugegeben. Das Bild vom hageren blonden
Mann aus Bayern der mit verhärteter Miene im schwarzen Anzug alleine im Panzerglasauto
Unter den Linden sitzt, ging auch jetzt wieder durch deutsche Partei- und Wohnzimmer.
Das Bild vom lachenden heimatverbundenen Bayern der mit der Sonne und dem bayerischen
Papst um die Wette strahlt, konnte die Wolken, die sich über ihm zusammengebraut hatten,
nur kurz noch einmal bei Seite schieben. Der Münchner Kardinal Friedrich Wetter
stand damals neben Stoiber. Als Vorsitzender der Freisinger Bischofskonferenz hat
er ihm für die Rücktrittsankündigung Respekt gezollt; für das gute Staat-Kirche-Verhältnis
und die gute Zusammenarbeit mit der katholischen Kirche gedankt. Nur eine gute Stunde
nach Stoibers Auf -und Abtritt vor der Presse. Ob Wetter es so eilig hatte, weil
er glaubt, dass es künftig anders wird? Der designierte künftige bayerische Ministerpräsident
kommt schließlich nicht aus Altbayern, sondern - wie andere Hauptfiguren des Falls
Stoiber - aus dem mehrheitlich protestantischen Franken. Beckstein ist Protestant. Wir
brauchen sie also doch - die Gebetswoche zur Einheit der Christen. Auch - und vor
allem in Bayern. (Birgit Pottler)