Die Sekten sind für die Kirche Lateinamerikas nicht nur ein religiöses, sondern auch
ein wirtschaftliches und politisches Problem. Das betonte Kardinal Oscar Rodríguez
Maradiaga aus Honduras jetzt bei einem Vortrag an der argentinischen Botschaft beim
Heiligen Stuhl in Rom. Der Erzbischof von Tegucigalpa sprach über die fünfte Vollversammlung
der lateinamerikanischen Bischöfe, die Papst Benedikt am im Mai in Aparecida (Brasilien)
eröffnen wird. Nach Kardinal Maradiaga handelt es sich bei den Sekten in Lateinamerika
heute nicht mehr „nur“ um religiöse Gruppen, die aus den USA kämen, sondern um ein
„alteingesessenes Produkt“. Plötzlich gebe es eine Kirche, „die den Zehnten verlangt“,
gab er zu bedenken. Einige Sekten hätten auch "den Anspruch, an die Macht zu kommen”,
und die Politiker bemühten sich immer mehr darum, die Stimme der Evangelikalen für
sich zu gewinnen. In vielen Ländern Lateinamerikas verwende man die Bezeichnung „evangelisch“
für alle: „für diejenigen, die es sind, wie auch für jene, die es nicht sind“. Die
Sekten stellten eine große Herausforderung für die Pastoral der Pfarrgemeinden dar.
„Wir müssen kreativ sein und zu den Leuten gehen. Wir dürfen nicht erwarten, dass
die Leute zu uns kommen“, unterstrich der frühere Vorsitzende des Lateinamerikanischen
Bischofsrates. Kardinal Maradriaga räumte zugleich ein, dass die Sekten manchmal herzlicher
agierten als die Pfarreien: „Sie sind die ersten, die die Kranken besuchen.“ Da
ein Pfarrer, der für 100.000 Gläubige zuständig sei, kaum in der Lage sei, als erster
am Krankenbett zu stehen, appellierte der Kardinal an die Mitverantwortung der Laien.
In diesem Zusammenhang kritisierte er die vorherrschende Meinung in vielen Gemeinden
seiner Erzdiözese, dass der Priester allein für alles zuständig sei. Die gegenwärtigen
Herausforderungen erforderten diesbezüglich tiefgreifende Veränderungen. (fides
19.01.07 sk)