Polen hätte seine Stasi-Akten erst einmal für viele Jahre unter Verschluß halten sollen,
statt sie gleich für Recherchen zugänglich zu machen. Das glaubt der Krakauer Erzbischof,
Kardinal Stanislaw Dziwisz. In einem Gespräch mit der italienischen Tageszeitung "Avvenire"
äußerte sich der langjährige Privatsekretär des verstorbenen Papstes Johannes Paul
II. zum Fall Wielgus.
"Wir (die Kirche) haben nichts zu verbergen, und das
werden wir durch Taten zeigen." Sagt Kardinal Dziwisz. Es stimme schon, dass die Kirche
den polnischen Stasi-Akten in den letzten Jahren zuwenig Aufmerksamkeit geschenkt
habe - "leider", so der Kardinal. Man habe eben gedacht, die seien ja "von Funktionären
des früheren Regimes ohne jedes Verifizieren zusammengestellt worden". Jetzt habe
die Aufarbeitung angefangen - langsam, aber sicher. In seinem Erzbistum Krakau gebe
es nach seinem Eindruck etwa 30 Diözesanpriester (von 1200), die sich vielleicht etwas
vorzuwerfen hätten. "In der Regel haben sie aus Schwäche nachgegeben, unter sehr starkem
moralischem und psychologischem Druck." Er kenne "auch nicht einen einzigen Fall aktiver
Kollaboration mit dem Ziel, der Kirche zu schaden".
Zum zurückgetretenen Warschauer
Erzbischof Stanislaw Wielgus meint Dziwisz, dieser habe einen "Jugendirrtum begangen":
"Man kann einen Mann für einen (solchen) Fehler nicht verurteilen. Wir brauchen Vergebung
und Wiederversöhnung". Er sei Benedikt XVI. dankbar für die Hilfe, "diesen schmerzhaften
Fall abzuschließen". Generell gehe in der Debatte in Polen im Moment vieles durcheinander,
glaubt Dziwisz: "Der schlimmste Irrtum ist es, zwischen den verschiedenen Formen der
Kollaboration nicht zu unterscheiden. In vielen Fällen geht es um Priester, die von
den Geheimdiensten einbestellt wurden. Die konnten sich dem nicht entziehen, wenn
sie eine Erlaubnis zum Kirchenbau ... wollten." Da könne man doch nicht von Kollaboration
sprechen.
Hinter dem Fall Wielgus vermutet der Krakauer Kardinal "eine Strategie"
und "politische Zwecke". "Vielleicht will da jemand uns Bischöfe lehren, wie wir uns
zu benehmen haben." Er wisse aber nicht, wer da genau die Fäden ziehe. Übrigens werde
die polnische Kirche aus den derzeitigen Turbulenzen gestärkt hervorgehen: "Eine traurige
und unangenehme Episode" könne das Vertrauen der polnischen Katholiken in die Kirche
nicht erschüttern - "und erst recht nicht ihren christlichen Glauben".