2007-01-19 12:11:06

D: "Stärker auf Verlierer blicken"


RealAudioMP3 Die Theologie muss dazu beitragen, den selbstzentrierten Blick Europas auf die eigenen Probleme zu überwinden und stärker die Verlierer der Globalisierung in den Blick zu nehmen. Das betonte der emeritierte Tübinger Dogmatiker Peter Hünermann gestern in Wien. Eine solche Ausweitung des Blicks auf die "Outcasts" entspreche dem innersten Kern der Botschaft des Evangeliums, welches eine Botschaft der "Liebe zur Welt und zu den Menschen" darstellt, so Hünermann im Gespräch mit "Radio Stephansdom". Auch wurzele in diesem erweiterten Blick eine neue "weltoffene katholische Dogmatik".
Die Theologie, so Hünermann, sei durch eine "doppelte Spannung" bestimmt, die zwischen der Notwendigkeit einer rationalen Diskursfähigkeit mit den Wissenschaften sowie zwischer der tragenden "Achse der Liebe, des sich-Kümmerns und Ernstnehmens der Leiden der Menschen" bestehe. Nur in dieser Spannung könne die Theologie sich wirklich entfalten, ohne jedoch die "innere Achse der großen Liebe Gottes zu den Menschen" zu marginalisieren.
Als Beispiel für ein gelungenes praktisch-Werden dieser Form der Theologie führte Hünermann die theologische Adaption der Situation in Lateinamerika an. Dort sei es seit dem 2. Vatikanischen Konzil zu einem Aufbruch in der Theologie gekommen, von dem auch die europäische Theologie profitieren könne. So werde Theologie nur dort "geistvolle Theologie", die "neue Sichtweisen ermöglicht", wo sie sich "den Brennpunkt ihres Interesses von den Problemen der Welt vorgeben lässt".
Lobend äußerte sich Hünermann in diesem Zusammenhang auch über die Antrittsenzyklika Papst Benedikts XVI., "Deus caritas est". Die Enzyklika enthalte "eine ganz wichtige Botschaft", so Hünermann, insofern sie in eine Zeit hinein spricht, in der "Religion zumeist benutzt wird, um zu polarisieren und Feindschaft zu stiften". Die Aussage jedoch, dass Gott die Liebe sei, müsse dagegen "die Kirche im Ganzen auszeichnen" und "kollektive Formen annehmen". Kritisch merkte Hünermann an, dass die "politische Dimension des Glaubens" in der Enzyklika nicht ausreichend stark betont worden sei.
Peter Hünermann gilt als einer der bedeutendsten deutschsprachigen katholischen Dogmatiker. Er referierte am 17. und 18. Jänner auf Einladung der Wiener Theologischen Kurse über die Themen "Die Geschichtlichkeit kirchlichen Lehrens und die Unfehlbarkeit des Glaubens" sowie über "Theologie, die an der Zeit ist. Alte und neue Herausforderungen". Der gebürtige Berliner und emeritierte Tübinger Dogmatiker steht dem 1996 gegründeten weltweiten Netzwerk von Gesellschaften für katholische Theologie vor. 1955 in Rom zum Priester geweiht, war Hünermann Dozent in Freiburg, Dogmatiker in Münster und folgte dann einem Ruf als Nachfolger von Hans Küng nach Tübingen.
(kathpress/radio stephansdom 19.01.07 sk)








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